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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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in der Arbeit, den Sturz des Phaöton vorstellend, war ganz in den
Gegenstand vertieft und Nichts konnte mir daher ungelegener kom¬
men, als eine solche plötzliche Störung. -- Du mein Himmel! --
ich sitze gerade an meinem Gemälde und freue mich des ruhigen,
wieder stillen Augenblicks, der über mein Dach heraufgezogen war,
da -- mit einem Male -- platzen zwei, drei Thüren auf und wie¬
der zu. Die eine Magd springt zum Hause hinaus, als werde sie
von neun Teufeln geplagt, die andere schreit, ruft und kommt nach
meinem Zimmer gerannt. Schon will ich, aufgeschreckt von meiner
Arbeit, den beiden ruchlosen Quälgeistern ein donnerndes Halt zu-
schreien und bin nur noch unschlüssig, ob zum Fenster oder zur Thür
hinaus? Da wird's wieder still. -- Gott Lob, denke ich, das Ge¬
witter verzieht sich, oder es ist nur ein kalter Schlag gewesen! und
so setze ich mich wieder vor die Staffelei -- doch kaum habe ich die
Palette zur Hand genommen und die Ruhe fängt an zurückzukehren,
so erhebt sich ein neues Laufen und Rennen. Die Nachbarsweiber
stürzen herzu, fremde Menschen kommen, Alles eilt nach dem Ge¬
mache meiner Frau. Brennt's denn, oder ist sonst ein Unglück paf-
strt? frage ich und suche einen von den vielen Schreiern zu einer
Antwort zu bringen. Nichts da, keine Antwort, nicht um hundert
Thaler nur ein vernünftiger Ton! -- Mit Stoßen, Drängen und
Schlagen gelangte ich endlich zu Elisen. -- Nun da hatten wir
die Bescherung! -- Es war ein liebes, gesundes Mädchen zur
Welt gekommen. -- Herr Professor, sagt die Hebamme zu mir,
hier unten kann die Wöchnerin nicht bleiben, hier ist'S zu unruhig.
-- Sehr recht, sehr wahr, liebe, gute Frau Mohrin, sagte ich, drückte
ihr einen harten Thaler in die Hand für die treffende Bemerkung
und wiederholte: sehr unruhig ist es hier, das ist wahr. Das liebe
Kind freute mich ungemein, ich nahm es auf den Arm und küßte
meine Frau; da däuchte mir, es tappte was in meiner Stube --
in der Eile hatte ich den Schlüssel nicht abgezogen -- ich wurde
aufmerksamer und machte ein finstres Gesicht. -- Es wird die Frau
Mohrin sein, sagte meine Frau, welche es bemerkte. -- Auf mei¬
ner Stube? fragte ich verwundert. -- Indem kam die Hebamme
eilig und sehr vergnügt zur Thür herein und sagte: Beste Frau Pro¬
fessorin, das Zimmer ist ganz herrlich, man kann es nicht besser
wünschen. Das Brctterwerk habe ich auf den Vorplatz geworfen,


in der Arbeit, den Sturz des Phaöton vorstellend, war ganz in den
Gegenstand vertieft und Nichts konnte mir daher ungelegener kom¬
men, als eine solche plötzliche Störung. — Du mein Himmel! —
ich sitze gerade an meinem Gemälde und freue mich des ruhigen,
wieder stillen Augenblicks, der über mein Dach heraufgezogen war,
da — mit einem Male — platzen zwei, drei Thüren auf und wie¬
der zu. Die eine Magd springt zum Hause hinaus, als werde sie
von neun Teufeln geplagt, die andere schreit, ruft und kommt nach
meinem Zimmer gerannt. Schon will ich, aufgeschreckt von meiner
Arbeit, den beiden ruchlosen Quälgeistern ein donnerndes Halt zu-
schreien und bin nur noch unschlüssig, ob zum Fenster oder zur Thür
hinaus? Da wird's wieder still. — Gott Lob, denke ich, das Ge¬
witter verzieht sich, oder es ist nur ein kalter Schlag gewesen! und
so setze ich mich wieder vor die Staffelei — doch kaum habe ich die
Palette zur Hand genommen und die Ruhe fängt an zurückzukehren,
so erhebt sich ein neues Laufen und Rennen. Die Nachbarsweiber
stürzen herzu, fremde Menschen kommen, Alles eilt nach dem Ge¬
mache meiner Frau. Brennt's denn, oder ist sonst ein Unglück paf-
strt? frage ich und suche einen von den vielen Schreiern zu einer
Antwort zu bringen. Nichts da, keine Antwort, nicht um hundert
Thaler nur ein vernünftiger Ton! — Mit Stoßen, Drängen und
Schlagen gelangte ich endlich zu Elisen. — Nun da hatten wir
die Bescherung! — Es war ein liebes, gesundes Mädchen zur
Welt gekommen. — Herr Professor, sagt die Hebamme zu mir,
hier unten kann die Wöchnerin nicht bleiben, hier ist'S zu unruhig.
— Sehr recht, sehr wahr, liebe, gute Frau Mohrin, sagte ich, drückte
ihr einen harten Thaler in die Hand für die treffende Bemerkung
und wiederholte: sehr unruhig ist es hier, das ist wahr. Das liebe
Kind freute mich ungemein, ich nahm es auf den Arm und küßte
meine Frau; da däuchte mir, es tappte was in meiner Stube —
in der Eile hatte ich den Schlüssel nicht abgezogen — ich wurde
aufmerksamer und machte ein finstres Gesicht. — Es wird die Frau
Mohrin sein, sagte meine Frau, welche es bemerkte. — Auf mei¬
ner Stube? fragte ich verwundert. — Indem kam die Hebamme
eilig und sehr vergnügt zur Thür herein und sagte: Beste Frau Pro¬
fessorin, das Zimmer ist ganz herrlich, man kann es nicht besser
wünschen. Das Brctterwerk habe ich auf den Vorplatz geworfen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/76>, abgerufen am 06.10.2024.