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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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die Nachwirkungen der Zeiten zu fühlen an und muß, will sie den
Anforderungen ihres Standes genügen, ein Gesetz der Sparsamkeit in
'Anwendung bringen, vor welchem man früher erröthet sein würde
und zumal zu den Mitteln der Controle greifen, die man einstens in
der Fülle des Einkommens und bei dem "unteren Lurus füglich ver¬
schmähen konnte. Die in Ungarn belegenen Güter des Erzherzogs
werfen kaum anderthalb Procente im Jahre ab und unter solchen
Umständen ist es erklärlich, daß man bei der Verheirathung des jun¬
gen Prinzen mit der baierischen Königstochter mit dem Hause Sina
eine Anleihe von zwei Millionen Gulden negociren mußte.
"

Im Burgtheater füllt die "letzte weiße Rose noch immer das
Haus Der Verfasser würde wohl daran thun, am Schlüsse des
Quartals einen Ausweis seines Dichter-Antheils zu veröffentlichen,
um alle Zweifel und Mißdeutungen, welche hier von unzufriedenen
Literaten ausgestreut werden, mit einem Male niederzuschlagen. *)
Als Kassenstück stellt sich nach dem amtlichen Ergebniß die¬
ses Drama unmittelbar Halm's Sohn der Wildniß an die Seite. In
den nächsten Tagen geht auf dieser Bühne ein Stück von Bauern¬
feld: "Ein deutscher Krieger" in die Se.ne, womit sich denn auch
das Gerücht widerlegt, Baucrnfeld habe sich ganz vom Theater abge¬
wendet, um sich einzig dem Gebiete des Romans zu widmen, weil
ihm von Seite Holbein's bei Einführung der Tantieme der bestehende
Contract gekündigt worden, wornach Bauernfcld außer dem Honorar
für seine Dramen auch noch einen festen Gehalt vom Hoftheater ge¬
noß.

Die neue Kirche in der schönsten Straße Wiens, in der soge¬
nannten Jägerzeile, die in gerader Linie nach dem Prater führt, nä¬
hert sich dem Ausbau. Professor Rosner leitet den Bau und hat
auch den Plan zu dem Gotteshause entworfen, worin er freilich durch
Geldmangel und Raumverhältnisse mannichfach beschränkt war. Was
den Geldpunkt betrifft, so wird für diesen Zweck noch fortwährend ge¬
sammelt und namentlich sollen die Bewohner dieser reichen Vorstadt
hart gedrängt werden, um die nöthige Summe zusammenzubringen,
indem denselben von jedem Gulden ihres Micthbetrages ein Paar
Kreuzer zugerechnet werden; anfänglich soll dies unter dem Anschein
einer freiwilligen Beisteuer geschehen, später aber in eine förmliche Last
verwandelt worden sein, der man sich blos durch Verlassung jenes
Stadttheils entziehen kann. Wenn die Aussage begründet ist, so ent¬
hält sie Willkür, selbst für die katholischen Einwohner der er¬
ahnden Vorstadt. Was sollen aber erst die zahlreichen Griechen, Ju¬
den und Protestanten zu einer Steuer sagen, die sie einem fremden
Cultus bezahlen müssen, der sie von der allgemeinen Seligkeit aus-



Die Red.
Wozu!
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die Nachwirkungen der Zeiten zu fühlen an und muß, will sie den
Anforderungen ihres Standes genügen, ein Gesetz der Sparsamkeit in
'Anwendung bringen, vor welchem man früher erröthet sein würde
und zumal zu den Mitteln der Controle greifen, die man einstens in
der Fülle des Einkommens und bei dem „unteren Lurus füglich ver¬
schmähen konnte. Die in Ungarn belegenen Güter des Erzherzogs
werfen kaum anderthalb Procente im Jahre ab und unter solchen
Umständen ist es erklärlich, daß man bei der Verheirathung des jun¬
gen Prinzen mit der baierischen Königstochter mit dem Hause Sina
eine Anleihe von zwei Millionen Gulden negociren mußte.
"

Im Burgtheater füllt die „letzte weiße Rose noch immer das
Haus Der Verfasser würde wohl daran thun, am Schlüsse des
Quartals einen Ausweis seines Dichter-Antheils zu veröffentlichen,
um alle Zweifel und Mißdeutungen, welche hier von unzufriedenen
Literaten ausgestreut werden, mit einem Male niederzuschlagen. *)
Als Kassenstück stellt sich nach dem amtlichen Ergebniß die¬
ses Drama unmittelbar Halm's Sohn der Wildniß an die Seite. In
den nächsten Tagen geht auf dieser Bühne ein Stück von Bauern¬
feld: „Ein deutscher Krieger" in die Se.ne, womit sich denn auch
das Gerücht widerlegt, Baucrnfeld habe sich ganz vom Theater abge¬
wendet, um sich einzig dem Gebiete des Romans zu widmen, weil
ihm von Seite Holbein's bei Einführung der Tantieme der bestehende
Contract gekündigt worden, wornach Bauernfcld außer dem Honorar
für seine Dramen auch noch einen festen Gehalt vom Hoftheater ge¬
noß.

