Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

verbunden, sich mittelst Handschlags dazu ausdrücklich zu ver¬
pflichten." Ferner werden die Dorfgemeinden ermahnt, "niemals
die Ehrerbietung und den Gehorsam, welchen jeder Unterge¬
bene seinem Vorgesetzten zu bezeigen schuldig ist, aus den Augen zu
setzen, wenn sie sich Sr. Majestät Gnade würdig machen wollen."
Im Königreich Westphalen war durch die Constitution die gleiche
Berechtigung aller Staatsbürger ausgesprochen und als Recht aner¬
kannt, wahrend in Preußen die Dorfgemeinden durch Gehorsam
sich der Gnade würdig machen sollten..

Der Aufruf des Königs im Jahre 1813 wurde auch in der
Altmark und im Magdeburgischen gehört. Schaarenweise eilten rü¬
stige Jünglinge und besonnene Männer über die Elbe zu den preußi¬
schen Fahnen. "Ueber die Elbe gehen" hieß damals zu den Preu¬
ßen übertreten. . Namentlich ging Alles über die Elbe, was in West>
phalen Soldat werden sollte, -- bei Nacht, auf Schleichwegen, Hin¬
dernisse überwindend, Gefahren trotzend, -- um jenseits in der preu¬
ßischen Uniform der preußischen Trommel zu folgen.

Kaum aber war die Freiheit und Selbständigkeit nach heißen
Kämpfen wiedergewonnen, kaum waren die alten Provinzen rin der
Monarchie wieder vereinigt, da geschah, was scharfblickende vorher
verkündet, aber der große Haufe bezweifelt. Der präcise, bündige,
klare coelo Aiipolkon, -- dies treffliche Gesetzbuch, das Product der
gesunden Vernunft seiner Zeit, das keinen Apel, keinen Vorrang eines
Guts vor dem andern, überhaupt keine Privilegien und Vorrechte
kennt, das von dem Grundsätze ausgeht, der Staat hat keine Reli¬
gion, -- wurde als unpassend außer Kraft gesetzt; das öffentliche
und mündliche Verfahren wurde aufgehoben. Die wiedererobertcn
altpreußischen Provinzen wurden dagegen mit dem unklaren, kasuisti¬
schen, weitschweifigen, veralteten Landrecht, mit der allgemeinen Ge¬
richtsordnung, mit einem erimirten Gerichtsstand und mit Patrimo-
nialgerichten wieder beglückt. Das "französische Wesen" passe nicht
zur deutschen Sitte, hieß es, wiewohl große Rechtsgelehrte, wie Mit-
termaier, Graupp u. a. behaupten, der co6e ^"poleo" enthalte mehr
deutsches Recht als das Allgemeine Landrecht. Deshalb, sagt Mittermaier,
habe der nodo A:"in,teor so großen Anklang in Deutschland gefunden,
wo man mit ihm bekannt geworden, weil die bei der Abfassung des-


verbunden, sich mittelst Handschlags dazu ausdrücklich zu ver¬
pflichten." Ferner werden die Dorfgemeinden ermahnt, „niemals
die Ehrerbietung und den Gehorsam, welchen jeder Unterge¬
bene seinem Vorgesetzten zu bezeigen schuldig ist, aus den Augen zu
setzen, wenn sie sich Sr. Majestät Gnade würdig machen wollen."
Im Königreich Westphalen war durch die Constitution die gleiche
Berechtigung aller Staatsbürger ausgesprochen und als Recht aner¬
kannt, wahrend in Preußen die Dorfgemeinden durch Gehorsam
sich der Gnade würdig machen sollten..

Der Aufruf des Königs im Jahre 1813 wurde auch in der
Altmark und im Magdeburgischen gehört. Schaarenweise eilten rü¬
stige Jünglinge und besonnene Männer über die Elbe zu den preußi¬
schen Fahnen. „Ueber die Elbe gehen" hieß damals zu den Preu¬
ßen übertreten. . Namentlich ging Alles über die Elbe, was in West>
phalen Soldat werden sollte, — bei Nacht, auf Schleichwegen, Hin¬
dernisse überwindend, Gefahren trotzend, — um jenseits in der preu¬
ßischen Uniform der preußischen Trommel zu folgen.

