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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ich hatte keinen andern. Die Werke sind freilich etwas alt -- aber
die allerneueste Ausgabe.

-- Ich habe dir schon gar viele Mal gesagt, ich bin kein Freund
von aufgewärmten Sachen. Dann befahl ich, mir nur Leichtes, An¬
genehmes vorzulegen, und nun hast du mir da etwas so Trockenes, Ge¬
schmackloses ....

^- Allerfinsterster Gebieter, ich erkühne mich zu versichern, daß
es die besten Schöpfungen unserer Zeit . . .

-- Dann ist Euere Zeit gewaltig dumm!

-- Nicht meine Schuld, Euere Finsterniß: ich erzeuge als Biblio¬
thekar selbst keine Dummheiten, ich ordne sie blos und bringe sie in
Systeme. In diesem Fasse sind die neuesten Literaturerzeugnisse. Es
ist die Schuld Charons, daß sie nicht so frisch sind; er hat vierzig Korbe,
die Novitäten der letzten Messe aus Unvorsichtigkeit in die Lethe ge¬
worfen ....

Während sich der Bibliothekar rechtfertigte, betrachtete Satanas
aus Neugierde den Rest der verschlungenen Bücher und las: ... .
wen <IIer .... histor .... man .... 1840 .... -- Was
soll das heißen, das ist ja nicht ein Mal aufgewärmt.

-- Lohnte wahrscheinlich nicht der Mühe, sagte der dicke Teu¬
fel mit einem Lächeln.

-- Da scheint auch Mohn darin zu sein, meinte Satanas.

-- Ew. Finsterniß werden nach einem solchen Frühstück gut
schlafen, antwortete der Teufel lächelnd.

-- Du betrügst mich und erdreistest dich noch zu lachen. Suche
mir unter den Verdammten einen klugem Bibliothekar, sagte Sata¬
nas, sich an Beelzebub, seinen geliebten Großvesir, wendend. Spä¬
terhin will ich zu dieser Würde den berühmten Professor erheben, der
vor Kurzem im Norden einen solchen Lärm gemacht. Vergiß aber
ja nicht, ihn an den Boden der Bibliothek festzuketten, sonst wäre
er fähig, selbst bei uns in der Hölle eine Revolution anzustiften
und ein konstitutionelles Budget einzuführen.

-- Ich habe es vernommen, -- antwortete Beelzebub, sich tief
neigend und die Spitze des Satanischen Schwanzes küssend.

Der Gebieter der Hölle wühlte lange im Fasse herum, den be¬
sten Zwieback hervorsuchend. Er nahm Hernani, Notre -- Dame --
de -- Paris, Bulaarm'S Werke u. tgi. andere herrliche Geistespro-


ich hatte keinen andern. Die Werke sind freilich etwas alt — aber
die allerneueste Ausgabe.

— Ich habe dir schon gar viele Mal gesagt, ich bin kein Freund
von aufgewärmten Sachen. Dann befahl ich, mir nur Leichtes, An¬
genehmes vorzulegen, und nun hast du mir da etwas so Trockenes, Ge¬
schmackloses ....

^- Allerfinsterster Gebieter, ich erkühne mich zu versichern, daß
es die besten Schöpfungen unserer Zeit . . .

— Dann ist Euere Zeit gewaltig dumm!

— Nicht meine Schuld, Euere Finsterniß: ich erzeuge als Biblio¬
thekar selbst keine Dummheiten, ich ordne sie blos und bringe sie in
Systeme. In diesem Fasse sind die neuesten Literaturerzeugnisse. Es
ist die Schuld Charons, daß sie nicht so frisch sind; er hat vierzig Korbe,
die Novitäten der letzten Messe aus Unvorsichtigkeit in die Lethe ge¬
worfen ....

Während sich der Bibliothekar rechtfertigte, betrachtete Satanas
aus Neugierde den Rest der verschlungenen Bücher und las: ... .
wen <IIer .... histor .... man .... 1840 .... — Was
soll das heißen, das ist ja nicht ein Mal aufgewärmt.

— Lohnte wahrscheinlich nicht der Mühe, sagte der dicke Teu¬
fel mit einem Lächeln.

— Da scheint auch Mohn darin zu sein, meinte Satanas.

— Ew. Finsterniß werden nach einem solchen Frühstück gut
schlafen, antwortete der Teufel lächelnd.

— Du betrügst mich und erdreistest dich noch zu lachen. Suche
mir unter den Verdammten einen klugem Bibliothekar, sagte Sata¬
nas, sich an Beelzebub, seinen geliebten Großvesir, wendend. Spä¬
terhin will ich zu dieser Würde den berühmten Professor erheben, der
vor Kurzem im Norden einen solchen Lärm gemacht. Vergiß aber
ja nicht, ihn an den Boden der Bibliothek festzuketten, sonst wäre
er fähig, selbst bei uns in der Hölle eine Revolution anzustiften
und ein konstitutionelles Budget einzuführen.

— Ich habe es vernommen, — antwortete Beelzebub, sich tief
neigend und die Spitze des Satanischen Schwanzes küssend.

Der Gebieter der Hölle wühlte lange im Fasse herum, den be¬
sten Zwieback hervorsuchend. Er nahm Hernani, Notre — Dame —
de — Paris, Bulaarm'S Werke u. tgi. andere herrliche Geistespro-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/224>, abgerufen am 23.07.2024.