Die neue Kirche in der schönsten Straße Wiens, in der soge¬
nannten Jägerzeile, die in gerader Linie nach dem Prater führt, nä¬
hert sich dem Ausbau. Professor Rosner leitet den Bau und hat
auch den Plan zu dem Gotteshause entworfen, worin er freilich durch
Geldmangel und Raumverhältnisse mannichfach beschränkt war. Was
den Geldpunkt betrifft, so wird für diesen Zweck noch fortwährend ge¬
sammelt und namentlich sollen die Bewohner dieser reichen Vorstadt
hart gedrängt werden, um die nöthige Summe zusammenzubringen,
indem denselben von jedem Gulden ihres Micthbetrages ein Paar
Kreuzer zugerechnet werden; anfänglich soll dies unter dem Anschein
einer freiwilligen Beisteuer geschehen, später aber in eine förmliche Last
verwandelt worden sein, der man sich blos durch Verlassung jenes
Stadttheils entziehen kann. Wenn die Aussage begründet ist, so ent¬
hält sie Willkür, selbst für die katholischen Einwohner der er¬
ahnden Vorstadt. Was sollen aber erst die zahlreichen Griechen, Ju¬
den und Protestanten zu einer Steuer sagen, die sie einem fremden
Cultus bezahlen müssen, der sie von der allgemeinen Seligkeit aus-



Die Red.
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[0607] die Nachwirkungen der Zeiten zu fühlen an und muß, will sie den Anforderungen ihres Standes genügen, ein Gesetz der Sparsamkeit in 'Anwendung bringen, vor welchem man früher erröthet sein würde und zumal zu den Mitteln der Controle greifen, die man einstens in der Fülle des Einkommens und bei dem „unteren Lurus füglich ver¬ schmähen konnte. Die in Ungarn belegenen Güter des Erzherzogs werfen kaum anderthalb Procente im Jahre ab und unter solchen Umständen ist es erklärlich, daß man bei der Verheirathung des jun¬ gen Prinzen mit der baierischen Königstochter mit dem Hause Sina eine Anleihe von zwei Millionen Gulden negociren mußte. " Im Burgtheater füllt die „letzte weiße Rose noch immer das Haus Der Verfasser würde wohl daran thun, am Schlüsse des Quartals einen Ausweis seines Dichter-Antheils zu veröffentlichen, um alle Zweifel und Mißdeutungen, welche hier von unzufriedenen Literaten ausgestreut werden, mit einem Male niederzuschlagen. *) Als Kassenstück stellt sich nach dem amtlichen Ergebniß die¬ ses Drama unmittelbar Halm's Sohn der Wildniß an die Seite. In den nächsten Tagen geht auf dieser Bühne ein Stück von Bauern¬ feld: „Ein deutscher Krieger" in die Se.ne, womit sich denn auch das Gerücht widerlegt, Baucrnfeld habe sich ganz vom Theater abge¬ wendet, um sich einzig dem Gebiete des Romans zu widmen, weil ihm von Seite Holbein's bei Einführung der Tantieme der bestehende Contract gekündigt worden, wornach Bauernfcld außer dem Honorar für seine Dramen auch noch einen festen Gehalt vom Hoftheater ge¬ noß. Die neue Kirche in der schönsten Straße Wiens, in der soge¬ nannten Jägerzeile, die in gerader Linie nach dem Prater führt, nä¬ hert sich dem Ausbau. Professor Rosner leitet den Bau und hat auch den Plan zu dem Gotteshause entworfen, worin er freilich durch Geldmangel und Raumverhältnisse mannichfach beschränkt war. Was den Geldpunkt betrifft, so wird für diesen Zweck noch fortwährend ge¬ sammelt und namentlich sollen die Bewohner dieser reichen Vorstadt hart gedrängt werden, um die nöthige Summe zusammenzubringen, indem denselben von jedem Gulden ihres Micthbetrages ein Paar Kreuzer zugerechnet werden; anfänglich soll dies unter dem Anschein einer freiwilligen Beisteuer geschehen, später aber in eine förmliche Last verwandelt worden sein, der man sich blos durch Verlassung jenes Stadttheils entziehen kann. Wenn die Aussage begründet ist, so ent¬ hält sie Willkür, selbst für die katholischen Einwohner der er¬ ahnden Vorstadt. Was sollen aber erst die zahlreichen Griechen, Ju¬ den und Protestanten zu einer Steuer sagen, die sie einem fremden Cultus bezahlen müssen, der sie von der allgemeinen Seligkeit aus- Die Red. Wozu! 76 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/607>, abgerufen am 01.09.2024.