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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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bunte, verschlang sie und trank einen Schluck Pech darauf. Man
muß nämlich wissen, daß, sobald Satanas irgend ein Buch verzehrt,
sein Ruhm auf Erden verschwindet und die Menschen die Existenz
dieses Buches vergessen. Darum verfallen so viele geniale Erzeug¬
nisse, die anfangs so ungeheure Berühmtheit erlangt, bald wieder in
Vergessenheit; Satanas verzehrt sie nämlich bei seinem Kaffee! . . . .
Es steht freilich in der Geschichte der Literatur kein Wort davon, in¬
dessen ist's doch offiziell.

Satanas verschlang auf diese Art die Literatur eines ganzen
Jahres, er hatte einen teuflischen Appetit. Dabei warf er einen un¬
ruhigen Blick auf den Saal und die Versammlung: er empfand ein
unangenehmes Schaudern in den Augen. Da erblickte er Plötzlich,
als er hinausschaute, eine Spalte in der Decke, durch welche die
letzten Strahlen der eben auf der Erde untergehenden Sonne ein¬
drangen. Sogleich schrie er:

-- Wo ist der Baumeister? .... Der Dieb soll sogleich er¬
scheinen.

Ein langer blasser hagerer Verbannter stellte sich vor Seiner
Unreinen Hoheit hin. Er nannte sich Don Diego de Buffalo. Bei sei¬
nem Leben hatte er eine Kathedrale in Salamanca gebaut, von
welcher er drei Wände stahl, indem er die Junta versicherte, daß
die Ziegel vom fortwährenden Regen aufgelöst und dann von der
Sonne verdampft wären. Für diese ruhmwürdige That wurde er nach
seinem Tode zum Hofarchitekten ernannt. In der Hölle werden die
Aemter nur an Würdige vertheilt.

-- Spitzbube! (das ist der gewöhnliche Titel, den Satanas sei¬
nen Beamten gibt) jeden Tag erhalte ich längere Rechnungen für
Ausgaben zur Reparatur meiner Paläste, und überall finde ich
Ritzen und Spalten.

-- Es ist ein altes Gebäude, Ew. Finsterniß! antwortete der
Verdammte mit einem schamlosen Lächeln, und fällt täglich mehr zu¬
sammen. Ich habe schon Ew. Finsterniß mehrere Male vorgestellt,
mir zu erlauben, diese Hölle umzuwerfen und eine andere im mo¬
dernen Geschmack zu bauen.

-- Das will ich nicht! --.... du willst mich bestehlen, dir
von meinem Material eine kleine Hölle unter dem Namen deiner


bunte, verschlang sie und trank einen Schluck Pech darauf. Man
muß nämlich wissen, daß, sobald Satanas irgend ein Buch verzehrt,
sein Ruhm auf Erden verschwindet und die Menschen die Existenz
dieses Buches vergessen. Darum verfallen so viele geniale Erzeug¬
nisse, die anfangs so ungeheure Berühmtheit erlangt, bald wieder in
Vergessenheit; Satanas verzehrt sie nämlich bei seinem Kaffee! . . . .
Es steht freilich in der Geschichte der Literatur kein Wort davon, in¬
dessen ist's doch offiziell.

Satanas verschlang auf diese Art die Literatur eines ganzen
Jahres, er hatte einen teuflischen Appetit. Dabei warf er einen un¬
ruhigen Blick auf den Saal und die Versammlung: er empfand ein
unangenehmes Schaudern in den Augen. Da erblickte er Plötzlich,
als er hinausschaute, eine Spalte in der Decke, durch welche die
letzten Strahlen der eben auf der Erde untergehenden Sonne ein¬
drangen. Sogleich schrie er:

— Wo ist der Baumeister? .... Der Dieb soll sogleich er¬
scheinen.

Ein langer blasser hagerer Verbannter stellte sich vor Seiner
Unreinen Hoheit hin. Er nannte sich Don Diego de Buffalo. Bei sei¬
nem Leben hatte er eine Kathedrale in Salamanca gebaut, von
welcher er drei Wände stahl, indem er die Junta versicherte, daß
die Ziegel vom fortwährenden Regen aufgelöst und dann von der
Sonne verdampft wären. Für diese ruhmwürdige That wurde er nach
seinem Tode zum Hofarchitekten ernannt. In der Hölle werden die
Aemter nur an Würdige vertheilt.

— Spitzbube! (das ist der gewöhnliche Titel, den Satanas sei¬
nen Beamten gibt) jeden Tag erhalte ich längere Rechnungen für
Ausgaben zur Reparatur meiner Paläste, und überall finde ich
Ritzen und Spalten.

— Es ist ein altes Gebäude, Ew. Finsterniß! antwortete der
Verdammte mit einem schamlosen Lächeln, und fällt täglich mehr zu¬
sammen. Ich habe schon Ew. Finsterniß mehrere Male vorgestellt,
mir zu erlauben, diese Hölle umzuwerfen und eine andere im mo¬
dernen Geschmack zu bauen.

— Das will ich nicht! —.... du willst mich bestehlen, dir
von meinem Material eine kleine Hölle unter dem Namen deiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/225>, abgerufen am 23.07.2024.