Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.denen die Waffen erhob, während einzelne kühne Gesellen aus dem Preußen reorganisirte sich, um die Volkskraft zu heben, "um nicht denen die Waffen erhob, während einzelne kühne Gesellen aus dem Preußen reorganisirte sich, um die Volkskraft zu heben, „um nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0577" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181761"/> <p xml:id="ID_1652" prev="#ID_1651"> denen die Waffen erhob, während einzelne kühne Gesellen aus dem<lb/> Volke, die als Rebellen mit den Waffen in der Hand ergriffen wa¬<lb/> ren, erschossen wurden, buhlte der größte Theil des begüterten, grund-<lb/> besitzenden Adels im damaligen Königreich Westphalen um die Gunst<lb/> der neuen Herrscher. Ein Theil dieses Adels, der in stolzer Unab¬<lb/> hängigkeit aus seinen Gütern leben konnte, verschmähte es nicht, im<lb/> neugeschaffenen Königreiche nach Amt, Ehren und Würden zu jagen,<lb/> westphälische Kammerherrnschlüssel zu suchen, mit dem Orden der<lb/> westphälischen Krone sich zu schmückn, ja dem alten Geschlechte die<lb/> junge Würde eines .,westphälischen NeichsbaronS" anzuhängen. Die<lb/> spätere Erhebung des Volks, die Helden und Großthaten, die es mit<lb/> eiserner Faust und mit blutigem Griffel auf den Schlachtfeldern in<lb/> die Jahrbücher der Geschichte einschrieb, bewirkten bei diesen adligen<lb/> Hofschranzen des Königreichs Westphalen ein Wunder. Die Gro߬<lb/> thaten des Volks verwandelten diese Junker in preußische Patrioten<lb/> von bester Sorte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1653" next="#ID_1654"> Preußen reorganisirte sich, um die Volkskraft zu heben, „um nicht<lb/> hinter benachbarten Staaten (hinter Westphalen) zurückzubleiben", wie<lb/> im Eingänge eines Gesetzes ausdrücklich bemerkt ist. Indeß die Pe¬<lb/> riode der glorreichen Gesetzgebung von 1807—1814 war doch nur<lb/> eine teilweise Reform, die dem Junkerthum abgerungen und vom<lb/> Junkerthum sofort wieder in Frage gestellt wurde. In der größten<lb/> Noth, dem Untergang nahe, suchte man in freien Institutionen ein<lb/> Rettungsmittel. Aber das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetze,<lb/> wie es in Westphalen bestand, wurde dabei nicht durchgeführt. Man<lb/> wandte dies und jenes Mittel an, um die erstorbene Volkskraft zu<lb/> beleben, aber das Junkerthum wußte eine entscheidende, gänzlich rege-<lb/> nerirende Nadicalcur zu vereiteln. Durch das Gesetz vom 9. October<lb/> 1807 wurde die Gutsunterthänigteit aufgehoben und bestimmt:<lb/> „mit dem Martinitage 1810 hört alle Gutsunterthänigkeit auf. Nach<lb/> dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute." Aber ehe der Mar¬<lb/> tinitag 1810 in's Land kam, hatte das Junkerthum das „Publican-<lb/> dum, die Auflösung der Erbunterthänigkeit betreffend" vom 8. April<lb/> 1809 erwirkt, wo 8- 10 bestimmt: „Jeder Dorfbewohner ist dem<lb/> Gutsherrn als Inhaber der Civil- und Polizeigerichtsbmkeit pünkt¬<lb/> lichen Gehorsam zu beweisen schuldig und deshalb auch hinführo</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0577]
denen die Waffen erhob, während einzelne kühne Gesellen aus dem
Volke, die als Rebellen mit den Waffen in der Hand ergriffen wa¬
ren, erschossen wurden, buhlte der größte Theil des begüterten, grund-
besitzenden Adels im damaligen Königreich Westphalen um die Gunst
der neuen Herrscher. Ein Theil dieses Adels, der in stolzer Unab¬
hängigkeit aus seinen Gütern leben konnte, verschmähte es nicht, im
neugeschaffenen Königreiche nach Amt, Ehren und Würden zu jagen,
westphälische Kammerherrnschlüssel zu suchen, mit dem Orden der
westphälischen Krone sich zu schmückn, ja dem alten Geschlechte die
junge Würde eines .,westphälischen NeichsbaronS" anzuhängen. Die
spätere Erhebung des Volks, die Helden und Großthaten, die es mit
eiserner Faust und mit blutigem Griffel auf den Schlachtfeldern in
die Jahrbücher der Geschichte einschrieb, bewirkten bei diesen adligen
Hofschranzen des Königreichs Westphalen ein Wunder. Die Gro߬
thaten des Volks verwandelten diese Junker in preußische Patrioten
von bester Sorte.
Preußen reorganisirte sich, um die Volkskraft zu heben, „um nicht
hinter benachbarten Staaten (hinter Westphalen) zurückzubleiben", wie
im Eingänge eines Gesetzes ausdrücklich bemerkt ist. Indeß die Pe¬
riode der glorreichen Gesetzgebung von 1807—1814 war doch nur
eine teilweise Reform, die dem Junkerthum abgerungen und vom
Junkerthum sofort wieder in Frage gestellt wurde. In der größten
Noth, dem Untergang nahe, suchte man in freien Institutionen ein
Rettungsmittel. Aber das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetze,
wie es in Westphalen bestand, wurde dabei nicht durchgeführt. Man
wandte dies und jenes Mittel an, um die erstorbene Volkskraft zu
beleben, aber das Junkerthum wußte eine entscheidende, gänzlich rege-
nerirende Nadicalcur zu vereiteln. Durch das Gesetz vom 9. October
1807 wurde die Gutsunterthänigteit aufgehoben und bestimmt:
„mit dem Martinitage 1810 hört alle Gutsunterthänigkeit auf. Nach
dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute." Aber ehe der Mar¬
tinitag 1810 in's Land kam, hatte das Junkerthum das „Publican-
dum, die Auflösung der Erbunterthänigkeit betreffend" vom 8. April
1809 erwirkt, wo 8- 10 bestimmt: „Jeder Dorfbewohner ist dem
Gutsherrn als Inhaber der Civil- und Polizeigerichtsbmkeit pünkt¬
lichen Gehorsam zu beweisen schuldig und deshalb auch hinführo
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