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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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zum Theil durch protestantische Vereine und den König von Preußen
beigetragen sind, vor Allem zu der Bemalung und Vergoldung, über¬
haupt zur Ausschmückung des Chores jener Kirche, also so verwendet
worden sind, daß in fünfzig bis hundert Jahren eine Erneuerung nö¬
thig sein wird, wahrend der eigentliche Ausbau nur höchst langsam
vorwärts schreitet. Abgesehen von diesem Abweichen von dem ursprüng¬
lichen Zwecke, ist es selbst in künstlerischer Hinsicht eine große Frage,
ob durch diese Vergoldungen und Bemalungen, mögen diese im ur¬
sprünglichen Plane gelegen haben oder nicht, wirklich Etwas für die
Kunst gethan worden sei?

Bei einem neulichen Besuche des Hochamtes hörte ich zwei Fran¬
zosen vor mir darüber streiten, ob das Pariser Opernhaus in Bezieh¬
ungen auf Verzierungen vorzuziehen sei oder nicht. In der That pas¬
sen alle diese Engel auf Goldgrund, diese Säulen mit vergoldeten
Kapitäler", diese azurblauen Streifchen unc>I Einfassunge.i mehr zu ei¬
nem, die Erregung der Sinne bezweckenden Institut, als zu einem
Tempel, der in seiner früheren Einfachheit einen tieferen und dauern¬
derer Eindruck machte, als jetzt mit aller Pracht und allem Flitter.

Doch wir kommen von Frankfurt ab; bleiben wir bei der Kunst.
Das Theater siecht hier fort. Von einem guten Schauspiele haben
wir hier jede Idee verloren. Die Darstellung von Göthe's Götz von
Berlichingen, am Vorabende der Enthüllung des Denkmals, war so
schlecht, daß eine witzige Zunge geäußert haben soll, Göthe's Statue
habe früher dem Theater zugewendet gestanden, bei der Aufführung
seines Götz aber habe sich der Meister in Abscheu umgewendet. Wirk¬
lich kehrt das Standbild dem nahen Theater den Rücken. -- Die
Oper ist noch immer belebt, doch besitzen wir außer Fräulein Capitain,
die durch die Wahrheit ihrer Auffassung und das Gefühl ihres Ver¬
trags, durch die Begeisterung für ihre Kunst alle Herzen fesselt und
hinreißt, außer dieser Sängerin mit ihrer sanften und vielleicht nur
zu zarten Stimme besitzen wir nichts Ausgezeichnetes. -- Vor einigen
Tagen erfreute uns Pischek, unser früherer Barytonist, der jetzt in
Stuttgart angestellt ist, durch einige Gastdarstellungen und erhielt un¬
gemessenen Beifall.

Es scheint indessen, als ob der Strom der Musikliebhaberei an¬
fangen wolle, zurückzutreten, um anderen Kunstrichtungen Platz zu
machen. Zwar hat er das früher mehr literarischen Zwecken bestimmte
Museum noch immer in seiner Gewalt, wo nur mit Mühe einige
Declamationen und ernstere literarische Vortrage zwischen den Sym¬
phonien, Ouvertüren und Liedern angehört werden, -- aber den öf¬
fentlichen Anstalten setzen sich mit Glück Privatversammlungen entge¬
gen, in denen das literarische Interesse gewahrt wird. So spricht man
viel von Leseabenden bei Frau B., die unter der Leitung eines Gutz-
kow und bei der Mitwirkung mehrerer Literaten hiesiger Stadt erfreu-


zum Theil durch protestantische Vereine und den König von Preußen
beigetragen sind, vor Allem zu der Bemalung und Vergoldung, über¬
haupt zur Ausschmückung des Chores jener Kirche, also so verwendet
worden sind, daß in fünfzig bis hundert Jahren eine Erneuerung nö¬
thig sein wird, wahrend der eigentliche Ausbau nur höchst langsam
vorwärts schreitet. Abgesehen von diesem Abweichen von dem ursprüng¬
lichen Zwecke, ist es selbst in künstlerischer Hinsicht eine große Frage,
ob durch diese Vergoldungen und Bemalungen, mögen diese im ur¬
sprünglichen Plane gelegen haben oder nicht, wirklich Etwas für die
Kunst gethan worden sei?

Bei einem neulichen Besuche des Hochamtes hörte ich zwei Fran¬
zosen vor mir darüber streiten, ob das Pariser Opernhaus in Bezieh¬
ungen auf Verzierungen vorzuziehen sei oder nicht. In der That pas¬
sen alle diese Engel auf Goldgrund, diese Säulen mit vergoldeten
Kapitäler», diese azurblauen Streifchen unc>I Einfassunge.i mehr zu ei¬
nem, die Erregung der Sinne bezweckenden Institut, als zu einem
Tempel, der in seiner früheren Einfachheit einen tieferen und dauern¬
derer Eindruck machte, als jetzt mit aller Pracht und allem Flitter.

