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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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des Eomponisten zu nahe zu treten, denn nicht Jeder kann Alles, wie
Göthe sagt. Eine bedeutende Schuld des ungünstigen Erfolgs der
Oper, welche den Titel führt: "Ring und Maske", fallt dem Libretto
des Herrn Otto Prechtlcr zur Last, ver die Terrerzeugung auf Bestel¬
lung und ganz handwerksmäßig betreibt; und ein hiesiges Journal sagt
ganz richtig von seiner romantisch-komischen Oper, an ihr sei Nichts
komisch, als daß sie eben komisch sein will. Die Partitur wurde in¬
deß schon vor der Aufführung von der Kunsthandlung Diabelli um
zweitausend Gulden C.-M. angekauft.

Da ich schon einmal von dem Opcrntheater rede, so muß ich
wohl auch der neuen Sängerin erwähnen, welche die durch den Ab¬
gang der Demoiselle Lutzer entstandene Lücke auszufüllen bestimmt ist.
Sie heißt Fräulein von Marra und ist die Tochter eines Beamten in
Linz, widmete sich frühzeitig dem Gesang, in dem sie von dem geist¬
reich jeanpaulisirenden Kunstkritiker der Wiener Aeitschrift, Herrn
Kurt, unterrichtet wurde, und in der letzten Zeit fürstlich Schwarz-
burg-Sondershausen'sche Kammersängerin war. Als solche betrat sie
unter hohem Schutz die Bretter in Wien, wo sie außerordentlich ge¬
fällt und bald, jetzt zählt sie dreiundzwanzig Jahre, die im Ehckäsig
zu Stuttgart ausruhende Lutzer vergessen machen wird. Sie hat ita¬
lienische Gcsangschule, vortreffliches Organ, wenig Spiel und was die
äußere Erscheinung betrifft, so besitz: sie mindestens eine hübsche Fi¬
gur, was auf der Bühne ausreicht. Die Direction hat die jugendliche
Künstlerin bereits engagirt, und diese erhält im ersten Jahre jeden Mo¬
nat dreihundert Gulden.

Der Feldzeugmeister, Baron Wimpfen, ein Waffengefährte des
Erzherzogs Karl und beständig im Gencralquartierstab der Armee in
den Kriegen von ^8l>5 und 1,809. ist zum Feldmarschall befördert,
womit er zugleich seines Wirkungskreises als commandirender General
von Niederöstecreich enthoben und mit der Stelle als Eapitän der
deutschen Garde betraut wurde. Seinen bisherigen Posten nimmt, dem
sichersten Vernehmennach, der jetzt als commandirender General von Mäh¬
ren und Schlesien fungircnde Erzherzog Albrecht, Sohn Sr. kaiserlich
königlichen Hoheit des greisen Erzherzogs Karl, ein, der bekanntlich im
verflossenen Frühling die baierische Prinzessin Hildegarde gefreit hat,
der es in dem stillen Mähren kaum gefallen dürfte. Ueberdem erschien
es zweckmäßig, durch Vereinigung der beiden Hofhaltungen unnöthigen
Aufwand zu vermeiden, der zwar nicht dem Vermögen, wohl aber
den Einkünften der Familie schädlich sein konnte. Bekanntlich besitzt
der Erzherzog Karl als der Haupterbe des Herzogs Albrecht . .
schen ein ungeheueres Vermögen, allein die Verwaltung seiner Guter
ist noch auf jenen großmüthigen Fuß organisirt, der vor fünfzig wah¬
ren voll der Würde eines Prinzen unzertrennlich war. Seither hat
sich aber gar Vieles verändert und selbst die hohe Aristokratie fängt


des Eomponisten zu nahe zu treten, denn nicht Jeder kann Alles, wie
Göthe sagt. Eine bedeutende Schuld des ungünstigen Erfolgs der
Oper, welche den Titel führt: „Ring und Maske", fallt dem Libretto
des Herrn Otto Prechtlcr zur Last, ver die Terrerzeugung auf Bestel¬
lung und ganz handwerksmäßig betreibt; und ein hiesiges Journal sagt
ganz richtig von seiner romantisch-komischen Oper, an ihr sei Nichts
komisch, als daß sie eben komisch sein will. Die Partitur wurde in¬
deß schon vor der Aufführung von der Kunsthandlung Diabelli um
zweitausend Gulden C.-M. angekauft.

Da ich schon einmal von dem Opcrntheater rede, so muß ich
wohl auch der neuen Sängerin erwähnen, welche die durch den Ab¬
gang der Demoiselle Lutzer entstandene Lücke auszufüllen bestimmt ist.
Sie heißt Fräulein von Marra und ist die Tochter eines Beamten in
Linz, widmete sich frühzeitig dem Gesang, in dem sie von dem geist¬
reich jeanpaulisirenden Kunstkritiker der Wiener Aeitschrift, Herrn
Kurt, unterrichtet wurde, und in der letzten Zeit fürstlich Schwarz-
burg-Sondershausen'sche Kammersängerin war. Als solche betrat sie
unter hohem Schutz die Bretter in Wien, wo sie außerordentlich ge¬
fällt und bald, jetzt zählt sie dreiundzwanzig Jahre, die im Ehckäsig
zu Stuttgart ausruhende Lutzer vergessen machen wird. Sie hat ita¬
lienische Gcsangschule, vortreffliches Organ, wenig Spiel und was die
äußere Erscheinung betrifft, so besitz: sie mindestens eine hübsche Fi¬
gur, was auf der Bühne ausreicht. Die Direction hat die jugendliche
Künstlerin bereits engagirt, und diese erhält im ersten Jahre jeden Mo¬
nat dreihundert Gulden.

