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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Autor verantwortlich, sondern Herr I. Mendelssohn in Hamburg
,
^. der frühere Redacteur der "Jahreszeiten".

-- Friedrich von Raumer ist in New-York von den deutschen
Amerikanern glorreich fetirt worden. Er, der noch unlängst in Ber¬
lin wider die gefährlichen Studentenidecn mitagiren mußte, wurde wie
ein alter Burschenschafter mit sah warzrothgoldenen Flaggen be¬
grüßt!, die besonnensten deutschen Zeitungen melden dies und sind
patriotisch gerührt über die Blüthe echt deutschen Lebens -- in Amerika.
Dort hat ja Schwarzrothgold Nichts zu sagen. O Ironie des Schicksals!
Hoffentlich wird Herr von Raumer nicht in Untersuchung gezogen
werden, wenn er nach Berlin zurückkommt. Sein Sohn brachte einen
Toast auf die amerikanischen Frauen aus und der Präsident der Ge-
-sellschaft pries Herrn Friedrich von Raumer, daß er nicht nur ein
berühmter Gelehrter, sondern ein "schlichter deutscher Biedermann"
sei. Dieser Präsident war natürlich ein Deutscher und hieß Bier-
w irth.

-- Wir haben vorhin offen gestanden, wie sehr uns das neue
Prutz'sche Stück mißfallen hat, allein wir müssen auch sagen, das
Berliner Verbot desselben ist, wenn der Verfasser nicht angemessen
entschädigt wird, in der That unbegreiflich, ist eine schreiende Willkür,
die dem Theater und seiner Tantiemecinrichtung allen Credit rauben
kann. Das Prutz'sche Drama ist angenommen, von der Theaterccn-
sur erlaubt und aus Tantieme der Bühne überlassen worden. Nach
der ersten Aufführung wird es plötzlich verboten. Wer entschädigt
den Dichter für die Einnahmen, die ihm weitere Aufführungen ge¬
bracht hatten? Die Intendantur? Sie ist unschuldig. Das Mini¬
sterium? Der König? Soll der Dichter einen weitläuftigen und
kostspieligen Proceß gegen die Regierung einleiten? Oder soll er sich
Seiner Majestät zu Füßen werfen, um aus der Hand der Großmuth
als Gnadengeschenk sein wohlverdientes Honorar 'zu empfangen?
Und wo gibt es andrerseits eine Bürgschaft gegen einen solchen Un¬
fall? Eine übersehene Anspielung, ein Wort, eine Laune kann ein
Berliner Verbot herbeiführen. Wir rathen den dramatischen Dich¬
tern, Stücke, die auf Tantieme angenommen werden, in einer frei¬
lich erst zu gründenden Verbotsassecuranz zu versichern. -- In
Leipzig, wo, unseres Wissens, keine Tantieme, aber seit der Direc-
tion des or. Schmidt ein verhältnißmäßig anständiges Honorar be¬
willigt wird, ist das Prutz'sche Drama zwei Mal nach einander bei
übervollen Hause gegeben und das erste Mal der zufällig anwesende
Dichter gerufen worden.

-- Von gewissen Seiten wird oft mit rührender Stimme ge¬
priesen, wie schön es sei, daß es in Preußen keine geheime Polizei


Autor verantwortlich, sondern Herr I. Mendelssohn in Hamburg
,
^. der frühere Redacteur der „Jahreszeiten".

— Friedrich von Raumer ist in New-York von den deutschen
Amerikanern glorreich fetirt worden. Er, der noch unlängst in Ber¬
lin wider die gefährlichen Studentenidecn mitagiren mußte, wurde wie
ein alter Burschenschafter mit sah warzrothgoldenen Flaggen be¬
grüßt!, die besonnensten deutschen Zeitungen melden dies und sind
patriotisch gerührt über die Blüthe echt deutschen Lebens — in Amerika.
Dort hat ja Schwarzrothgold Nichts zu sagen. O Ironie des Schicksals!
Hoffentlich wird Herr von Raumer nicht in Untersuchung gezogen
werden, wenn er nach Berlin zurückkommt. Sein Sohn brachte einen
Toast auf die amerikanischen Frauen aus und der Präsident der Ge-
-sellschaft pries Herrn Friedrich von Raumer, daß er nicht nur ein
berühmter Gelehrter, sondern ein „schlichter deutscher Biedermann"
sei. Dieser Präsident war natürlich ein Deutscher und hieß Bier-
w irth.

— Wir haben vorhin offen gestanden, wie sehr uns das neue
Prutz'sche Stück mißfallen hat, allein wir müssen auch sagen, das
Berliner Verbot desselben ist, wenn der Verfasser nicht angemessen
entschädigt wird, in der That unbegreiflich, ist eine schreiende Willkür,
die dem Theater und seiner Tantiemecinrichtung allen Credit rauben
kann. Das Prutz'sche Drama ist angenommen, von der Theaterccn-
sur erlaubt und aus Tantieme der Bühne überlassen worden. Nach
der ersten Aufführung wird es plötzlich verboten. Wer entschädigt
den Dichter für die Einnahmen, die ihm weitere Aufführungen ge¬
bracht hatten? Die Intendantur? Sie ist unschuldig. Das Mini¬
sterium? Der König? Soll der Dichter einen weitläuftigen und
kostspieligen Proceß gegen die Regierung einleiten? Oder soll er sich
Seiner Majestät zu Füßen werfen, um aus der Hand der Großmuth
als Gnadengeschenk sein wohlverdientes Honorar 'zu empfangen?
Und wo gibt es andrerseits eine Bürgschaft gegen einen solchen Un¬
fall? Eine übersehene Anspielung, ein Wort, eine Laune kann ein
Berliner Verbot herbeiführen. Wir rathen den dramatischen Dich¬
tern, Stücke, die auf Tantieme angenommen werden, in einer frei¬
lich erst zu gründenden Verbotsassecuranz zu versichern. — In
Leipzig, wo, unseres Wissens, keine Tantieme, aber seit der Direc-
tion des or. Schmidt ein verhältnißmäßig anständiges Honorar be¬
willigt wird, ist das Prutz'sche Drama zwei Mal nach einander bei
übervollen Hause gegeben und das erste Mal der zufällig anwesende
Dichter gerufen worden.

— Von gewissen Seiten wird oft mit rührender Stimme ge¬
priesen, wie schön es sei, daß es in Preußen keine geheime Polizei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/99>, abgerufen am 27.07.2024.