Doch wir kommen von Frankfurt ab; bleiben wir bei der Kunst.
Das Theater siecht hier fort. Von einem guten Schauspiele haben
wir hier jede Idee verloren. Die Darstellung von Göthe's Götz von
Berlichingen, am Vorabende der Enthüllung des Denkmals, war so
schlecht, daß eine witzige Zunge geäußert haben soll, Göthe's Statue
habe früher dem Theater zugewendet gestanden, bei der Aufführung
seines Götz aber habe sich der Meister in Abscheu umgewendet. Wirk¬
lich kehrt das Standbild dem nahen Theater den Rücken. — Die
Oper ist noch immer belebt, doch besitzen wir außer Fräulein Capitain,
die durch die Wahrheit ihrer Auffassung und das Gefühl ihres Ver¬
trags, durch die Begeisterung für ihre Kunst alle Herzen fesselt und
hinreißt, außer dieser Sängerin mit ihrer sanften und vielleicht nur
zu zarten Stimme besitzen wir nichts Ausgezeichnetes. — Vor einigen
Tagen erfreute uns Pischek, unser früherer Barytonist, der jetzt in
Stuttgart angestellt ist, durch einige Gastdarstellungen und erhielt un¬
gemessenen Beifall.

Es scheint indessen, als ob der Strom der Musikliebhaberei an¬
fangen wolle, zurückzutreten, um anderen Kunstrichtungen Platz zu
machen. Zwar hat er das früher mehr literarischen Zwecken bestimmte
Museum noch immer in seiner Gewalt, wo nur mit Mühe einige
Declamationen und ernstere literarische Vortrage zwischen den Sym¬
phonien, Ouvertüren und Liedern angehört werden, — aber den öf¬
fentlichen Anstalten setzen sich mit Glück Privatversammlungen entge¬
gen, in denen das literarische Interesse gewahrt wird. So spricht man
viel von Leseabenden bei Frau B., die unter der Leitung eines Gutz-
kow und bei der Mitwirkung mehrerer Literaten hiesiger Stadt erfreu-


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[0142] zum Theil durch protestantische Vereine und den König von Preußen beigetragen sind, vor Allem zu der Bemalung und Vergoldung, über¬ haupt zur Ausschmückung des Chores jener Kirche, also so verwendet worden sind, daß in fünfzig bis hundert Jahren eine Erneuerung nö¬ thig sein wird, wahrend der eigentliche Ausbau nur höchst langsam vorwärts schreitet. Abgesehen von diesem Abweichen von dem ursprüng¬ lichen Zwecke, ist es selbst in künstlerischer Hinsicht eine große Frage, ob durch diese Vergoldungen und Bemalungen, mögen diese im ur¬ sprünglichen Plane gelegen haben oder nicht, wirklich Etwas für die Kunst gethan worden sei? Bei einem neulichen Besuche des Hochamtes hörte ich zwei Fran¬ zosen vor mir darüber streiten, ob das Pariser Opernhaus in Bezieh¬ ungen auf Verzierungen vorzuziehen sei oder nicht. In der That pas¬ sen alle diese Engel auf Goldgrund, diese Säulen mit vergoldeten Kapitäler», diese azurblauen Streifchen unc>I Einfassunge.i mehr zu ei¬ nem, die Erregung der Sinne bezweckenden Institut, als zu einem Tempel, der in seiner früheren Einfachheit einen tieferen und dauern¬ derer Eindruck machte, als jetzt mit aller Pracht und allem Flitter. Doch wir kommen von Frankfurt ab; bleiben wir bei der Kunst. Das Theater siecht hier fort. Von einem guten Schauspiele haben wir hier jede Idee verloren. Die Darstellung von Göthe's Götz von Berlichingen, am Vorabende der Enthüllung des Denkmals, war so schlecht, daß eine witzige Zunge geäußert haben soll, Göthe's Statue habe früher dem Theater zugewendet gestanden, bei der Aufführung seines Götz aber habe sich der Meister in Abscheu umgewendet. Wirk¬ lich kehrt das Standbild dem nahen Theater den Rücken. — Die Oper ist noch immer belebt, doch besitzen wir außer Fräulein Capitain, die durch die Wahrheit ihrer Auffassung und das Gefühl ihres Ver¬ trags, durch die Begeisterung für ihre Kunst alle Herzen fesselt und hinreißt, außer dieser Sängerin mit ihrer sanften und vielleicht nur zu zarten Stimme besitzen wir nichts Ausgezeichnetes. — Vor einigen Tagen erfreute uns Pischek, unser früherer Barytonist, der jetzt in Stuttgart angestellt ist, durch einige Gastdarstellungen und erhielt un¬ gemessenen Beifall. Es scheint indessen, als ob der Strom der Musikliebhaberei an¬ fangen wolle, zurückzutreten, um anderen Kunstrichtungen Platz zu machen. Zwar hat er das früher mehr literarischen Zwecken bestimmte Museum noch immer in seiner Gewalt, wo nur mit Mühe einige Declamationen und ernstere literarische Vortrage zwischen den Sym¬ phonien, Ouvertüren und Liedern angehört werden, — aber den öf¬ fentlichen Anstalten setzen sich mit Glück Privatversammlungen entge¬ gen, in denen das literarische Interesse gewahrt wird. So spricht man viel von Leseabenden bei Frau B., die unter der Leitung eines Gutz- kow und bei der Mitwirkung mehrerer Literaten hiesiger Stadt erfreu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/142>, abgerufen am 22.07.2024.