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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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an Decke, Wände" und Fußboden von edlen Steinen und Metallen
strotzende "reiche Kapelle", deren Heiligthümer viele Millionen Gul¬
den werth sind, einen überraschenden, betäubenden Eindruck machen.

Unter Manmilian's Nachfolger, Ferdinand Maria, wurde im
italienischen Prachtstyle von dem Bologneser Architekten Agostino
Barella die imposante Theatinertirche erbaut und das Schloß zu
Nymphenburg begonnen, dessen Gartenanlagen und Baulichkeiten die
feierliche und ceremonielle Grandiosität der königlichen Schlösser und
Gärten von Versailles wiederspiegeln. Als Maler waren damals
I. Sandrart und der berühmte Claude Lorrain, welcher in dem
nahen, schön gelegenen Harlaching wohnte, für den Hof beschäftigt.

Allmälig verdrängte der französische Geschmack den italienischen.
Die Herrschaft deö Rococo begann. das Zeitalter der ausgeschweif¬
ten Linien, der gewundenen Säulei?, die Nichts zu tragen haben, der
gekröpften Gesimse, der mit Muscheln und Schnecken verzierten Grot¬
ten, der Frucht- und Laubgehänge, der mythologischen und allegori¬
schen Personagm, der hausbackenen Engel, der süß lächelnden Hei¬
ligen, der Porzellanfiguren, der überladenen Stuckaturen und Ver¬
goldungen. In diesem Style, wenn dies noch ein Styl zu nennen
ist, hat München mancherlei Muster aufzuweisen, die in ihrer Art
vollkommen sind und unter denen namentlich die auf Kosten der
beiden Brüder Egidius und Cosmas Asam nach des Ersteren Plane
ausgeführte Se. Johanneskirche in der Sentlinger Straße zu nennen
ist. Auch gehört hierher in dem sonst still und heimlich abgeschlosse¬
nen Grottenhofe der alten Residenz die offene, mit Muscheln, Schnek-
ken, Vasen, mythologischen Fresken überreichlich ausgestattete Galerie,
deren verfallene Neste auf ein modernes Gemüth einen fast unheim¬
lichen Eindruck hervorbringen. -- Man wird mir erlassen, die technisch
oft sehr geschickten Künstler, welche in München diese coquette und inhalt¬
lose Richtung der Kunst vertraten, hier namentlich aufzuführen. Sie hat¬
ten Nichts mit der Seele, kaum mit dem schönen nackten Körper der
Kunst, um so mehr aber mit ihrer Toilette und Frisur zu thun, und
es erscheint ziemlich überflüssig und unnöthig, die reichen Annalen
der Kunstgeschichte noch mit ihren Namen belästigen zu wollen. Man
sieht jedoch hieraus, daß die Kunst in München nie stillgestanden
hat und hier in allen Richtungen gleichsam chrestomathisch vertreten
ist.-


an Decke, Wände» und Fußboden von edlen Steinen und Metallen
strotzende „reiche Kapelle", deren Heiligthümer viele Millionen Gul¬
den werth sind, einen überraschenden, betäubenden Eindruck machen.

Unter Manmilian's Nachfolger, Ferdinand Maria, wurde im
italienischen Prachtstyle von dem Bologneser Architekten Agostino
Barella die imposante Theatinertirche erbaut und das Schloß zu
Nymphenburg begonnen, dessen Gartenanlagen und Baulichkeiten die
feierliche und ceremonielle Grandiosität der königlichen Schlösser und
Gärten von Versailles wiederspiegeln. Als Maler waren damals
I. Sandrart und der berühmte Claude Lorrain, welcher in dem
nahen, schön gelegenen Harlaching wohnte, für den Hof beschäftigt.

