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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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berg und Augsburg in früheren Jahrhunderten, unter den deutschen
Städten durch Handel und Wandel, Kunst- und Gewerbfleiß, Er-
findsamkeit und Meistergesang auszeichneten. Es wäre seltsam, wenn
diese fortdauernde Berührung mit den genannten berühmten Kunst¬
städten auf die Kunstthätigkeit Münchens ganz ohne Einfluß geblie¬
ben wäre. Und sie blieb auch nicht ohne Einfluß; ja es sind in
jüngster Zeit mancherlei Kunstreste aufgesunden worden, die sogar
vermuthen lassen, daß in München eine besondere Malerschule be¬
standen habe, die einen gewissen Zusammenhang mit der Augsburg-
schwäbischen Malerschule erkennen läßt. Um die Blüthe der schwä-
bisch-bairischen Malerschule kennen zu lernen, muß man freilich Augs¬
burg und die städtische Gemäldegalerie daselbst besuchen, wo die
Gemälde von Bmgmayr, Zeitblom und den drei Holbein, Großvater,
Vater und Enkel, durch ihre Großartigkeit in der Auffassung und
ihre malerische Ausführung wahrhaft überraschen. Solche imposante
Neste hat uns die Münchner Malerschule freilich nicht hinterlassen;
doch sind mehrere Gemälde, welche in der hiesigen Peterskirche auf¬
bewahrt werden und der Münchner Schule anzugehören scheinen,
sehr beachtenswert!). Der Meister ist nicht genannt. Sie stellen,
zum Theil noch auf Goldgrund, Scenen aus dem Leben der Apostel
Petrus und Paulus dar. Es ist daran viel Vertracktes, Karrikirtes
und Häßliches, doch ist den Compositionen eine gewisse Großartig¬
keit, den Hauptfiguren Adel und Würde, den Nebenfiguren Streben
nach scharfer Charakteristik und Individualisirung, wie dies der alt¬
deutschen Schule überhaupt eigenthümlich war, nicht abzusprechen.
Dazu bewegen sich in den reichen landschaftlichen oder architektonischen
Hintergründen allerlei gcnreartige Gruppen, die mich auf altdeutschen
Bildern stets an die Handwerksburschen-, Studenten- und Spazier¬
gängerscene in Göthe'ö Faust gemähnten, die von Göthe ganz in der
Manier der altdeutschen Maler als genreartige und idyllische Episode
in die großartige Composition des Gedichts eingewebt ist. An alt-
deutsch-gvthescher Phantastik fehlt es diesen Bildern auch nicht, welche
sich ohnehin durch ein fast glühendes Colorit bemerkbar machen. E. För¬
ster hat das Verdienst, zuerst die Aufmerksamkeit auf diese interessan¬
ten Gemälde gelenkt zu haben. Noch mehr leisteten, wie es scheint,
die alten Münchner Künstler in der Bildschnitzerei und Sculptiw
wie mehrere Basreliefs, namentlich ein ebenfalls in der Peterskirche


berg und Augsburg in früheren Jahrhunderten, unter den deutschen
Städten durch Handel und Wandel, Kunst- und Gewerbfleiß, Er-
findsamkeit und Meistergesang auszeichneten. Es wäre seltsam, wenn
diese fortdauernde Berührung mit den genannten berühmten Kunst¬
städten auf die Kunstthätigkeit Münchens ganz ohne Einfluß geblie¬
ben wäre. Und sie blieb auch nicht ohne Einfluß; ja es sind in
jüngster Zeit mancherlei Kunstreste aufgesunden worden, die sogar
vermuthen lassen, daß in München eine besondere Malerschule be¬
standen habe, die einen gewissen Zusammenhang mit der Augsburg-
schwäbischen Malerschule erkennen läßt. Um die Blüthe der schwä-
bisch-bairischen Malerschule kennen zu lernen, muß man freilich Augs¬
burg und die städtische Gemäldegalerie daselbst besuchen, wo die
Gemälde von Bmgmayr, Zeitblom und den drei Holbein, Großvater,
Vater und Enkel, durch ihre Großartigkeit in der Auffassung und
ihre malerische Ausführung wahrhaft überraschen. Solche imposante
Neste hat uns die Münchner Malerschule freilich nicht hinterlassen;
doch sind mehrere Gemälde, welche in der hiesigen Peterskirche auf¬
bewahrt werden und der Münchner Schule anzugehören scheinen,
sehr beachtenswert!). Der Meister ist nicht genannt. Sie stellen,
zum Theil noch auf Goldgrund, Scenen aus dem Leben der Apostel
Petrus und Paulus dar. Es ist daran viel Vertracktes, Karrikirtes
und Häßliches, doch ist den Compositionen eine gewisse Großartig¬
keit, den Hauptfiguren Adel und Würde, den Nebenfiguren Streben
nach scharfer Charakteristik und Individualisirung, wie dies der alt¬
deutschen Schule überhaupt eigenthümlich war, nicht abzusprechen.
