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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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III.
Notizen.

Eisenbahnverwaltung (brieflich aus Wien). -- Die Amazone. -- Die Hoppü-
frage. -- Die Musritosstadt. -- Huber'6 Janus. -- Immer langsam voran.--
Die Todten gegen die Lebendigen. -- Deutsche Zeitungen in Amerika. -- Boß'-
sche Toleranz. -- Bischer. -- Briefliches aus Jassy.

-- So eben hat der Kaiser den Vorschlag genehmigt, daß die
Verlängerung der Nordbahn von Bochnia über Lemberg nach Vrody
an der russischen Grenze als eine auf Staatskosten herzustellende Linie
erklärt; mit dieser gleichzeitig soll bereits im künftigen Jahre auch
die Bahn von Linz nach Salzburg in Angriff genommen werden.
Bei dem nothwendig abzuschließenden Pachtvertrag mit der Gesellschaft
der Nordbahn wird man von Seite des Staates auch mit größerer
Umsicht zu Werke gehen, als dies leider bei dem mit der Südbahn
getroffenen Uebereinkommen der Fall war. Es zeigt sich schon nach
Verlauf weniger Wochen, welchen weiten Spielraum die in dem mit
der Gloggnitzer Bahngesellschaft abgeschlossenen Vertrage aufgestellten
Bedingungen der Willkür und der Berechnung der Pächter offen ge¬
lassen haben; der Pächter wird vom Staate für jedes geheizte Loco-
motiv und für jede zurückgelegte Meile bezahlt und erhält überdem
für die Instandhaltung des Schienenweges pr. Meile ein gewisses
Pauschale. Unter diesen Umstanden kann dem Pächter gar Nichts
daran liegen, ob die von ihm in Bestand genommene Linie frequen-
tirt werde oder nicht, im Gegentheile, es muß ihm nur lieb sein,
wenn die Frequenz nicht überHand nimmt, da er alsdann an dem
Pauschale ungleich mehr verlieren würde, als er an den Fahrtaxen
gewinnen könnte. Manche sind vielleicht der Meinung, in dem er¬
wähnten Falle bestehe zwischen den Interessen des Besitzers und Päch¬
ters vollkommene Harmonie, indem die der Staatsbahn gewonnene
Frequenz eben so der Gloggnitzer Bahn zu Gute käme und mithin
der eigene Vortheil die Pächter anspornen sollte, Alles zu thun, was
den Flor des Objects befördern kann. Die Wirklichkeit straft indeß
diese Ansicht Lügen, und das reisende Publicum sowohl, als die Kauf¬
mannswelt sind voll von Klagen über die schlechte Ordnung, die in
Betreff der pünktlichen Besorgung von Personen und Gütern Statt
findet, sobald man die Schneehöhen des Sömmering im Rücken hat;
die Waaren zumal bleiben oft eine ganze Woche unterwegs und der
Schneckengang der Fuhrleute wird bald wieder dem Dampffluge vor¬
wogen werden, da eine kaufmännische Berechnung bei soviel Unzu-
verlässigkeit kaum möglich ist, und die niedern Frachtsatze der Staats-
vahn werden durch diese Verhältnisse wieder vernichtet.

n> ^ Bedienstete, welche von den controlirenden Staatsbeamten wegen
Nachlässigkeit entlassen werden, wissen, daß sie bei der Gloggnitzer Bahn


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III.
Notizen.

Eisenbahnverwaltung (brieflich aus Wien). — Die Amazone. — Die Hoppü-
frage. — Die Musritosstadt. — Huber'6 Janus. — Immer langsam voran.—
Die Todten gegen die Lebendigen. — Deutsche Zeitungen in Amerika. — Boß'-
sche Toleranz. — Bischer. — Briefliches aus Jassy.

