Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.II. Einfluß des Katholicismus auf den Kunstsinn. -- Naturkünstler. -- München und Düsseldorf. -- Kunstliebe der allen baierischen Fürsten. -- Bedeutung des Geschichtlichen für die Kunst. Der Oberbaier kann und will mit dem Norddeutschen in der Diese Gegensätze zwischen Nord und Süd sind bis aufs Ein- 27"
II. Einfluß des Katholicismus auf den Kunstsinn. — Naturkünstler. — München und Düsseldorf. — Kunstliebe der allen baierischen Fürsten. — Bedeutung des Geschichtlichen für die Kunst. Der Oberbaier kann und will mit dem Norddeutschen in der Diese Gegensätze zwischen Nord und Süd sind bis aufs Ein- 27»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269630"/> </div> <div n="2"> <head> II.</head><lb/> <note type="argument"> Einfluß des Katholicismus auf den Kunstsinn. — Naturkünstler. — München<lb/> und Düsseldorf. — Kunstliebe der allen baierischen Fürsten. — Bedeutung<lb/> des Geschichtlichen für die Kunst.</note><lb/> <p xml:id="ID_559"> Der Oberbaier kann und will mit dem Norddeutschen in der<lb/> Kritik, in der Philosophie, in der Ausbildung literarischer Anlagen,<lb/> die ihm doch gewiß nicht abgehen, nicht concurriren, dagegen besitzt<lb/> er ein angebornes Talent für Farben, Formen und allerlei Kunst¬<lb/> übung. Schon Aventin nennt den Baier zwar derb, aber auch bie¬<lb/> der, treu und „erfindsam". Die hier bei festlichen Gelegenheiten statt¬<lb/> findenden Auf- und Umzüge, welche auch des Octoberfestes bester<lb/> und interessantester Theil sind, die durch hohe Vermählungen gebote¬<lb/> nen Ausschmückungen der Häuser mit Fahnen, Teppichen und Blu¬<lb/> men zeigen in Wahl und Zusammenstellungen durchaus von Ge¬<lb/> schmack und gutem Farbensinn. Hierauf ist der religiöse Cultus ge¬<lb/> wiß nicht ohne Einfluß geblieben und es läßt sich kaum eine schönere<lb/> Anordnung denken, als sich hier bei Prozessionen, namentlich bei der<lb/> großartigen Frohnleichnamsprozession bemerklich macht. Auch wer<lb/> seine Kirche in der eigenen Brust auszubauen liebt und jeden äuße¬<lb/> ren Cultus als unwesentlich verwirft, wird wenigstens durch diesen<lb/> „ Triumphzug des allerheiligsten Altarsacraments", wozu sich die<lb/> Frohnleichnamsprozession hier gestaltet hat, seinen künstlerischen Sinn<lb/> zugleich angeregt und befriedigt fühlen. Ueberhaupt bleibt zu bemer¬<lb/> ken, daß in Deutschland die meisten Koryphäen der Poesie, wie der<lb/> Literatur und Wissenschaft, aus dem Schooße des Protestantismus,<lb/> die meisten Koryphäen in der bildenden Kunst und in der musikali¬<lb/> schen Composition aus dem Schooße des Katholicismus hervorge¬<lb/> gangen sind. Eben so sprechen die protestantischen Dichter mehr<lb/> durch den Verstand und den reinen Gedanken zu uns, die katholi¬<lb/> schen, selbst wenn sie politische und religiöse Reformen predigen, durch<lb/> vermittelnde Bilder, Gleichnisse und Symbole. Jene sorgen mehr für<lb/> die Küchen und Keller der reinen Vernunft, diese mehr für die Ka¬<lb/> pellen und Prunkgemächer der Phantasie.</p><lb/> <p xml:id="ID_560" next="#ID_561"> Diese Gegensätze zwischen Nord und Süd sind bis aufs Ein-<lb/> zelste zu verfolgen. Der norddeutsche Bauer hält in der Tracht und<lb/> in der Wohnung das Prinzip der Nothdurft und des Bedürfnisses</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 27»</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
II.
Einfluß des Katholicismus auf den Kunstsinn. — Naturkünstler. — München
und Düsseldorf. — Kunstliebe der allen baierischen Fürsten. — Bedeutung
des Geschichtlichen für die Kunst.
Der Oberbaier kann und will mit dem Norddeutschen in der
Kritik, in der Philosophie, in der Ausbildung literarischer Anlagen,
die ihm doch gewiß nicht abgehen, nicht concurriren, dagegen besitzt
er ein angebornes Talent für Farben, Formen und allerlei Kunst¬
übung. Schon Aventin nennt den Baier zwar derb, aber auch bie¬
der, treu und „erfindsam". Die hier bei festlichen Gelegenheiten statt¬
findenden Auf- und Umzüge, welche auch des Octoberfestes bester
und interessantester Theil sind, die durch hohe Vermählungen gebote¬
nen Ausschmückungen der Häuser mit Fahnen, Teppichen und Blu¬
men zeigen in Wahl und Zusammenstellungen durchaus von Ge¬
schmack und gutem Farbensinn. Hierauf ist der religiöse Cultus ge¬
wiß nicht ohne Einfluß geblieben und es läßt sich kaum eine schönere
Anordnung denken, als sich hier bei Prozessionen, namentlich bei der
großartigen Frohnleichnamsprozession bemerklich macht. Auch wer
seine Kirche in der eigenen Brust auszubauen liebt und jeden äuße¬
ren Cultus als unwesentlich verwirft, wird wenigstens durch diesen
„ Triumphzug des allerheiligsten Altarsacraments", wozu sich die
Frohnleichnamsprozession hier gestaltet hat, seinen künstlerischen Sinn
zugleich angeregt und befriedigt fühlen. Ueberhaupt bleibt zu bemer¬
ken, daß in Deutschland die meisten Koryphäen der Poesie, wie der
Literatur und Wissenschaft, aus dem Schooße des Protestantismus,
die meisten Koryphäen in der bildenden Kunst und in der musikali¬
schen Composition aus dem Schooße des Katholicismus hervorge¬
gangen sind. Eben so sprechen die protestantischen Dichter mehr
durch den Verstand und den reinen Gedanken zu uns, die katholi¬
schen, selbst wenn sie politische und religiöse Reformen predigen, durch
vermittelnde Bilder, Gleichnisse und Symbole. Jene sorgen mehr für
die Küchen und Keller der reinen Vernunft, diese mehr für die Ka¬
pellen und Prunkgemächer der Phantasie.
Diese Gegensätze zwischen Nord und Süd sind bis aufs Ein-
zelste zu verfolgen. Der norddeutsche Bauer hält in der Tracht und
in der Wohnung das Prinzip der Nothdurft und des Bedürfnisses
27»
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |