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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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sich in dem weiten Paris von der Gesellschaft ab, um sich in Studien
zu vergraben und die Publication seines nur-s et" "j>-on indem-el,
eines Buches, welches auch in Deutschland Aufmerksamkeit und Ach¬
tung sich erwarb, vorzubereiten. Als die Universität von Brüssel im
Jahre 1839 begründet wurde, berief man Ahrens, um als Professor
des Naturrechts und der Philosophie eine der ersten Stellen an der
Universität einzunehmen. Die Brüsseler Universität, das Palladium
der liberalen Partei, wurde oft auf das Leidenschaftlichste von ihren
katholischen Gegnern angegriffen, namentlich in den Doctrinen ihrer
beiden Professoren Ahrens und Alkeneier, (letzterer ist Professor der
Geschichte, ein Belgier aus dem deutschsprechenden Gebiete Luxem¬
burgs). Man griff in der Person des Erstem die ganze Richtung
deutscher Philosophie an, als der Ketzerei, der Irreligiosität Vorschub
leistend; indessei: trug diese Polemik nur dazu bei, Ahrens seinen
Schülern und Anhängern, so wie überhaupt allen Freunden der freien
Wissenschaft um so werther zu machen. In letzterer Zeit erhielt Ahrens
einen sehr glänzenden Ruf an die Universität von Unecht, welchen er
jedoch aus Anhänglichkeit für die Brüsseler Hochschule ablehnte.
Wenn man den stillen Charakter, das zurückgezogene Leben, die mo¬
ralische Persönlichkeit und den bedeutenden wissenschaftlichen Ruf dieses
Gelehrten in Erwägung zieht, so kann man sich eines Gefühls von
Bitterkeit nicht erwehren, wenn man bedenkt, daß ein so würdiger
Repräsentant deutscher Wissenschaft den Boden seines Vaterlandes
nicht betreten darf und als Verbannter, fern von Familie und Hei-
math, im Erik leben muß, weil er vor dreizehn Jahren als einund¬
zwanzigjähriger Jüngling an einer unblutigen, unbedeutenden local-
politischcn Manifestation Theil genommen. Die deutschen Regierungen,
die doch bis tief in die Schweiz hinein ihre Späher haben und
lange Listen von deutschen communistischen Handwerkern und gro߬
mäuliger Handlungsdienern anfertigen lassen, die sollten doch auch
von Dem wissen, wozu es keiner Späher bedarf; von friedlichen,
ehrenhaften Männern, deren Name von aller Welt mit Achtung ge¬
nannt wird und deren jugendliche Irrthümer - wenn es solche
waren -- die Rinde der Zeit überwachsen hat.

Ich habe noch der flüchtigen Polen zu erwähnen, von denen
Belgien noch gegen Hundert und darunter mehrere berühmte Namen
zählt. Ein Theil von ihnen hat Dienste in der Armee genommen,


sich in dem weiten Paris von der Gesellschaft ab, um sich in Studien
zu vergraben und die Publication seines nur-s et» «j>-on indem-el,
eines Buches, welches auch in Deutschland Aufmerksamkeit und Ach¬
tung sich erwarb, vorzubereiten. Als die Universität von Brüssel im
Jahre 1839 begründet wurde, berief man Ahrens, um als Professor
des Naturrechts und der Philosophie eine der ersten Stellen an der
Universität einzunehmen. Die Brüsseler Universität, das Palladium
der liberalen Partei, wurde oft auf das Leidenschaftlichste von ihren
katholischen Gegnern angegriffen, namentlich in den Doctrinen ihrer
beiden Professoren Ahrens und Alkeneier, (letzterer ist Professor der
Geschichte, ein Belgier aus dem deutschsprechenden Gebiete Luxem¬
burgs). Man griff in der Person des Erstem die ganze Richtung
deutscher Philosophie an, als der Ketzerei, der Irreligiosität Vorschub
leistend; indessei: trug diese Polemik nur dazu bei, Ahrens seinen
Schülern und Anhängern, so wie überhaupt allen Freunden der freien
Wissenschaft um so werther zu machen. In letzterer Zeit erhielt Ahrens
einen sehr glänzenden Ruf an die Universität von Unecht, welchen er
jedoch aus Anhänglichkeit für die Brüsseler Hochschule ablehnte.
Wenn man den stillen Charakter, das zurückgezogene Leben, die mo¬
ralische Persönlichkeit und den bedeutenden wissenschaftlichen Ruf dieses
Gelehrten in Erwägung zieht, so kann man sich eines Gefühls von
Bitterkeit nicht erwehren, wenn man bedenkt, daß ein so würdiger
Repräsentant deutscher Wissenschaft den Boden seines Vaterlandes
nicht betreten darf und als Verbannter, fern von Familie und Hei-
math, im Erik leben muß, weil er vor dreizehn Jahren als einund¬
zwanzigjähriger Jüngling an einer unblutigen, unbedeutenden local-
politischcn Manifestation Theil genommen. Die deutschen Regierungen,
die doch bis tief in die Schweiz hinein ihre Späher haben und
lange Listen von deutschen communistischen Handwerkern und gro߬
mäuliger Handlungsdienern anfertigen lassen, die sollten doch auch
von Dem wissen, wozu es keiner Späher bedarf; von friedlichen,
ehrenhaften Männern, deren Name von aller Welt mit Achtung ge¬
nannt wird und deren jugendliche Irrthümer - wenn es solche
waren — die Rinde der Zeit überwachsen hat.

Ich habe noch der flüchtigen Polen zu erwähnen, von denen
Belgien noch gegen Hundert und darunter mehrere berühmte Namen
zählt. Ein Theil von ihnen hat Dienste in der Armee genommen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/18>, abgerufen am 22.07.2024.