Kaum aber war die Freiheit und Selbständigkeit nach heißen
Kämpfen wiedergewonnen, kaum waren die alten Provinzen rin der
Monarchie wieder vereinigt, da geschah, was scharfblickende vorher
verkündet, aber der große Haufe bezweifelt. Der präcise, bündige,
klare coelo Aiipolkon, — dies treffliche Gesetzbuch, das Product der
gesunden Vernunft seiner Zeit, das keinen Apel, keinen Vorrang eines
Guts vor dem andern, überhaupt keine Privilegien und Vorrechte
kennt, das von dem Grundsätze ausgeht, der Staat hat keine Reli¬
gion, — wurde als unpassend außer Kraft gesetzt; das öffentliche
und mündliche Verfahren wurde aufgehoben. Die wiedererobertcn
altpreußischen Provinzen wurden dagegen mit dem unklaren, kasuisti¬
schen, weitschweifigen, veralteten Landrecht, mit der allgemeinen Ge¬
richtsordnung, mit einem erimirten Gerichtsstand und mit Patrimo-
nialgerichten wieder beglückt. Das „französische Wesen" passe nicht
zur deutschen Sitte, hieß es, wiewohl große Rechtsgelehrte, wie Mit-
termaier, Graupp u. a. behaupten, der co6e ^»poleo» enthalte mehr
deutsches Recht als das Allgemeine Landrecht. Deshalb, sagt Mittermaier,
habe der nodo A:»in,teor so großen Anklang in Deutschland gefunden,
wo man mit ihm bekannt geworden, weil die bei der Abfassung des-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181762"/>
            <p xml:id="ID_1654" prev="#ID_1653"> verbunden, sich mittelst Handschlags dazu ausdrücklich zu ver¬<lb/>
pflichten." Ferner werden die Dorfgemeinden ermahnt, &#x201E;niemals<lb/>
die Ehrerbietung und den Gehorsam, welchen jeder Unterge¬<lb/>
bene seinem Vorgesetzten zu bezeigen schuldig ist, aus den Augen zu<lb/>
setzen, wenn sie sich Sr. Majestät Gnade würdig machen wollen."<lb/>
Im Königreich Westphalen war durch die Constitution die gleiche<lb/>
Berechtigung aller Staatsbürger ausgesprochen und als Recht aner¬<lb/>
kannt, wahrend in Preußen die Dorfgemeinden durch Gehorsam<lb/>
sich der Gnade würdig machen sollten..</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1655"> Der Aufruf des Königs im Jahre 1813 wurde auch in der<lb/>
Altmark und im Magdeburgischen gehört. Schaarenweise eilten rü¬<lb/>
stige Jünglinge und besonnene Männer über die Elbe zu den preußi¬<lb/>
schen Fahnen. &#x201E;Ueber die Elbe gehen" hieß damals zu den Preu¬<lb/>
ßen übertreten. . Namentlich ging Alles über die Elbe, was in West&gt;<lb/>
phalen Soldat werden sollte, &#x2014; bei Nacht, auf Schleichwegen, Hin¬<lb/>
dernisse überwindend, Gefahren trotzend, &#x2014; um jenseits in der preu¬<lb/>
ßischen Uniform der preußischen Trommel zu folgen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1656" next="#ID_1657"> Kaum aber war die Freiheit und Selbständigkeit nach heißen<lb/>
Kämpfen wiedergewonnen, kaum waren die alten Provinzen rin der<lb/>
Monarchie wieder vereinigt, da geschah, was scharfblickende vorher<lb/>
verkündet, aber der große Haufe bezweifelt. Der präcise, bündige,<lb/>
klare coelo Aiipolkon, &#x2014; dies treffliche Gesetzbuch, das Product der<lb/>
gesunden Vernunft seiner Zeit, das keinen Apel, keinen Vorrang eines<lb/>
Guts vor dem andern, überhaupt keine Privilegien und Vorrechte<lb/>
kennt, das von dem Grundsätze ausgeht, der Staat hat keine Reli¬<lb/>
gion, &#x2014; wurde als unpassend außer Kraft gesetzt; das öffentliche<lb/>