Dazu bewegen sich in den reichen landschaftlichen oder architektonischen
Hintergründen allerlei gcnreartige Gruppen, die mich auf altdeutschen
Bildern stets an die Handwerksburschen-, Studenten- und Spazier¬
gängerscene in Göthe'ö Faust gemähnten, die von Göthe ganz in der
Manier der altdeutschen Maler als genreartige und idyllische Episode
in die großartige Composition des Gedichts eingewebt ist. An alt-
deutsch-gvthescher Phantastik fehlt es diesen Bildern auch nicht, welche
sich ohnehin durch ein fast glühendes Colorit bemerkbar machen. E. För¬
ster hat das Verdienst, zuerst die Aufmerksamkeit auf diese interessan¬
ten Gemälde gelenkt zu haben. Noch mehr leisteten, wie es scheint,
die alten Münchner Künstler in der Bildschnitzerei und Sculptiw
wie mehrere Basreliefs, namentlich ein ebenfalls in der Peterskirche


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[0207] berg und Augsburg in früheren Jahrhunderten, unter den deutschen Städten durch Handel und Wandel, Kunst- und Gewerbfleiß, Er- findsamkeit und Meistergesang auszeichneten. Es wäre seltsam, wenn diese fortdauernde Berührung mit den genannten berühmten Kunst¬ städten auf die Kunstthätigkeit Münchens ganz ohne Einfluß geblie¬ ben wäre. Und sie blieb auch nicht ohne Einfluß; ja es sind in jüngster Zeit mancherlei Kunstreste aufgesunden worden, die sogar vermuthen lassen, daß in München eine besondere Malerschule be¬ standen habe, die einen gewissen Zusammenhang mit der Augsburg- schwäbischen Malerschule erkennen läßt. Um die Blüthe der schwä- bisch-bairischen Malerschule kennen zu lernen, muß man freilich Augs¬ burg und die städtische Gemäldegalerie daselbst besuchen, wo die Gemälde von Bmgmayr, Zeitblom und den drei Holbein, Großvater, Vater und Enkel, durch ihre Großartigkeit in der Auffassung und ihre malerische Ausführung wahrhaft überraschen. Solche imposante Neste hat uns die Münchner Malerschule freilich nicht hinterlassen; doch sind mehrere Gemälde, welche in der hiesigen Peterskirche auf¬ bewahrt werden und der Münchner Schule anzugehören scheinen, sehr beachtenswert!). Der Meister ist nicht genannt. Sie stellen, zum Theil noch auf Goldgrund, Scenen aus dem Leben der Apostel Petrus und Paulus dar. Es ist daran viel Vertracktes, Karrikirtes und Häßliches, doch ist den Compositionen eine gewisse Großartig¬ keit, den Hauptfiguren Adel und Würde, den Nebenfiguren Streben nach scharfer Charakteristik und Individualisirung, wie dies der alt¬ deutschen Schule überhaupt eigenthümlich war, nicht abzusprechen. Dazu bewegen sich in den reichen landschaftlichen oder architektonischen Hintergründen allerlei gcnreartige Gruppen, die mich auf altdeutschen Bildern stets an die Handwerksburschen-, Studenten- und Spazier¬ gängerscene in Göthe'ö Faust gemähnten, die von Göthe ganz in der Manier der altdeutschen Maler als genreartige und idyllische Episode in die großartige Composition des Gedichts eingewebt ist. An alt- deutsch-gvthescher Phantastik fehlt es diesen Bildern auch nicht, welche sich ohnehin durch ein fast glühendes Colorit bemerkbar machen. E. För¬ ster hat das Verdienst, zuerst die Aufmerksamkeit auf diese interessan¬ ten Gemälde gelenkt zu haben. Noch mehr leisteten, wie es scheint, die alten Münchner Künstler in der Bildschnitzerei und Sculptiw wie mehrere Basreliefs, namentlich ein ebenfalls in der Peterskirche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/207>, abgerufen am 23.07.2024.