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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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war den Mäßigkeitstendenzen nicht besonders hold und zögerte trotz
der Imitationen seiner Amtsbruder, seiner Gemeinde den Schwur ab¬
zunehmen. Was geschieht? Ein frommer Klosterbruder erhält des
Nachts eine Visite von der Jungfrau Maria, die zu ihm spricht:
Mache Dich auf und bringe dem Pfarrer X. die Nachricht, daß mein
geliebter Sohn, unser Heiland, ihn hart strafen wird, wenn er seine
Gemeinde noch langer in dem Pfuhl des Branntweinlasters belaßt.
Der zögernde Seelenhirt wäre gesteinigt worden, hätte er dieser Stimme
kein Gehör gegeben. Die Wunder in Oberschlesien sind etwas so
Gewöhnliches, daß man sich gar nicht mehr darüber wundert. Selbst
Protestanten, sogar einstige politische Protestanten, wie der Herr Wit
von Döring, glauben daran. Dieser bekehrte Erzdemagoge erzählt al¬
len Ernstes im schlesischen katholischen Kirchenblatte, wie einer seiner
Knechte deswegen, weil er Branntwein getrunken, wahrend die übrigen
sich an Bier erlabt, durch die Rache des Himmels eines schmählichen
Todes sterben mußte. Wehe, wenn diese Saat des Fanatismus ein¬
mal aufgeht.

In Breslau wird ein Ständchaus im großartigen Styl gebaut.
Man kann sich eines ironischen Lächelns nicht erwehren, wenn man
an dem hohen Rumpfe hinanschaut und dabei an den letzten Land¬
tagsabschied denkt. (t"el Knut nom- "us Omelette! Das meinen
auch die Communen der Städte Schlesiens, wenn sie beschließen:
Für das Ständehaus in Breslau geben wir Nichts, "weil wir uns
für das Ständewesen, wie es jetzt ist, nicht erheblich genug interessi-
ren." Wir kaufen unseren Kindern lieber Nürnberger Spielwaaren.
'

Verzeihen Sie mir, wenn ich der Thebensschen Angelegenheit er¬
wähne. Ein Offizier in Breslau konnte sich so weit vergessen, eine
höchst unlovale Bemerkung darüber fallen zu lassen, und ein anderer
konnte sich noch weiter vergessen und denuncirte diese militärische Ver¬
gessenheit. Ein Kriegsgericht soll über den Casus entscheiden.

Ueber unser Theater werde ich Ihnen nächstens ausführlich be¬
richten. Für jetzt nur so viel, daß mit dem ersten des künstigen Mo¬
nats der bisherige Geschäftsführer, Dr. Rinds, dem Herrn von Hol¬
x. le! den Platz räumt.


III.
Aus Berlin.

Rückkehr des Königs und der Königin. -- Anekdote. -- Gleichheitssinn des
Berliner Volkes. -- Theaterzustände; die italienische Oper,des Königsstädtl-
schen Theaters.

Wir haben in der verwichenen Woche wieder einmal einen Tag
gehabt, an welchem sich das Volk von Berlin öffentlich gezeigt hat,


war den Mäßigkeitstendenzen nicht besonders hold und zögerte trotz
der Imitationen seiner Amtsbruder, seiner Gemeinde den Schwur ab¬
zunehmen. Was geschieht? Ein frommer Klosterbruder erhält des
Nachts eine Visite von der Jungfrau Maria, die zu ihm spricht:
Mache Dich auf und bringe dem Pfarrer X. die Nachricht, daß mein
geliebter Sohn, unser Heiland, ihn hart strafen wird, wenn er seine
Gemeinde noch langer in dem Pfuhl des Branntweinlasters belaßt.
Der zögernde Seelenhirt wäre gesteinigt worden, hätte er dieser Stimme
kein Gehör gegeben. Die Wunder in Oberschlesien sind etwas so
Gewöhnliches, daß man sich gar nicht mehr darüber wundert. Selbst
Protestanten, sogar einstige politische Protestanten, wie der Herr Wit
von Döring, glauben daran. Dieser bekehrte Erzdemagoge erzählt al¬
len Ernstes im schlesischen katholischen Kirchenblatte, wie einer seiner
Knechte deswegen, weil er Branntwein getrunken, wahrend die übrigen
sich an Bier erlabt, durch die Rache des Himmels eines schmählichen
Todes sterben mußte. Wehe, wenn diese Saat des Fanatismus ein¬
mal aufgeht.

In Breslau wird ein Ständchaus im großartigen Styl gebaut.
Man kann sich eines ironischen Lächelns nicht erwehren, wenn man
an dem hohen Rumpfe hinanschaut und dabei an den letzten Land¬
tagsabschied denkt. (t»el Knut nom- »us Omelette! Das meinen
auch die Communen der Städte Schlesiens, wenn sie beschließen:
Für das Ständehaus in Breslau geben wir Nichts, „weil wir uns
für das Ständewesen, wie es jetzt ist, nicht erheblich genug interessi-
ren." Wir kaufen unseren Kindern lieber Nürnberger Spielwaaren.
'

Verzeihen Sie mir, wenn ich der Thebensschen Angelegenheit er¬
wähne. Ein Offizier in Breslau konnte sich so weit vergessen, eine
höchst unlovale Bemerkung darüber fallen zu lassen, und ein anderer
konnte sich noch weiter vergessen und denuncirte diese militärische Ver¬
gessenheit. Ein Kriegsgericht soll über den Casus entscheiden.

Ueber unser Theater werde ich Ihnen nächstens ausführlich be¬
richten. Für jetzt nur so viel, daß mit dem ersten des künstigen Mo¬
nats der bisherige Geschäftsführer, Dr. Rinds, dem Herrn von Hol¬
x. le! den Platz räumt.


III.
Aus Berlin.

Rückkehr des Königs und der Königin. — Anekdote. — Gleichheitssinn des
Berliner Volkes. — Theaterzustände; die italienische Oper,des Königsstädtl-
schen Theaters.

Wir haben in der verwichenen Woche wieder einmal einen Tag
gehabt, an welchem sich das Volk von Berlin öffentlich gezeigt hat,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/94>, abgerufen am 27.07.2024.