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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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gezeichnet werden können, als gemeinsamen Lohn einen Orden sür die
Fahne erhalten, so glaube auch er, diese Medaille blos in dem Ge¬
fühle tragen zu dürfen, daß sie eigentlich allen mildherzig" Bewoh¬
nern Oesterreichs verliehen worden sei. -- Man darf indeß nicht ver¬
gessen, welchen Vorschub die von Herrn Bäucrle veranstalteten Samm¬
lungen sür Wasserbeschädigte oder Feuerverunglückte seinem eigenen
Blatte geleistet haben, denn gewiß verdankt dasselbe einen großen Theil
seiner Verbreitung (Auflage viertausend) diesen Werken der Wohlthä¬
tigkeit. Jedermann, der, zumal in entlegener" Ortschaften, etwas
beigesteuert, will die Bestätigung in der Theaterzeitung lesen, zumal
auch gelegentlich seinen werthen Namen gedruckt finden und ist auf
solche Weise genöthigt, sich das Journal zu halten. Auch haben vie¬
le Ortsgemeinden pranumerirt, unter der ausdrücklichen Bedingniß,
daß der Redacteur sich dagegen verbindlich mache, im Fall eines
Brandes, Hagelschadens u. tgi. für sie zu sammeln; die Leute be¬
trachten die Pränumeration als eine Art Versicherungsprämie, und
ich war selbst Ohrenzeuge, wie ein Pfarrer in einem Dorfe Ober-
Oesterreichs der Gemeinde von der Kanzel herab die Pränumeration
der Theaterzeitung als Schutzmittel gegen Feuers- und Wassergefahr
recht eindringlich empfahl. Gewiß, eine seltsame Buchhändleranzeige!

Der Humorist bleibt der alte, blos wird derselbe fortan wöchent¬
lich eine Nummer mehr bringen, den "Bazar für Industrie, Handel
und Gewerbe," der bereits eine Beschreibung der eben im Bau be¬
griffenen Industriehalle für die künftige Gcwerbsproduktenausstellung
sammt Zeichnung lieferte, was als sehr zeitgemäß angesehen werden
muß. Die Wiener Zeitschrift ist in fremde Hände übergegangen, da
Witthauer nach Dresden zieht und das Journal um sechstausend si.
>)>-. Ritter Frank, dem früheren Director des Pesther deutschen Thea¬
ters, abgetreten hat. -- Frank beabsichtigt, das etwas verrostete Un¬
ternehmen zu verjüngen und zu erfrische", wozu es ihm weder an
Einsicht, noch Mitteln gebricht. Herr Strande, der seit zwanzig Jah¬
ren bei der Redaction des Blattes betheiligt war, wird fernerhin jeder
Mitwirkung entsagen und tritt auf Kosten des Staates eine größere
Reift durch die Provinzen an, um in den Landesarchiven nach histo¬
rischen Dokumenten zu forschen, welche das Aerar bei manchen gel¬
tend zu machenden Ansprüchen juridisch unterstützen sollen. Zugleich
hat Frank das Format zum Quart vergrößert. Soviel von der
hiesigen Journalistik, die in dem neuen Jahre weder eine Vermehrung
noch Verminderung erleidet; in Prag legt sich "Ost und West" ein
Beiblatt zur Kalobiotik zu, mit dem es sich auch sein eignes Leben
verschönern will, und zu Pesth erscheint eine magyarische Zeitschrift
für Industrie, Handel und Gewerbe, wie denn jetzt überhaupt in Un¬
garn eine wahre Jndustriezucht grassirt, und die materiellen Interessen
das Stichwort des Tages sind. Die Regierung, welche diese Mich-


gezeichnet werden können, als gemeinsamen Lohn einen Orden sür die
Fahne erhalten, so glaube auch er, diese Medaille blos in dem Ge¬
fühle tragen zu dürfen, daß sie eigentlich allen mildherzig» Bewoh¬
nern Oesterreichs verliehen worden sei. — Man darf indeß nicht ver¬
gessen, welchen Vorschub die von Herrn Bäucrle veranstalteten Samm¬
lungen sür Wasserbeschädigte oder Feuerverunglückte seinem eigenen
Blatte geleistet haben, denn gewiß verdankt dasselbe einen großen Theil
seiner Verbreitung (Auflage viertausend) diesen Werken der Wohlthä¬
tigkeit. Jedermann, der, zumal in entlegener» Ortschaften, etwas
beigesteuert, will die Bestätigung in der Theaterzeitung lesen, zumal
auch gelegentlich seinen werthen Namen gedruckt finden und ist auf
solche Weise genöthigt, sich das Journal zu halten. Auch haben vie¬
le Ortsgemeinden pranumerirt, unter der ausdrücklichen Bedingniß,
daß der Redacteur sich dagegen verbindlich mache, im Fall eines
Brandes, Hagelschadens u. tgi. für sie zu sammeln; die Leute be¬
trachten die Pränumeration als eine Art Versicherungsprämie, und
ich war selbst Ohrenzeuge, wie ein Pfarrer in einem Dorfe Ober-
Oesterreichs der Gemeinde von der Kanzel herab die Pränumeration
der Theaterzeitung als Schutzmittel gegen Feuers- und Wassergefahr
recht eindringlich empfahl. Gewiß, eine seltsame Buchhändleranzeige!