Allmälig verdrängte der französische Geschmack den italienischen.
Die Herrschaft deö Rococo begann. das Zeitalter der ausgeschweif¬
ten Linien, der gewundenen Säulei?, die Nichts zu tragen haben, der
gekröpften Gesimse, der mit Muscheln und Schnecken verzierten Grot¬
ten, der Frucht- und Laubgehänge, der mythologischen und allegori¬
schen Personagm, der hausbackenen Engel, der süß lächelnden Hei¬
ligen, der Porzellanfiguren, der überladenen Stuckaturen und Ver¬
goldungen. In diesem Style, wenn dies noch ein Styl zu nennen
ist, hat München mancherlei Muster aufzuweisen, die in ihrer Art
vollkommen sind und unter denen namentlich die auf Kosten der
beiden Brüder Egidius und Cosmas Asam nach des Ersteren Plane
ausgeführte Se. Johanneskirche in der Sentlinger Straße zu nennen
ist. Auch gehört hierher in dem sonst still und heimlich abgeschlosse¬
nen Grottenhofe der alten Residenz die offene, mit Muscheln, Schnek-
ken, Vasen, mythologischen Fresken überreichlich ausgestattete Galerie,
deren verfallene Neste auf ein modernes Gemüth einen fast unheim¬
lichen Eindruck hervorbringen. — Man wird mir erlassen, die technisch
oft sehr geschickten Künstler, welche in München diese coquette und inhalt¬
lose Richtung der Kunst vertraten, hier namentlich aufzuführen. Sie hat¬
ten Nichts mit der Seele, kaum mit dem schönen nackten Körper der
Kunst, um so mehr aber mit ihrer Toilette und Frisur zu thun, und
es erscheint ziemlich überflüssig und unnöthig, die reichen Annalen
der Kunstgeschichte noch mit ihren Namen belästigen zu wollen. Man
sieht jedoch hieraus, daß die Kunst in München nie stillgestanden
hat und hier in allen Richtungen gleichsam chrestomathisch vertreten
ist.-


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[0212] an Decke, Wände» und Fußboden von edlen Steinen und Metallen strotzende „reiche Kapelle", deren Heiligthümer viele Millionen Gul¬ den werth sind, einen überraschenden, betäubenden Eindruck machen. Unter Manmilian's Nachfolger, Ferdinand Maria, wurde im italienischen Prachtstyle von dem Bologneser Architekten Agostino Barella die imposante Theatinertirche erbaut und das Schloß zu Nymphenburg begonnen, dessen Gartenanlagen und Baulichkeiten die feierliche und ceremonielle Grandiosität der königlichen Schlösser und Gärten von Versailles wiederspiegeln. Als Maler waren damals I. Sandrart und der berühmte Claude Lorrain, welcher in dem nahen, schön gelegenen Harlaching wohnte, für den Hof beschäftigt. Allmälig verdrängte der französische Geschmack den italienischen. Die Herrschaft deö Rococo begann. das Zeitalter der ausgeschweif¬ ten Linien, der gewundenen Säulei?, die Nichts zu tragen haben, der gekröpften Gesimse, der mit Muscheln und Schnecken verzierten Grot¬ ten, der Frucht- und Laubgehänge, der mythologischen und allegori¬ schen Personagm, der hausbackenen Engel, der süß lächelnden Hei¬ ligen, der Porzellanfiguren, der überladenen Stuckaturen und Ver¬ goldungen. In diesem Style, wenn dies noch ein Styl zu nennen ist, hat München mancherlei Muster aufzuweisen, die in ihrer Art vollkommen sind und unter denen namentlich die auf Kosten der beiden Brüder Egidius und Cosmas Asam nach des Ersteren Plane ausgeführte Se. Johanneskirche in der Sentlinger Straße zu nennen ist. Auch gehört hierher in dem sonst still und heimlich abgeschlosse¬ nen Grottenhofe der alten Residenz die offene, mit Muscheln, Schnek- ken, Vasen, mythologischen Fresken überreichlich ausgestattete Galerie, deren verfallene Neste auf ein modernes Gemüth einen fast unheim¬ lichen Eindruck hervorbringen. — Man wird mir erlassen, die technisch oft sehr geschickten Künstler, welche in München diese coquette und inhalt¬ lose Richtung der Kunst vertraten, hier namentlich aufzuführen. Sie hat¬ ten Nichts mit der Seele, kaum mit dem schönen nackten Körper der Kunst, um so mehr aber mit ihrer Toilette und Frisur zu thun, und es erscheint ziemlich überflüssig und unnöthig, die reichen Annalen der Kunstgeschichte noch mit ihren Namen belästigen zu wollen. Man sieht jedoch hieraus, daß die Kunst in München nie stillgestanden hat und hier in allen Richtungen gleichsam chrestomathisch vertreten ist.-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/212>, abgerufen am 22.07.2024.