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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Ueberhaupt will man weder die Presse, noch oaS eigene Gefühl darin
für competent gelten lassen; man scheint vielmehr eine Entscheidung
über die delicate Frage von Oben her abzuwarten. Und auch diese ist
bis jetzt ausgeblieben. Natürlich wird dadurch die Gespanntheit zwi¬
schen Militär und Civil in Königsberg immer größer. Die armen
Offiziere, die im Grunde ihres Herzens oft gar nicht so todtschlagerisch
aufgelegt, und die guten biederen Königsl^rger, deren Aungen im
Grunde gar nicht so hochverräterisch sind, weichen einander furchtsam
aus.

-- Selbst im Orient findet man den handfesten Michel gar zu
zahm. Die Gutmüthigkeit, (!) mit der die deutschen Diplomaten in
der Levante -- nicht sich -- sondern ihre Schutzbefohlenen und Lands¬
leute von den Türken mißhandeln lassen, hat dem deutschen Namen
dort alle Achtung geraubt. Türke, Grieche und Armenier, alle spre¬
chen gleich höhnisch von den "weibischen Nemze". Es steht in der
Augsburger Allgemeinen! -- wo der Reisende vom schwarzen Meer,
dem wir die schönen kaukasischen Bilder verdanken, von dem Ungeheuer
Abdullah Pascha von Trapezunt ein feines Porträt gezeichnet hat.
Auch diesen Abdullah ertrugen die feinen Herren Diplomaten; nur Sir
Stratford Eanning trat von Anfang an energisch gegen ihn auf.
Canning ward auch genug bespöttelt und mitgenommen von unseren
besonnenen Weisheiten.

-- Am ersten Januar wurde zum ersten Mal Gutzkow's "Ur¬
bild des Tartüfe" auf der Leipziger Bühne gegeben. Das Haus war
seit Jahren nicht so überfüllt, der Beifall des Publicums war unge¬
wöhnlich, der Verfasser wurde stürmisch gerufen, befand sich aber wahr¬
scheinlich in Dresden, wo am selben Abend dasselbe Stück gegeben
werden sollte. -- Näheres kommende Woche.

-- Der "Komet" citirte unlängst eine Prager Correspondenz die¬
ser Blätter, ließ uns aber etwas sagen, was wir nicht gesagt hatten.
Er berichtet nämlich: Die Grenzboten bezeichnen den Grafen Schira-
ding als Verfasser des Buches: "Prag und die Prager -c." Das
ist vollkommen unrichtig. In der erwähnten Eorrespondenz war von
einem Grafen * * * die Rede; ein Name ist nicht genannt worden.
Wenn der "Komet" diesen Namen weiß oder wissen will, so mag er
ihn aus eigener Quelle haben; auf die Grenzboten kann er sich des¬
wegen nicht berufen.




Pcrlag von Ar. Lttdw. Herbia, -- Redacteur I. Kurnnda
Druck von Friedrich Andral.

Ueberhaupt will man weder die Presse, noch oaS eigene Gefühl darin
für competent gelten lassen; man scheint vielmehr eine Entscheidung
über die delicate Frage von Oben her abzuwarten. Und auch diese ist
bis jetzt ausgeblieben. Natürlich wird dadurch die Gespanntheit zwi¬
schen Militär und Civil in Königsberg immer größer. Die armen
Offiziere, die im Grunde ihres Herzens oft gar nicht so todtschlagerisch
aufgelegt, und die guten biederen Königsl^rger, deren Aungen im
Grunde gar nicht so hochverräterisch sind, weichen einander furchtsam
aus.

— Selbst im Orient findet man den handfesten Michel gar zu
zahm. Die Gutmüthigkeit, (!) mit der die deutschen Diplomaten in
der Levante — nicht sich — sondern ihre Schutzbefohlenen und Lands¬
leute von den Türken mißhandeln lassen, hat dem deutschen Namen
dort alle Achtung geraubt. Türke, Grieche und Armenier, alle spre¬
chen gleich höhnisch von den „weibischen Nemze". Es steht in der
Augsburger Allgemeinen! — wo der Reisende vom schwarzen Meer,
dem wir die schönen kaukasischen Bilder verdanken, von dem Ungeheuer
Abdullah Pascha von Trapezunt ein feines Porträt gezeichnet hat.
Auch diesen Abdullah ertrugen die feinen Herren Diplomaten; nur Sir
Stratford Eanning trat von Anfang an energisch gegen ihn auf.
Canning ward auch genug bespöttelt und mitgenommen von unseren
besonnenen Weisheiten.