Der Humorist bleibt der alte, blos wird derselbe fortan wöchent¬
lich eine Nummer mehr bringen, den „Bazar für Industrie, Handel
und Gewerbe," der bereits eine Beschreibung der eben im Bau be¬
griffenen Industriehalle für die künftige Gcwerbsproduktenausstellung
sammt Zeichnung lieferte, was als sehr zeitgemäß angesehen werden
muß. Die Wiener Zeitschrift ist in fremde Hände übergegangen, da
Witthauer nach Dresden zieht und das Journal um sechstausend si.
>)>-. Ritter Frank, dem früheren Director des Pesther deutschen Thea¬
ters, abgetreten hat. — Frank beabsichtigt, das etwas verrostete Un¬
ternehmen zu verjüngen und zu erfrische», wozu es ihm weder an
Einsicht, noch Mitteln gebricht. Herr Strande, der seit zwanzig Jah¬
ren bei der Redaction des Blattes betheiligt war, wird fernerhin jeder
Mitwirkung entsagen und tritt auf Kosten des Staates eine größere
Reift durch die Provinzen an, um in den Landesarchiven nach histo¬
rischen Dokumenten zu forschen, welche das Aerar bei manchen gel¬
tend zu machenden Ansprüchen juridisch unterstützen sollen. Zugleich
hat Frank das Format zum Quart vergrößert. Soviel von der
hiesigen Journalistik, die in dem neuen Jahre weder eine Vermehrung
noch Verminderung erleidet; in Prag legt sich „Ost und West" ein
Beiblatt zur Kalobiotik zu, mit dem es sich auch sein eignes Leben
verschönern will, und zu Pesth erscheint eine magyarische Zeitschrift
für Industrie, Handel und Gewerbe, wie denn jetzt überhaupt in Un¬
garn eine wahre Jndustriezucht grassirt, und die materiellen Interessen
das Stichwort des Tages sind. Die Regierung, welche diese Mich-


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[0145] gezeichnet werden können, als gemeinsamen Lohn einen Orden sür die Fahne erhalten, so glaube auch er, diese Medaille blos in dem Ge¬ fühle tragen zu dürfen, daß sie eigentlich allen mildherzig» Bewoh¬ nern Oesterreichs verliehen worden sei. — Man darf indeß nicht ver¬ gessen, welchen Vorschub die von Herrn Bäucrle veranstalteten Samm¬ lungen sür Wasserbeschädigte oder Feuerverunglückte seinem eigenen Blatte geleistet haben, denn gewiß verdankt dasselbe einen großen Theil seiner Verbreitung (Auflage viertausend) diesen Werken der Wohlthä¬ tigkeit. Jedermann, der, zumal in entlegener» Ortschaften, etwas beigesteuert, will die Bestätigung in der Theaterzeitung lesen, zumal auch gelegentlich seinen werthen Namen gedruckt finden und ist auf solche Weise genöthigt, sich das Journal zu halten. Auch haben vie¬ le Ortsgemeinden pranumerirt, unter der ausdrücklichen Bedingniß, daß der Redacteur sich dagegen verbindlich mache, im Fall eines Brandes, Hagelschadens u. tgi. für sie zu sammeln; die Leute be¬ trachten die Pränumeration als eine Art Versicherungsprämie, und ich war selbst Ohrenzeuge, wie ein Pfarrer in einem Dorfe Ober- Oesterreichs der Gemeinde von der Kanzel herab die Pränumeration der Theaterzeitung als Schutzmittel gegen Feuers- und Wassergefahr recht eindringlich empfahl. Gewiß, eine seltsame Buchhändleranzeige! Der Humorist bleibt der alte, blos wird derselbe fortan wöchent¬ lich eine Nummer mehr bringen, den „Bazar für Industrie, Handel und Gewerbe," der bereits eine Beschreibung der eben im Bau be¬ griffenen Industriehalle für die künftige Gcwerbsproduktenausstellung sammt Zeichnung lieferte, was als sehr zeitgemäß angesehen werden muß. Die Wiener Zeitschrift ist in fremde Hände übergegangen, da Witthauer nach Dresden zieht und das Journal um sechstausend si. >)>-. Ritter Frank, dem früheren Director des Pesther deutschen Thea¬ ters, abgetreten hat. — Frank beabsichtigt, das etwas verrostete Un¬ ternehmen zu verjüngen und zu erfrische», wozu es ihm weder an Einsicht, noch Mitteln gebricht. Herr Strande, der seit zwanzig Jah¬ ren bei der Redaction des Blattes betheiligt war, wird fernerhin jeder Mitwirkung entsagen und tritt auf Kosten des Staates eine größere Reift durch die Provinzen an, um in den Landesarchiven nach histo¬ rischen Dokumenten zu forschen, welche das Aerar bei manchen gel¬ tend zu machenden Ansprüchen juridisch unterstützen sollen. Zugleich hat Frank das Format zum Quart vergrößert. Soviel von der hiesigen Journalistik, die in dem neuen Jahre weder eine Vermehrung noch Verminderung erleidet; in Prag legt sich „Ost und West" ein Beiblatt zur Kalobiotik zu, mit dem es sich auch sein eignes Leben verschönern will, und zu Pesth erscheint eine magyarische Zeitschrift für Industrie, Handel und Gewerbe, wie denn jetzt überhaupt in Un¬ garn eine wahre Jndustriezucht grassirt, und die materiellen Interessen das Stichwort des Tages sind. Die Regierung, welche diese Mich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/145>, abgerufen am 25.08.2024.