— So eben hat der Kaiser den Vorschlag genehmigt, daß die
Verlängerung der Nordbahn von Bochnia über Lemberg nach Vrody
an der russischen Grenze als eine auf Staatskosten herzustellende Linie
erklärt; mit dieser gleichzeitig soll bereits im künftigen Jahre auch
die Bahn von Linz nach Salzburg in Angriff genommen werden.
Bei dem nothwendig abzuschließenden Pachtvertrag mit der Gesellschaft
der Nordbahn wird man von Seite des Staates auch mit größerer
Umsicht zu Werke gehen, als dies leider bei dem mit der Südbahn
getroffenen Uebereinkommen der Fall war. Es zeigt sich schon nach
Verlauf weniger Wochen, welchen weiten Spielraum die in dem mit
der Gloggnitzer Bahngesellschaft abgeschlossenen Vertrage aufgestellten
Bedingungen der Willkür und der Berechnung der Pächter offen ge¬
lassen haben; der Pächter wird vom Staate für jedes geheizte Loco-
motiv und für jede zurückgelegte Meile bezahlt und erhält überdem
für die Instandhaltung des Schienenweges pr. Meile ein gewisses
Pauschale. Unter diesen Umstanden kann dem Pächter gar Nichts
daran liegen, ob die von ihm in Bestand genommene Linie frequen-
tirt werde oder nicht, im Gegentheile, es muß ihm nur lieb sein,
wenn die Frequenz nicht überHand nimmt, da er alsdann an dem
Pauschale ungleich mehr verlieren würde, als er an den Fahrtaxen
gewinnen könnte. Manche sind vielleicht der Meinung, in dem er¬
wähnten Falle bestehe zwischen den Interessen des Besitzers und Päch¬
ters vollkommene Harmonie, indem die der Staatsbahn gewonnene
Frequenz eben so der Gloggnitzer Bahn zu Gute käme und mithin
der eigene Vortheil die Pächter anspornen sollte, Alles zu thun, was
den Flor des Objects befördern kann. Die Wirklichkeit straft indeß
diese Ansicht Lügen, und das reisende Publicum sowohl, als die Kauf¬
mannswelt sind voll von Klagen über die schlechte Ordnung, die in
Betreff der pünktlichen Besorgung von Personen und Gütern Statt
findet, sobald man die Schneehöhen des Sömmering im Rücken hat;
die Waaren zumal bleiben oft eine ganze Woche unterwegs und der
Schneckengang der Fuhrleute wird bald wieder dem Dampffluge vor¬
wogen werden, da eine kaufmännische Berechnung bei soviel Unzu-
verlässigkeit kaum möglich ist, und die niedern Frachtsatze der Staats-
vahn werden durch diese Verhältnisse wieder vernichtet.

n> ^ Bedienstete, welche von den controlirenden Staatsbeamten wegen
Nachlässigkeit entlassen werden, wissen, daß sie bei der Gloggnitzer Bahn


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[0197] III. Notizen. Eisenbahnverwaltung (brieflich aus Wien). — Die Amazone. — Die Hoppü- frage. — Die Musritosstadt. — Huber'6 Janus. — Immer langsam voran.— Die Todten gegen die Lebendigen. — Deutsche Zeitungen in Amerika. — Boß'- sche Toleranz. — Bischer. — Briefliches aus Jassy. — So eben hat der Kaiser den Vorschlag genehmigt, daß die Verlängerung der Nordbahn von Bochnia über Lemberg nach Vrody an der russischen Grenze als eine auf Staatskosten herzustellende Linie erklärt; mit dieser gleichzeitig soll bereits im künftigen Jahre auch die Bahn von Linz nach Salzburg in Angriff genommen werden. Bei dem nothwendig abzuschließenden Pachtvertrag mit der Gesellschaft der Nordbahn wird man von Seite des Staates auch mit größerer Umsicht zu Werke gehen, als dies leider bei dem mit der Südbahn getroffenen Uebereinkommen der Fall war. Es zeigt sich schon nach Verlauf weniger Wochen, welchen weiten Spielraum die in dem mit der Gloggnitzer Bahngesellschaft abgeschlossenen Vertrage aufgestellten Bedingungen der Willkür und der Berechnung der Pächter offen ge¬ lassen haben; der Pächter wird vom Staate für jedes geheizte Loco- motiv und für jede zurückgelegte Meile bezahlt und erhält überdem für die Instandhaltung des Schienenweges pr. Meile ein gewisses Pauschale. Unter diesen Umstanden kann dem Pächter gar Nichts daran liegen, ob die von ihm in Bestand genommene Linie frequen- tirt werde oder nicht, im Gegentheile, es muß ihm nur lieb sein, wenn die Frequenz nicht überHand nimmt, da er alsdann an dem Pauschale ungleich mehr verlieren würde, als er an den Fahrtaxen gewinnen könnte. Manche sind vielleicht der Meinung, in dem er¬ wähnten Falle bestehe zwischen den Interessen des Besitzers und Päch¬ ters vollkommene Harmonie, indem die der Staatsbahn gewonnene Frequenz eben so der Gloggnitzer Bahn zu Gute käme und mithin der eigene Vortheil die Pächter anspornen sollte, Alles zu thun, was den Flor des Objects befördern kann. Die Wirklichkeit straft indeß diese Ansicht Lügen, und das reisende Publicum sowohl, als die Kauf¬ mannswelt sind voll von Klagen über die schlechte Ordnung, die in Betreff der pünktlichen Besorgung von Personen und Gütern Statt findet, sobald man die Schneehöhen des Sömmering im Rücken hat; die Waaren zumal bleiben oft eine ganze Woche unterwegs und der Schneckengang der Fuhrleute wird bald wieder dem Dampffluge vor¬ wogen werden, da eine kaufmännische Berechnung bei soviel Unzu- verlässigkeit kaum möglich ist, und die niedern Frachtsatze der Staats- vahn werden durch diese Verhältnisse wieder vernichtet. n> ^ Bedienstete, welche von den controlirenden Staatsbeamten wegen Nachlässigkeit entlassen werden, wissen, daß sie bei der Gloggnitzer Bahn 25»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/197>, abgerufen am 22.07.2024.