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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Nichte bauen und als kleiner Satan leben. Diese Hölle ist heiß
und finster, mehr brauche ich nicht.

Er griff wieder in'S Faß, Alles blickte mit Spannung auf den
Höllengebieter. Endlich zog er zwei dicke Bücher hervor: speku¬
lative Physik von W..., und speculative Philosophie
von Schelling, öffnete sie, betrachtete sie genau und warf sie dem
Architekten an die Stirne mit den Worten: Da nimm diese Bücher
und stopfe damit die Spalten: "durch diese Speculationen dringt
kein Lichtstrahl mehr."

Die sicher geworfenen Bücher flogen durch den leeren Schat¬
tenkopf des Baumeisters, gradcso wie alle Universitätsvorlesungen
durch die Köpfe mancher edlen Junker, ohne die geringste Spur zu¬
rückzulassen. Der Baumeister lächelte, verneigte sich und ging an
sein Werk.

Ein deutscher Student, in Mainz wegen Theilnahme an dem
Tugendbund zur Hölle verurtheilt, flüsterte einem berühmten russischen
Philosophen, einem Verehrer Kant's, Schelling's, Oken's, des Mag¬
netismus und besonders deS Branntweins, in's Ohr:

-- Satanas urtheilt grade so über Philosophie und Spekula¬
tion, wie Polewvi über russische Geschichte,

-- Kein Wunder, antwortete der philosophische Bu'.nntweinfrcund,
er ist ein Feind aller geistigen Bewegung____

-- Was?____ rief zornentbrannt der Satan, der überall seine
geheime Polizei hat und darum Alles sieht und Alles hört: Was
habt Ihr gesagt?.... Ihr wagt es, ein Urtheil zu haben?.... Her
mit Euch, Ihr Spaßvogel! Ich werde Euch lehren, in meiner Hölle
Bemerkungen machen!

Die Oberhofmarschälle brachten die kühnen Zöglinge der Welt-
weisheit vor den satanischen Thron. Satan ergriff den Einen an
den Haaren, hob ihn in die Luft, blies ihm in die Nase und sprach:
"Geh hin und nieße zwei Mal in jeder Sekunde durch 3333 Jahre,
und du, verzweifelter Philosoph, sitze die ganze Zeit neben ihm und
sage: "Zur Genesung! fort mit Euch, ihr Narren!"

Dann wendete er sich an Beelzebub und fragte, was heute an
der Tages- oder eigentlich an der Nachtordnung sei.

Der Besir antwortete, daß der Oberpräsident der Rebellionen


Nichte bauen und als kleiner Satan leben. Diese Hölle ist heiß
und finster, mehr brauche ich nicht.

Er griff wieder in'S Faß, Alles blickte mit Spannung auf den
Höllengebieter. Endlich zog er zwei dicke Bücher hervor: speku¬
lative Physik von W..., und speculative Philosophie
von Schelling, öffnete sie, betrachtete sie genau und warf sie dem
Architekten an die Stirne mit den Worten: Da nimm diese Bücher
und stopfe damit die Spalten: „durch diese Speculationen dringt
kein Lichtstrahl mehr."

Die sicher geworfenen Bücher flogen durch den leeren Schat¬
tenkopf des Baumeisters, gradcso wie alle Universitätsvorlesungen
durch die Köpfe mancher edlen Junker, ohne die geringste Spur zu¬
rückzulassen. Der Baumeister lächelte, verneigte sich und ging an
sein Werk.

Ein deutscher Student, in Mainz wegen Theilnahme an dem
Tugendbund zur Hölle verurtheilt, flüsterte einem berühmten russischen
Philosophen, einem Verehrer Kant's, Schelling's, Oken's, des Mag¬
netismus und besonders deS Branntweins, in's Ohr:

— Satanas urtheilt grade so über Philosophie und Spekula¬
tion, wie Polewvi über russische Geschichte,

— Kein Wunder, antwortete der philosophische Bu'.nntweinfrcund,
er ist ein Feind aller geistigen Bewegung____

— Was?____ rief zornentbrannt der Satan, der überall seine
geheime Polizei hat und darum Alles sieht und Alles hört: Was
habt Ihr gesagt?.... Ihr wagt es, ein Urtheil zu haben?.... Her
mit Euch, Ihr Spaßvogel! Ich werde Euch lehren, in meiner Hölle
Bemerkungen machen!

Die Oberhofmarschälle brachten die kühnen Zöglinge der Welt-
weisheit vor den satanischen Thron. Satan ergriff den Einen an
den Haaren, hob ihn in die Luft, blies ihm in die Nase und sprach:
„Geh hin und nieße zwei Mal in jeder Sekunde durch 3333 Jahre,
und du, verzweifelter Philosoph, sitze die ganze Zeit neben ihm und
sage: „Zur Genesung! fort mit Euch, ihr Narren!"

Dann wendete er sich an Beelzebub und fragte, was heute an
der Tages- oder eigentlich an der Nachtordnung sei.

Der Besir antwortete, daß der Oberpräsident der Rebellionen


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[0226] Nichte bauen und als kleiner Satan leben. Diese Hölle ist heiß und finster, mehr brauche ich nicht. Er griff wieder in'S Faß, Alles blickte mit Spannung auf den Höllengebieter. Endlich zog er zwei dicke Bücher hervor: speku¬ lative Physik von W..., und speculative Philosophie von Schelling, öffnete sie, betrachtete sie genau und warf sie dem Architekten an die Stirne mit den Worten: Da nimm diese Bücher und stopfe damit die Spalten: „durch diese Speculationen dringt kein Lichtstrahl mehr." Die sicher geworfenen Bücher flogen durch den leeren Schat¬ tenkopf des Baumeisters, gradcso wie alle Universitätsvorlesungen durch die Köpfe mancher edlen Junker, ohne die geringste Spur zu¬ rückzulassen. Der Baumeister lächelte, verneigte sich und ging an sein Werk. Ein deutscher Student, in Mainz wegen Theilnahme an dem Tugendbund zur Hölle verurtheilt, flüsterte einem berühmten russischen Philosophen, einem Verehrer Kant's, Schelling's, Oken's, des Mag¬ netismus und besonders deS Branntweins, in's Ohr: — Satanas urtheilt grade so über Philosophie und Spekula¬ tion, wie Polewvi über russische Geschichte, — Kein Wunder, antwortete der philosophische Bu'.nntweinfrcund, er ist ein Feind aller geistigen Bewegung____ — Was?____ rief zornentbrannt der Satan, der überall seine geheime Polizei hat und darum Alles sieht und Alles hört: Was habt Ihr gesagt?.... Ihr wagt es, ein Urtheil zu haben?.... Her mit Euch, Ihr Spaßvogel! Ich werde Euch lehren, in meiner Hölle Bemerkungen machen! Die Oberhofmarschälle brachten die kühnen Zöglinge der Welt- weisheit vor den satanischen Thron. Satan ergriff den Einen an den Haaren, hob ihn in die Luft, blies ihm in die Nase und sprach: „Geh hin und nieße zwei Mal in jeder Sekunde durch 3333 Jahre, und du, verzweifelter Philosoph, sitze die ganze Zeit neben ihm und sage: „Zur Genesung! fort mit Euch, ihr Narren!" Dann wendete er sich an Beelzebub und fragte, was heute an der Tages- oder eigentlich an der Nachtordnung sei. Der Besir antwortete, daß der Oberpräsident der Rebellionen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/226>, abgerufen am 23.07.2024.