Der Feldzeugmeister, Baron Wimpfen, ein Waffengefährte des
Erzherzogs Karl und beständig im Gencralquartierstab der Armee in
den Kriegen von ^8l>5 und 1,809. ist zum Feldmarschall befördert,
womit er zugleich seines Wirkungskreises als commandirender General
von Niederöstecreich enthoben und mit der Stelle als Eapitän der
deutschen Garde betraut wurde. Seinen bisherigen Posten nimmt, dem
sichersten Vernehmennach, der jetzt als commandirender General von Mäh¬
ren und Schlesien fungircnde Erzherzog Albrecht, Sohn Sr. kaiserlich
königlichen Hoheit des greisen Erzherzogs Karl, ein, der bekanntlich im
verflossenen Frühling die baierische Prinzessin Hildegarde gefreit hat,
der es in dem stillen Mähren kaum gefallen dürfte. Ueberdem erschien
es zweckmäßig, durch Vereinigung der beiden Hofhaltungen unnöthigen
Aufwand zu vermeiden, der zwar nicht dem Vermögen, wohl aber
den Einkünften der Familie schädlich sein konnte. Bekanntlich besitzt
der Erzherzog Karl als der Haupterbe des Herzogs Albrecht . .
schen ein ungeheueres Vermögen, allein die Verwaltung seiner Guter
ist noch auf jenen großmüthigen Fuß organisirt, der vor fünfzig wah¬
ren voll der Würde eines Prinzen unzertrennlich war. Seither hat
sich aber gar Vieles verändert und selbst die hohe Aristokratie fängt


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[0606] des Eomponisten zu nahe zu treten, denn nicht Jeder kann Alles, wie Göthe sagt. Eine bedeutende Schuld des ungünstigen Erfolgs der Oper, welche den Titel führt: „Ring und Maske", fallt dem Libretto des Herrn Otto Prechtlcr zur Last, ver die Terrerzeugung auf Bestel¬ lung und ganz handwerksmäßig betreibt; und ein hiesiges Journal sagt ganz richtig von seiner romantisch-komischen Oper, an ihr sei Nichts komisch, als daß sie eben komisch sein will. Die Partitur wurde in¬ deß schon vor der Aufführung von der Kunsthandlung Diabelli um zweitausend Gulden C.-M. angekauft. Da ich schon einmal von dem Opcrntheater rede, so muß ich wohl auch der neuen Sängerin erwähnen, welche die durch den Ab¬ gang der Demoiselle Lutzer entstandene Lücke auszufüllen bestimmt ist. Sie heißt Fräulein von Marra und ist die Tochter eines Beamten in Linz, widmete sich frühzeitig dem Gesang, in dem sie von dem geist¬ reich jeanpaulisirenden Kunstkritiker der Wiener Aeitschrift, Herrn Kurt, unterrichtet wurde, und in der letzten Zeit fürstlich Schwarz- burg-Sondershausen'sche Kammersängerin war. Als solche betrat sie unter hohem Schutz die Bretter in Wien, wo sie außerordentlich ge¬ fällt und bald, jetzt zählt sie dreiundzwanzig Jahre, die im Ehckäsig zu Stuttgart ausruhende Lutzer vergessen machen wird. Sie hat ita¬ lienische Gcsangschule, vortreffliches Organ, wenig Spiel und was die äußere Erscheinung betrifft, so besitz: sie mindestens eine hübsche Fi¬ gur, was auf der Bühne ausreicht. Die Direction hat die jugendliche Künstlerin bereits engagirt, und diese erhält im ersten Jahre jeden Mo¬ nat dreihundert Gulden. Der Feldzeugmeister, Baron Wimpfen, ein Waffengefährte des Erzherzogs Karl und beständig im Gencralquartierstab der Armee in den Kriegen von ^8l>5 und 1,809. ist zum Feldmarschall befördert, womit er zugleich seines Wirkungskreises als commandirender General von Niederöstecreich enthoben und mit der Stelle als Eapitän der deutschen Garde betraut wurde. Seinen bisherigen Posten nimmt, dem sichersten Vernehmennach, der jetzt als commandirender General von Mäh¬ ren und Schlesien fungircnde Erzherzog Albrecht, Sohn Sr. kaiserlich königlichen Hoheit des greisen Erzherzogs Karl, ein, der bekanntlich im verflossenen Frühling die baierische Prinzessin Hildegarde gefreit hat, der es in dem stillen Mähren kaum gefallen dürfte. Ueberdem erschien es zweckmäßig, durch Vereinigung der beiden Hofhaltungen unnöthigen Aufwand zu vermeiden, der zwar nicht dem Vermögen, wohl aber den Einkünften der Familie schädlich sein konnte. Bekanntlich besitzt der Erzherzog Karl als der Haupterbe des Herzogs Albrecht . . schen ein ungeheueres Vermögen, allein die Verwaltung seiner Guter ist noch auf jenen großmüthigen Fuß organisirt, der vor fünfzig wah¬ ren voll der Würde eines Prinzen unzertrennlich war. Seither hat sich aber gar Vieles verändert und selbst die hohe Aristokratie fängt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/606>, abgerufen am 01.09.2024.