— Am ersten Januar wurde zum ersten Mal Gutzkow's „Ur¬
bild des Tartüfe" auf der Leipziger Bühne gegeben. Das Haus war
seit Jahren nicht so überfüllt, der Beifall des Publicums war unge¬
wöhnlich, der Verfasser wurde stürmisch gerufen, befand sich aber wahr¬
scheinlich in Dresden, wo am selben Abend dasselbe Stück gegeben
werden sollte. — Näheres kommende Woche.

— Der „Komet" citirte unlängst eine Prager Correspondenz die¬
ser Blätter, ließ uns aber etwas sagen, was wir nicht gesagt hatten.
Er berichtet nämlich: Die Grenzboten bezeichnen den Grafen Schira-
ding als Verfasser des Buches: „Prag und die Prager -c." Das
ist vollkommen unrichtig. In der erwähnten Eorrespondenz war von
einem Grafen * * * die Rede; ein Name ist nicht genannt worden.
Wenn der „Komet" diesen Namen weiß oder wissen will, so mag er
ihn aus eigener Quelle haben; auf die Grenzboten kann er sich des¬
wegen nicht berufen.




Pcrlag von Ar. Lttdw. Herbia, — Redacteur I. Kurnnda
Druck von Friedrich Andral.
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[0106] Ueberhaupt will man weder die Presse, noch oaS eigene Gefühl darin für competent gelten lassen; man scheint vielmehr eine Entscheidung über die delicate Frage von Oben her abzuwarten. Und auch diese ist bis jetzt ausgeblieben. Natürlich wird dadurch die Gespanntheit zwi¬ schen Militär und Civil in Königsberg immer größer. Die armen Offiziere, die im Grunde ihres Herzens oft gar nicht so todtschlagerisch aufgelegt, und die guten biederen Königsl^rger, deren Aungen im Grunde gar nicht so hochverräterisch sind, weichen einander furchtsam aus. — Selbst im Orient findet man den handfesten Michel gar zu zahm. Die Gutmüthigkeit, (!) mit der die deutschen Diplomaten in der Levante — nicht sich — sondern ihre Schutzbefohlenen und Lands¬ leute von den Türken mißhandeln lassen, hat dem deutschen Namen dort alle Achtung geraubt. Türke, Grieche und Armenier, alle spre¬ chen gleich höhnisch von den „weibischen Nemze". Es steht in der Augsburger Allgemeinen! — wo der Reisende vom schwarzen Meer, dem wir die schönen kaukasischen Bilder verdanken, von dem Ungeheuer Abdullah Pascha von Trapezunt ein feines Porträt gezeichnet hat. Auch diesen Abdullah ertrugen die feinen Herren Diplomaten; nur Sir Stratford Eanning trat von Anfang an energisch gegen ihn auf. Canning ward auch genug bespöttelt und mitgenommen von unseren besonnenen Weisheiten. — Am ersten Januar wurde zum ersten Mal Gutzkow's „Ur¬ bild des Tartüfe" auf der Leipziger Bühne gegeben. Das Haus war seit Jahren nicht so überfüllt, der Beifall des Publicums war unge¬ wöhnlich, der Verfasser wurde stürmisch gerufen, befand sich aber wahr¬ scheinlich in Dresden, wo am selben Abend dasselbe Stück gegeben werden sollte. — Näheres kommende Woche. — Der „Komet" citirte unlängst eine Prager Correspondenz die¬ ser Blätter, ließ uns aber etwas sagen, was wir nicht gesagt hatten. Er berichtet nämlich: Die Grenzboten bezeichnen den Grafen Schira- ding als Verfasser des Buches: „Prag und die Prager -c." Das ist vollkommen unrichtig. In der erwähnten Eorrespondenz war von einem Grafen * * * die Rede; ein Name ist nicht genannt worden. Wenn der „Komet" diesen Namen weiß oder wissen will, so mag er ihn aus eigener Quelle haben; auf die Grenzboten kann er sich des¬ wegen nicht berufen. Pcrlag von Ar. Lttdw. Herbia, — Redacteur I. Kurnnda Druck von Friedrich Andral.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/106>, abgerufen am 22.07.2024.