und mündliche Verfahren wurde aufgehoben. Die wiedererobertcn<lb/>
altpreußischen Provinzen wurden dagegen mit dem unklaren, kasuisti¬<lb/>
schen, weitschweifigen, veralteten Landrecht, mit der allgemeinen Ge¬<lb/>
richtsordnung, mit einem erimirten Gerichtsstand und mit Patrimo-<lb/>
nialgerichten wieder beglückt. Das &#x201E;französische Wesen" passe nicht<lb/>
zur deutschen Sitte, hieß es, wiewohl große Rechtsgelehrte, wie Mit-<lb/>
termaier, Graupp u. a. behaupten, der co6e ^»poleo» enthalte mehr<lb/>
deutsches Recht als das Allgemeine Landrecht. Deshalb, sagt Mittermaier,<lb/>
habe der nodo A:»in,teor so großen Anklang in Deutschland gefunden,<lb/>
wo man mit ihm bekannt geworden, weil die bei der Abfassung des-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0578] verbunden, sich mittelst Handschlags dazu ausdrücklich zu ver¬ pflichten." Ferner werden die Dorfgemeinden ermahnt, „niemals die Ehrerbietung und den Gehorsam, welchen jeder Unterge¬ bene seinem Vorgesetzten zu bezeigen schuldig ist, aus den Augen zu setzen, wenn sie sich Sr. Majestät Gnade würdig machen wollen." Im Königreich Westphalen war durch die Constitution die gleiche Berechtigung aller Staatsbürger ausgesprochen und als Recht aner¬ kannt, wahrend in Preußen die Dorfgemeinden durch Gehorsam sich der Gnade würdig machen sollten.. Der Aufruf des Königs im Jahre 1813 wurde auch in der Altmark und im Magdeburgischen gehört. Schaarenweise eilten rü¬ stige Jünglinge und besonnene Männer über die Elbe zu den preußi¬ schen Fahnen. „Ueber die Elbe gehen" hieß damals zu den Preu¬ ßen übertreten. . Namentlich ging Alles über die Elbe, was in West> phalen Soldat werden sollte, — bei Nacht, auf Schleichwegen, Hin¬ dernisse überwindend, Gefahren trotzend, — um jenseits in der preu¬ ßischen Uniform der preußischen Trommel zu folgen. Kaum aber war die Freiheit und Selbständigkeit nach heißen Kämpfen wiedergewonnen, kaum waren die alten Provinzen rin der Monarchie wieder vereinigt, da geschah, was scharfblickende vorher verkündet, aber der große Haufe bezweifelt. Der präcise, bündige, klare coelo Aiipolkon, — dies treffliche Gesetzbuch, das Product der gesunden Vernunft seiner Zeit, das keinen Apel, keinen Vorrang eines Guts vor dem andern, überhaupt keine Privilegien und Vorrechte kennt, das von dem Grundsätze ausgeht, der Staat hat keine Reli¬ gion, — wurde als unpassend außer Kraft gesetzt; das öffentliche und mündliche Verfahren wurde aufgehoben. Die wiedererobertcn altpreußischen Provinzen wurden dagegen mit dem unklaren, kasuisti¬ schen, weitschweifigen, veralteten Landrecht, mit der allgemeinen Ge¬ richtsordnung, mit einem erimirten Gerichtsstand und mit Patrimo- nialgerichten wieder beglückt. Das „französische Wesen" passe nicht zur deutschen Sitte, hieß es, wiewohl große Rechtsgelehrte, wie Mit- termaier, Graupp u. a. behaupten, der co6e ^»poleo» enthalte mehr deutsches Recht als das Allgemeine Landrecht. Deshalb, sagt Mittermaier, habe der nodo A:»in,teor so großen Anklang in Deutschland gefunden, wo man mit ihm bekannt geworden, weil die bei der Abfassung des-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/578
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/578>, abgerufen am 28.07.2024.