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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Sie hatten alle Rechte über "ihre Unterthanen" verloren und mußten
zu den Communallasten beitragen. Die Gemeindebeamten wurden
vom Staate, also nicht vom Gutsherrn ernannt. Der Bauer erkannte
keinen andern Herrn über sich als den König. Dieser Ueberrest
französischer Einrichtungen wurde im Jahre 1834 aufgehoben, deut¬
sche Einrichtungen wurden eingeführt, indem Domänen und Ritter¬
güter wieder aus dem Communalverbcmde traten und von den Com¬
munallasten befreit wurden. Zugleich wurde den Gerichtsherrn die
Polizeiverwaltung und die Ernennung der Ortsvorsteher wieder über¬
tragen. So wurden die Bauern, die seit fünfundzwanzig Jahren
vergessen, was ein Erb-Gerichts- und Polizeihcrr eigentlich bedeute,
wieder mit der ständischen Gliederung mehr vertraut und mit deut¬
schem Wesen bekannt, was um so nothwendiger zur Belebung des
Patriotismus und deutscher Nationalität, da die Bauern an der fran¬
zösischen Einrichtung, wornach der Gutsherr ihnen gleichgestellt,
mit ihnen gleiche Lasten tragen mußte, großen Gefallen sanden.
So wurde, nachdem die Selbstsucht und Einfalt des städtischen Spieß -
bürgerthums durch die Städteordnung befriedigt, schon 1833 in aller
Stille und ohne Geräusch ausgeführt, was der Adel in Braunschweig
gegenwärtig bei Abfassung einer neuen Landgemeindeordnung erstrebt.
Was so viel Aufsehen erregt, so viel Widerspruch findet, so viel
Federn in Bewegung setzt, das wurde bei der Spaltung der Stände¬
interessen in Preußen ausgeführt, ohne Widerspruch Seitens der städ¬
tischen Intelligenz.

Nun besteht in diesen Landestheilen nur noch eine französische
Einrichtung, die allgemeine Grundsteuer. Diesen letzten Nest franzö¬
sischer Einrichtungen wünschen die Privilegirten als gute Patrioten
ebenfalls aufgehoben und Rückkehr früherer deutscher Steuerbefrei¬
ungen.




Grcnzbote" I8i4. "I.73

Sie hatten alle Rechte über „ihre Unterthanen" verloren und mußten
zu den Communallasten beitragen. Die Gemeindebeamten wurden
vom Staate, also nicht vom Gutsherrn ernannt. Der Bauer erkannte
keinen andern Herrn über sich als den König. Dieser Ueberrest
französischer Einrichtungen wurde im Jahre 1834 aufgehoben, deut¬
sche Einrichtungen wurden eingeführt, indem Domänen und Ritter¬
güter wieder aus dem Communalverbcmde traten und von den Com¬
munallasten befreit wurden. Zugleich wurde den Gerichtsherrn die
Polizeiverwaltung und die Ernennung der Ortsvorsteher wieder über¬
tragen. So wurden die Bauern, die seit fünfundzwanzig Jahren
vergessen, was ein Erb-Gerichts- und Polizeihcrr eigentlich bedeute,
wieder mit der ständischen Gliederung mehr vertraut und mit deut¬
schem Wesen bekannt, was um so nothwendiger zur Belebung des
Patriotismus und deutscher Nationalität, da die Bauern an der fran¬
zösischen Einrichtung, wornach der Gutsherr ihnen gleichgestellt,
mit ihnen gleiche Lasten tragen mußte, großen Gefallen sanden.
So wurde, nachdem die Selbstsucht und Einfalt des städtischen Spieß -
bürgerthums durch die Städteordnung befriedigt, schon 1833 in aller
Stille und ohne Geräusch ausgeführt, was der Adel in Braunschweig
gegenwärtig bei Abfassung einer neuen Landgemeindeordnung erstrebt.
Was so viel Aufsehen erregt, so viel Widerspruch findet, so viel
Federn in Bewegung setzt, das wurde bei der Spaltung der Stände¬
interessen in Preußen ausgeführt, ohne Widerspruch Seitens der städ¬
tischen Intelligenz.

Nun besteht in diesen Landestheilen nur noch eine französische
Einrichtung, die allgemeine Grundsteuer. Diesen letzten Nest franzö¬
sischer Einrichtungen wünschen die Privilegirten als gute Patrioten
ebenfalls aufgehoben und Rückkehr früherer deutscher Steuerbefrei¬
ungen.




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[0581] Sie hatten alle Rechte über „ihre Unterthanen" verloren und mußten zu den Communallasten beitragen. Die Gemeindebeamten wurden vom Staate, also nicht vom Gutsherrn ernannt. Der Bauer erkannte keinen andern Herrn über sich als den König. Dieser Ueberrest französischer Einrichtungen wurde im Jahre 1834 aufgehoben, deut¬ sche Einrichtungen wurden eingeführt, indem Domänen und Ritter¬ güter wieder aus dem Communalverbcmde traten und von den Com¬ munallasten befreit wurden. Zugleich wurde den Gerichtsherrn die Polizeiverwaltung und die Ernennung der Ortsvorsteher wieder über¬ tragen. So wurden die Bauern, die seit fünfundzwanzig Jahren vergessen, was ein Erb-Gerichts- und Polizeihcrr eigentlich bedeute, wieder mit der ständischen Gliederung mehr vertraut und mit deut¬ schem Wesen bekannt, was um so nothwendiger zur Belebung des Patriotismus und deutscher Nationalität, da die Bauern an der fran¬ zösischen Einrichtung, wornach der Gutsherr ihnen gleichgestellt, mit ihnen gleiche Lasten tragen mußte, großen Gefallen sanden. So wurde, nachdem die Selbstsucht und Einfalt des städtischen Spieß - bürgerthums durch die Städteordnung befriedigt, schon 1833 in aller Stille und ohne Geräusch ausgeführt, was der Adel in Braunschweig gegenwärtig bei Abfassung einer neuen Landgemeindeordnung erstrebt. Was so viel Aufsehen erregt, so viel Widerspruch findet, so viel Federn in Bewegung setzt, das wurde bei der Spaltung der Stände¬ interessen in Preußen ausgeführt, ohne Widerspruch Seitens der städ¬ tischen Intelligenz. Nun besteht in diesen Landestheilen nur noch eine französische Einrichtung, die allgemeine Grundsteuer. Diesen letzten Nest franzö¬ sischer Einrichtungen wünschen die Privilegirten als gute Patrioten ebenfalls aufgehoben und Rückkehr früherer deutscher Steuerbefrei¬ ungen. Grcnzbote» I8i4. »I.73

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/581>, abgerufen am 27.07.2024.