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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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keit die Sommertage herannahen sieht, welche jedes andern Menschen
Lust und Freude sind! -- >

Der Schachtelmann, den wir nun Robert nennen wollen, machte
hier eine Pause und ich hielt den Augenblick für günstig, um sein
schlummerndes Talent anzuregen und dadurch wohlthätig auf ihn zu
wirken. Ich sagte daher zu ihm: Köstlich muß es sein, mit Gleichen
auf einer Bahn wetteifernd fortzuschreiten! mich dünkt, ich hätte die
Namen Wendelin und Schneegas mehrmals mit großem Lobe er¬
wähnen hören, als die ersten jetzt lebenden Maler. Sie werden auch
nach Ihrem Namen geforscht haben, Herr Robert, und Sie vielleicht
schon für todt halten.

-- Bin ich denn nicht geistig todt, Herr Doctor? -- Glauben
Sie wirklich, daß ich noch den Pinsel führen könnte?

-- Ein Versuch würde das am besten beweisen und vielleicht
auch Ihre Heilung merklich fördern.

-- Ach, Sie wissen noch wenig von dem Unfälle, der mich be¬
troffen, Sie kennen den Dämon nicht, der mich unablässig verfolgt!
sagte Robert traurig. Dort steht der Malkasten und mein ganzer
Apparat sorgfältig eingepackt, seit langer Zeit habe ich nicht vor der
Staffelei gesessen! -- Friedrich, rief er nach einigem Nachsinnen dem
Diener zu, wenn Du gewiß wärest, daß kein Staub an meinen Far¬
ben ist, so könntest Du sie mir einmal herbringen; ich möchte doch
wenigstens mein Auge daran weiden! --

Mir wurde ordentlich wohl, als Friedrich die Malergeräthschaf-
ten vor seinen Herrn stellte; auch des Kranken Augen funkelten leb¬
hafter, er griff nach der Palette, probirte einige Pinsel und sein
Geist schien mit irgend einem Gegenstand beschäftigt zu sein.

-- Friedrich, sagte er freundlich, Du hast die Sachen schön ein¬
gepackt, ich finde durchaus keinen Schmutz daran. Wie lange ist eS
denn, daß ich sie zum letzten Male brauchte?

-- Es können vier Jahre sein, lieber Herr! war des Dieners
Antwort.

-- Hin, hin! sagte er leise und fast mißtrauisch gegen sich selbst,
vier Jahre? Eine schöne Zeit! und noch ist Alles so nett und rein?
Es wäre möglich, der Verfolger hätte nachgelassen und wäre müde
des endlosen Kampfes, der unzähligen Plackereien! Herr Doctor,
fragte er laut, sahen Sie schon jemals einen Hausteufel? --


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keit die Sommertage herannahen sieht, welche jedes andern Menschen
Lust und Freude sind! — >

Der Schachtelmann, den wir nun Robert nennen wollen, machte
hier eine Pause und ich hielt den Augenblick für günstig, um sein
schlummerndes Talent anzuregen und dadurch wohlthätig auf ihn zu
wirken. Ich sagte daher zu ihm: Köstlich muß es sein, mit Gleichen
auf einer Bahn wetteifernd fortzuschreiten! mich dünkt, ich hätte die
Namen Wendelin und Schneegas mehrmals mit großem Lobe er¬
wähnen hören, als die ersten jetzt lebenden Maler. Sie werden auch
nach Ihrem Namen geforscht haben, Herr Robert, und Sie vielleicht
schon für todt halten.

— Bin ich denn nicht geistig todt, Herr Doctor? — Glauben
Sie wirklich, daß ich noch den Pinsel führen könnte?

— Ein Versuch würde das am besten beweisen und vielleicht
auch Ihre Heilung merklich fördern.

— Ach, Sie wissen noch wenig von dem Unfälle, der mich be¬
troffen, Sie kennen den Dämon nicht, der mich unablässig verfolgt!
sagte Robert traurig. Dort steht der Malkasten und mein ganzer
Apparat sorgfältig eingepackt, seit langer Zeit habe ich nicht vor der
Staffelei gesessen! — Friedrich, rief er nach einigem Nachsinnen dem
Diener zu, wenn Du gewiß wärest, daß kein Staub an meinen Far¬
ben ist, so könntest Du sie mir einmal herbringen; ich möchte doch
wenigstens mein Auge daran weiden! —

Mir wurde ordentlich wohl, als Friedrich die Malergeräthschaf-
ten vor seinen Herrn stellte; auch des Kranken Augen funkelten leb¬
hafter, er griff nach der Palette, probirte einige Pinsel und sein
Geist schien mit irgend einem Gegenstand beschäftigt zu sein.

— Friedrich, sagte er freundlich, Du hast die Sachen schön ein¬
gepackt, ich finde durchaus keinen Schmutz daran. Wie lange ist eS
denn, daß ich sie zum letzten Male brauchte?

— Es können vier Jahre sein, lieber Herr! war des Dieners
Antwort.

— Hin, hin! sagte er leise und fast mißtrauisch gegen sich selbst,
vier Jahre? Eine schöne Zeit! und noch ist Alles so nett und rein?
Es wäre möglich, der Verfolger hätte nachgelassen und wäre müde
des endlosen Kampfes, der unzähligen Plackereien! Herr Doctor,
fragte er laut, sahen Sie schon jemals einen Hausteufel? —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/69>, abgerufen am 01.09.2024.