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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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gar nicht herauswagen, denn hatte ich mich .nur einen Augenblick
daraus entfernt und vielleicht noch ein nasses Bild auf der Staffelei
stehen oder Farben umherliegen, so hörte ich gleich die dumpfen
Striche des Besens, das widerliche Gepolter des Auöklopftftockö und
die betäubenden Bewegungen der Bürste.

-- Konnten Sie nicht gegenseitig Vertrage schließen, wie feind¬
liche Mächte zu thun pflegen? fragte ich. z. B. malten Sie heute,
so durfte erst morgen gefegt werden, und wurde heute gefegt, so mal¬
ten Sie an einem anderen Tage.

-- Lieber Freund, erwiederte der Kranke, Sie glauben nicht,
welche Bitten ich angewandt, welche Vorstellungen ich vergeudet habe,
um die Sache zu ändern lind mein Glück wieder herzustellen. Einige
Tage hatte ich denn auch zuweilen Ruhe, und ich schmeichelte mir
mit neuen Hoffnungen; aber schnell waren die Versprechungen ver¬
gessen und das zur wahren Manie gewordene Ausräumen, Abputzen
lind Neinigen ging seinen alten-Gang fort.

-- Ich hätte meine Thüre verschlossen, hätte jedermann den
Zutritt durch starke Riegel versperrt, war meine Antwort.

-- Auch das that ich, aber schon das Rumoren im Hause her¬
um, das unaufhörliche Gehen und Laufen auf den Treppen, die
häufigen Debatten mit dem Hausgesinde, das Gackern der Hühner,
Enten und Gänse im Hofe, dies Alles verdarb mir jeden guten
Gedanken und erregte so viel Staub und Erschütterung, daß ich
kaum den Pinsel halten konnte.

-- Waren in Antwerpen nicht noch mehr Störungen, auf der
Straße das ewige Fahren, Reiten lind dergleichen, und hatten Sie
nicht da die Last des Haushaltes allein zu tragen? fragte ich.

-- Keineswegs, sagte er. Was das Letzte betrifft, so besorgte
mein Diener Alles, ohne daß ich davon belästigt wurde; und wenn
ja zuweilen eine langsame Kalesche gefahren kam, so konnte man
seine Arbeit so lange einstellen. Auch müssen Sie wissen, daß damals
in Antwerpen noch viele Portchaisen fungirten, die überhaupt hätten
mehr in der Mode bleiben sollen. -- Bei meiner Frau kam aber
Alles unerwartet, immer Knall und Fall, wie bei den jetzigen Eil¬
wagen, Dampfmaschinen und dergleichen beklagenswerthen und un¬
ruhigen Erfindungen. So' erinnere ich mich noch immer lebhaft des
Augenblicks ihrer Niederkunft. Ich hatte damals ein großes Bild


gar nicht herauswagen, denn hatte ich mich .nur einen Augenblick
daraus entfernt und vielleicht noch ein nasses Bild auf der Staffelei
stehen oder Farben umherliegen, so hörte ich gleich die dumpfen
Striche des Besens, das widerliche Gepolter des Auöklopftftockö und
die betäubenden Bewegungen der Bürste.

— Konnten Sie nicht gegenseitig Vertrage schließen, wie feind¬
liche Mächte zu thun pflegen? fragte ich. z. B. malten Sie heute,
so durfte erst morgen gefegt werden, und wurde heute gefegt, so mal¬
ten Sie an einem anderen Tage.

— Lieber Freund, erwiederte der Kranke, Sie glauben nicht,
welche Bitten ich angewandt, welche Vorstellungen ich vergeudet habe,
um die Sache zu ändern lind mein Glück wieder herzustellen. Einige
Tage hatte ich denn auch zuweilen Ruhe, und ich schmeichelte mir
mit neuen Hoffnungen; aber schnell waren die Versprechungen ver¬
gessen und das zur wahren Manie gewordene Ausräumen, Abputzen
lind Neinigen ging seinen alten-Gang fort.

— Ich hätte meine Thüre verschlossen, hätte jedermann den
Zutritt durch starke Riegel versperrt, war meine Antwort.

— Auch das that ich, aber schon das Rumoren im Hause her¬
um, das unaufhörliche Gehen und Laufen auf den Treppen, die
häufigen Debatten mit dem Hausgesinde, das Gackern der Hühner,
Enten und Gänse im Hofe, dies Alles verdarb mir jeden guten
Gedanken und erregte so viel Staub und Erschütterung, daß ich
kaum den Pinsel halten konnte.

— Waren in Antwerpen nicht noch mehr Störungen, auf der
Straße das ewige Fahren, Reiten lind dergleichen, und hatten Sie
nicht da die Last des Haushaltes allein zu tragen? fragte ich.

— Keineswegs, sagte er. Was das Letzte betrifft, so besorgte
mein Diener Alles, ohne daß ich davon belästigt wurde; und wenn
ja zuweilen eine langsame Kalesche gefahren kam, so konnte man
seine Arbeit so lange einstellen. Auch müssen Sie wissen, daß damals
in Antwerpen noch viele Portchaisen fungirten, die überhaupt hätten
mehr in der Mode bleiben sollen. — Bei meiner Frau kam aber
Alles unerwartet, immer Knall und Fall, wie bei den jetzigen Eil¬
wagen, Dampfmaschinen und dergleichen beklagenswerthen und un¬
ruhigen Erfindungen. So' erinnere ich mich noch immer lebhaft des
Augenblicks ihrer Niederkunft. Ich hatte damals ein großes Bild


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/75>, abgerufen am 01.09.2024.