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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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derben unserer Neigungen und Charaktere Aerger, Zwiespalt und
Verdrießlichkeiten aller Art entstehen. -- Meine Frau war äußerst
einfach und wirthlich erzogen, legte überall mit Hand an, scheute
keine Arbeit und war deshalb im Hause meiner Eltern sehr wohl
gelitten. Aber mir war das unerträglich! -- Da war ein beständig
ges Waschen und Plätten, ein Rumoren und Poltern, ein unaufhör¬
liches Reinigen, Kehren und Bürsten, daß mir im eigentlichsten Sinne
die Haare zu Berge standen; denn ich war in einer beständigen
Staubwolke eingehüllt und konnte keinen Schritt thun, ohne an ein
Wasserfaß, einen Besen, oder ein anderes verhaßtes Werkzeug zu sto¬
ßen. Selbst meine Stube blieb nicht verschont, und im ganzen Hause
war auch nicht das kleinste Plätzchen zu finden, wo ich vor diesem
Ungewitter mich hätte hinflüchten können.

Und was das Schlimmste war, wenn ich mein Mißfallen
zeigte, wenn ich Bitten oder Drohungen verschwendete, um dem be¬
ständigen Scheuern und Aufräumen zu steuern, so wurde mir noch
gesagt, daß dies Alles ja zu meinem Besten geschehe, und daß ich
weit eher dankbar als unwillig darüber sein müßte. Auch unsere Bekann¬
ten glaubten mir das Kompliment machen zu müssen, daß ich an mei¬
ner Frau einen wahren Schatz, eine köstliche Perle gefunden habe,
da sie so haushälterisch, so wirthlich thätig sei! -- O, ich hätte mö¬
gen blutige Thränen weinen, wenn ich an mein Antwerpner Stüb-
chen dachte! -- Doch das waren nur Vorboten des Sturmes der
noch kommen sollte. -- Das erste Jahr meines Ehestandes verging,
und ich hatte Elisens Bild angefangen. Sie hatte mir nämlich in
den flüchtigen Stunden unserer ersten Liebe versprochen, so oft und
so lange zu sitzen, als ich nur wollte. Aber, Du mein Himmel! --
War einmal ein heiterer Tag heraufgestiegen und ich hoffte freudig
mein schönstes Werk zu fördern, hatte die Farben auf die Palette
gesetzt und die schönsten Stoffe ausgewählt, womit ich sie zu schmük-
ken gedachte; dann konnte ich das Urbild auch nicht auf eine Vier¬
telstunde habhaft werden. Nur einen Augenblick, lieber ^Robert, hieß
es, ich muß noch einiges der Magd auftragen, damit uns der Bra¬
ten nicht verbrennt; dann sollten die Tauben gefüttert, die Hühner
besehen und der Garten ausgestellt werden; dann nahm die Wäsche
wieder die schönsten Wochen hinweg und die Sorge für ein Feldstück,
das noch keinen Morgen im Umfang hatte, plagte uns den ganzen


derben unserer Neigungen und Charaktere Aerger, Zwiespalt und
Verdrießlichkeiten aller Art entstehen. — Meine Frau war äußerst
einfach und wirthlich erzogen, legte überall mit Hand an, scheute
keine Arbeit und war deshalb im Hause meiner Eltern sehr wohl
gelitten. Aber mir war das unerträglich! — Da war ein beständig
ges Waschen und Plätten, ein Rumoren und Poltern, ein unaufhör¬
liches Reinigen, Kehren und Bürsten, daß mir im eigentlichsten Sinne
die Haare zu Berge standen; denn ich war in einer beständigen
Staubwolke eingehüllt und konnte keinen Schritt thun, ohne an ein
Wasserfaß, einen Besen, oder ein anderes verhaßtes Werkzeug zu sto¬
ßen. Selbst meine Stube blieb nicht verschont, und im ganzen Hause
war auch nicht das kleinste Plätzchen zu finden, wo ich vor diesem
Ungewitter mich hätte hinflüchten können.

Und was das Schlimmste war, wenn ich mein Mißfallen
zeigte, wenn ich Bitten oder Drohungen verschwendete, um dem be¬
ständigen Scheuern und Aufräumen zu steuern, so wurde mir noch
gesagt, daß dies Alles ja zu meinem Besten geschehe, und daß ich
weit eher dankbar als unwillig darüber sein müßte. Auch unsere Bekann¬
ten glaubten mir das Kompliment machen zu müssen, daß ich an mei¬
ner Frau einen wahren Schatz, eine köstliche Perle gefunden habe,
da sie so haushälterisch, so wirthlich thätig sei! — O, ich hätte mö¬
gen blutige Thränen weinen, wenn ich an mein Antwerpner Stüb-
chen dachte! — Doch das waren nur Vorboten des Sturmes der
noch kommen sollte. — Das erste Jahr meines Ehestandes verging,
und ich hatte Elisens Bild angefangen. Sie hatte mir nämlich in
den flüchtigen Stunden unserer ersten Liebe versprochen, so oft und
so lange zu sitzen, als ich nur wollte. Aber, Du mein Himmel! —
War einmal ein heiterer Tag heraufgestiegen und ich hoffte freudig
mein schönstes Werk zu fördern, hatte die Farben auf die Palette
gesetzt und die schönsten Stoffe ausgewählt, womit ich sie zu schmük-
ken gedachte; dann konnte ich das Urbild auch nicht auf eine Vier¬
telstunde habhaft werden. Nur einen Augenblick, lieber ^Robert, hieß
es, ich muß noch einiges der Magd auftragen, damit uns der Bra¬
ten nicht verbrennt; dann sollten die Tauben gefüttert, die Hühner
besehen und der Garten ausgestellt werden; dann nahm die Wäsche
wieder die schönsten Wochen hinweg und die Sorge für ein Feldstück,
das noch keinen Morgen im Umfang hatte, plagte uns den ganzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/73>, abgerufen am 01.09.2024.