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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Zwölf Tage im Gefängniß.
s?lus einem Privatschrcibcn Josef Rank'S. ')



Gelt, lieber Alter, hast lange warten müssen, bis ich Deinem
wiederholten Wunsche, Dir mein Reiseerlebniß mitzutheilen, entgegen,
komme. Ich wollte Nichts mehr vermeiden, als von meinen erste"
Wallungen Nutzen zu ziehen, Dich in Unmuth aufzuwiegeln. Mir
war darum zu thun, daß ich Dinge erst mit kühlem Blute betrachten
lerne, die ich mit aller Hitze und Schwermuth zuvor durchleben
mußte. Aber dazu brauchte ich volle Gemüthsruhe. Diese genieße
ich nun wieder. Es sind Dir seitdem viele zerrissene Nachrichten
bunt durcheinander zugeflogen -- täusche sie hier gegen die einfache
klare Mittheilung Deines Freundes aus, der den ganzen Vorfall
doch am besten wissen muß. . . Meine letzten Briefe haben Dir
meinen Sommeraufenthalt in Döbling bei Wien geschildert; wie mir
dort in idyllischer Einsamkeit auch etwas Diplomatisches nachkam
(indem der portugiesische -Botschafter Saldanha nebst Familie ein
Haus mit mir bewohnte und einen Garten mit mir theilte); wie ich
meine freien Stunden dort mit allerlei Zerstreuungen hinbrachte; und
wie ich endlich mit einem jungen Mitgliede der Leipziger Oper meine
Reise beschloß. Am 24. Juli gegen Mitternacht hielt unser Wagen
am Thore Prags. Ich gab wie der harmloseste Passagier meinen
(nur für Oesterreich giltigen) Paß ab und ließ ihn mir deö folgen¬
den Tages von der "Stadt Wien", meinem Gasthofe, aus nebst el-



Bemerkung des Einsenders.
*) Da in letzter Zeit so viel Widersprechendes von Rank und seinem Ver¬
höre in den Journalen stand, soglanbe ich, ohne eine Indiscretion zu begehen,
den folgenden interessanten Brief Ihnen zur Benützung mittheilen zu dürfen;
es ist zwar ein Privatschreiben, enthält aber keine Geheimnisse, welche die
Oeffentlichkeit zu scheuen hätten.
Zwölf Tage im Gefängniß.
s?lus einem Privatschrcibcn Josef Rank'S. ')



Gelt, lieber Alter, hast lange warten müssen, bis ich Deinem
wiederholten Wunsche, Dir mein Reiseerlebniß mitzutheilen, entgegen,
komme. Ich wollte Nichts mehr vermeiden, als von meinen erste»
Wallungen Nutzen zu ziehen, Dich in Unmuth aufzuwiegeln. Mir
war darum zu thun, daß ich Dinge erst mit kühlem Blute betrachten
lerne, die ich mit aller Hitze und Schwermuth zuvor durchleben
mußte. Aber dazu brauchte ich volle Gemüthsruhe. Diese genieße
ich nun wieder. Es sind Dir seitdem viele zerrissene Nachrichten
bunt durcheinander zugeflogen — täusche sie hier gegen die einfache
klare Mittheilung Deines Freundes aus, der den ganzen Vorfall
doch am besten wissen muß. . . Meine letzten Briefe haben Dir
meinen Sommeraufenthalt in Döbling bei Wien geschildert; wie mir
dort in idyllischer Einsamkeit auch etwas Diplomatisches nachkam
(indem der portugiesische -Botschafter Saldanha nebst Familie ein
Haus mit mir bewohnte und einen Garten mit mir theilte); wie ich
meine freien Stunden dort mit allerlei Zerstreuungen hinbrachte; und
wie ich endlich mit einem jungen Mitgliede der Leipziger Oper meine
Reise beschloß. Am 24. Juli gegen Mitternacht hielt unser Wagen
am Thore Prags. Ich gab wie der harmloseste Passagier meinen
(nur für Oesterreich giltigen) Paß ab und ließ ihn mir deö folgen¬
den Tages von der „Stadt Wien", meinem Gasthofe, aus nebst el-



Bemerkung des Einsenders.
*) Da in letzter Zeit so viel Widersprechendes von Rank und seinem Ver¬
höre in den Journalen stand, soglanbe ich, ohne eine Indiscretion zu begehen,
den folgenden interessanten Brief Ihnen zur Benützung mittheilen zu dürfen;
es ist zwar ein Privatschreiben, enthält aber keine Geheimnisse, welche die
Oeffentlichkeit zu scheuen hätten.
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[0164] Zwölf Tage im Gefängniß. s?lus einem Privatschrcibcn Josef Rank'S. ') Gelt, lieber Alter, hast lange warten müssen, bis ich Deinem wiederholten Wunsche, Dir mein Reiseerlebniß mitzutheilen, entgegen, komme. Ich wollte Nichts mehr vermeiden, als von meinen erste» Wallungen Nutzen zu ziehen, Dich in Unmuth aufzuwiegeln. Mir war darum zu thun, daß ich Dinge erst mit kühlem Blute betrachten lerne, die ich mit aller Hitze und Schwermuth zuvor durchleben mußte. Aber dazu brauchte ich volle Gemüthsruhe. Diese genieße ich nun wieder. Es sind Dir seitdem viele zerrissene Nachrichten bunt durcheinander zugeflogen — täusche sie hier gegen die einfache klare Mittheilung Deines Freundes aus, der den ganzen Vorfall doch am besten wissen muß. . . Meine letzten Briefe haben Dir meinen Sommeraufenthalt in Döbling bei Wien geschildert; wie mir dort in idyllischer Einsamkeit auch etwas Diplomatisches nachkam (indem der portugiesische -Botschafter Saldanha nebst Familie ein Haus mit mir bewohnte und einen Garten mit mir theilte); wie ich meine freien Stunden dort mit allerlei Zerstreuungen hinbrachte; und wie ich endlich mit einem jungen Mitgliede der Leipziger Oper meine Reise beschloß. Am 24. Juli gegen Mitternacht hielt unser Wagen am Thore Prags. Ich gab wie der harmloseste Passagier meinen (nur für Oesterreich giltigen) Paß ab und ließ ihn mir deö folgen¬ den Tages von der „Stadt Wien", meinem Gasthofe, aus nebst el- Bemerkung des Einsenders. *) Da in letzter Zeit so viel Widersprechendes von Rank und seinem Ver¬ höre in den Journalen stand, soglanbe ich, ohne eine Indiscretion zu begehen, den folgenden interessanten Brief Ihnen zur Benützung mittheilen zu dürfen; es ist zwar ein Privatschreiben, enthält aber keine Geheimnisse, welche die Oeffentlichkeit zu scheuen hätten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/164>, abgerufen am 22.07.2024.