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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Reumont über Viktoria Colonna, die italienische Dichterin und die
Freundin Michel Angelo's. Herr Reumont sprach ebenso über die
religiösen und politischen Ideen Roms im 16. Jahrhundert, wie
Zumpt von diesen Ideen vor den christlichen Jahrhunderten gesprochen
hatte, und das Resultat war, daß die Damenwelt ziemlich überein¬
stimmend die Bemerkung machte, es sei doch auffallend, wie wenig
die Italiener und namentlich die Römer durch das Christenthum ge¬
wonnen hatten. In der That sind Deutschland und Frankreich, so¬
wie die nordischen Nationen überhaupt, viel besser dabei gefahren, als
die Italiener und Griechen.

Was sagen Sie zu den langen Theatcrartikeln aus Berlin, die
jetzt die Augsburger Allgemeine Zeitung zu bringen pflegt? Sollten
wir wirklich wieder in die alte Zeit der Sontags-Verzückungen zu¬
rück versunken sein oder liegt es nur daran, daß der Eorrespondent
jener Zeitung ein so großer Theaterlicbhabcr ist? Wir könnten darüber
nur Einiges ausplaudern, doch wir wollen lieber reinen Mund halten.


Justus.
U.
Zi it s Münch e n.

Universität. -- Neumann über neuere Geschichte. -- Erhard. -- Görres, --
Vortrüge im Museum. -- Schmidt, Thiersch. -- Lauvc's Struensee. --

An unserer Universität erregen in diesem Augenblicke die Vorle¬
sungen über neueste Geschichte vom Professor Neumann, dem berühm¬
ten Kenner chinesischer Sprache und Zustände, das Interesse aller
Gebildeten. Unsere Studirenden waren es bisher gewohnt, nur dieje¬
nigen Vorlesungen zu hören, die sie vermöge des von ihnen gewählten
Faches hören mußten. Sind doch manche Lehrstühle an unserer Uni¬
versität gar nicht besetzt, z. B. der der deutschen Literatur, und was
den der Philosophie betrifft, so haben wir seit Schelling's Abgang den
einzigen Erhard, der Jahr aus Jahr ein nach seinem Lehrbuche, von
dem er weder rechts noch links abweicht, Logik vorträgt und in seinen
Vorlesungen über Moralphilosophie regelmäßig auf das junge Deutsch¬
land schimpft. In den Geschichtsvorträgen war es das Jahr 1789,
das unsere loyalen Professoren stutzen machte, über das hinaus sie
ihre Schritte nicht zu lenken wagten. Dem ist nicht mehr so. Der
Geist der Zeit, der durchaus eine Vermittlung des Wissens mit dem
"eben will, hat auch an unsere Thore gepocht und sie wurden ihm,
freilich nach einigem Zögern erst, geöffnet. Vielseitigen Wünschen
nachgebend, hat sich endlich Professor Neumann entschlossen, mit An¬
fang des vorigen Monats ein Eolleg über neueste Geschichte (von
an) zu eröffnen. Und wahrlich, Neumann hat ganz das Zeug
dazu. Mit ejner liberalen Gesinnung und einer scharfen Combination


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Reumont über Viktoria Colonna, die italienische Dichterin und die
Freundin Michel Angelo's. Herr Reumont sprach ebenso über die
religiösen und politischen Ideen Roms im 16. Jahrhundert, wie
Zumpt von diesen Ideen vor den christlichen Jahrhunderten gesprochen
hatte, und das Resultat war, daß die Damenwelt ziemlich überein¬
stimmend die Bemerkung machte, es sei doch auffallend, wie wenig
die Italiener und namentlich die Römer durch das Christenthum ge¬
wonnen hatten. In der That sind Deutschland und Frankreich, so¬
wie die nordischen Nationen überhaupt, viel besser dabei gefahren, als
die Italiener und Griechen.

Was sagen Sie zu den langen Theatcrartikeln aus Berlin, die
jetzt die Augsburger Allgemeine Zeitung zu bringen pflegt? Sollten
wir wirklich wieder in die alte Zeit der Sontags-Verzückungen zu¬
rück versunken sein oder liegt es nur daran, daß der Eorrespondent
jener Zeitung ein so großer Theaterlicbhabcr ist? Wir könnten darüber
nur Einiges ausplaudern, doch wir wollen lieber reinen Mund halten.


Justus.
U.
Zi it s Münch e n.

Universität. — Neumann über neuere Geschichte. — Erhard. — Görres, —
Vortrüge im Museum. — Schmidt, Thiersch. — Lauvc's Struensee. —

An unserer Universität erregen in diesem Augenblicke die Vorle¬
sungen über neueste Geschichte vom Professor Neumann, dem berühm¬
ten Kenner chinesischer Sprache und Zustände, das Interesse aller
Gebildeten. Unsere Studirenden waren es bisher gewohnt, nur dieje¬
nigen Vorlesungen zu hören, die sie vermöge des von ihnen gewählten
Faches hören mußten. Sind doch manche Lehrstühle an unserer Uni¬
versität gar nicht besetzt, z. B. der der deutschen Literatur, und was
den der Philosophie betrifft, so haben wir seit Schelling's Abgang den
einzigen Erhard, der Jahr aus Jahr ein nach seinem Lehrbuche, von
dem er weder rechts noch links abweicht, Logik vorträgt und in seinen
Vorlesungen über Moralphilosophie regelmäßig auf das junge Deutsch¬
land schimpft. In den Geschichtsvorträgen war es das Jahr 1789,
das unsere loyalen Professoren stutzen machte, über das hinaus sie
ihre Schritte nicht zu lenken wagten. Dem ist nicht mehr so. Der
Geist der Zeit, der durchaus eine Vermittlung des Wissens mit dem
"eben will, hat auch an unsere Thore gepocht und sie wurden ihm,
freilich nach einigem Zögern erst, geöffnet. Vielseitigen Wünschen
nachgebend, hat sich endlich Professor Neumann entschlossen, mit An¬
fang des vorigen Monats ein Eolleg über neueste Geschichte (von
an) zu eröffnen. Und wahrlich, Neumann hat ganz das Zeug
dazu. Mit ejner liberalen Gesinnung und einer scharfen Combination


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/195>, abgerufen am 22.07.2024.