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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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hen erkannte. Die Grundsteuer wurde mit Aufhebung aller bisheri¬
gen Befreiungen von allen nutzbaren Grundstücken erhoben

Der Altmärker erfreute sich also gleicher Besteuerung, der Gleich.-
heit vor dem Gesetz, einer schnellen Rechtspflege. Alle Altmärker,
Juden und Christen, Adel, Bürger und Bauer, waren Gleichberech¬
tigte geworden. So ungewohnt auch das Neue war, so wurde doch
das Gute freudig erkannt. Der Patrimonial- und Feudalstaat war
gestürzt, das Kastenwesen war vernichtet, das Mittelalter, alle Vor¬
rechte waren aufgehoben. Es gab in der Altmark nur gleich be-
rechtigte Staatsbürger ohne Rücksicht auf Religion, Geburt, Wohn¬
ort, Stand und Beschäftigung. Nichts ist mehr geeignet, Stolz und
Hoheit des Lebens, das Gefühl innerer Menschenwürde zu erzeugen,
als die Gleichheit des Rechts, die gleiche Berechtigung Aller, wo bis¬
her die Ungleichheit, Privilegien und Vorrechte aller Art herrschten.
Die herrschende, die bevorrechtete Kaste, der Adel, war gestürzt. Je¬
dermann mußt.- zu den Dorf- und Gemeindelasten, wie zu den Staats¬
bedürfnissen, nach seiner Steuerfähigkeit steuern. Daß der Edelmann,
daß Jedermann vor dem nächsten Friedensrichter zu Neckt stehen
mußte, das erhob den Bauer zum Edelmann. Er fühlte sich ein
Herr, ein freier Mann. Der Versuch des durch verabschiedete preu¬
ßische Offiziere repräsentirten Junkerthums im Jahre 1809, in der
Altmark einen Aufstand zu erregen, fand daher nur geringen Anklang.
Schill erschien; man jauchzte ihm zu, aber das Volk erhob sich nicht.
Das muß anerkannt werden, daß jenen Männern, die es verschmäh¬
ten, in westphälische Kriegsdienste zu treten, der Tod mit den Waffen
in der Hand willkommener war, als ein Leben ohne Ehre. Sie wollten
einen Kampf auf Leben und Tod, um die verlorene Ehre einzulösen.
Auch in einzelnen Frauen glühte jener Franzosenhaß, jene hohe Va¬
terlandsliebe. Aber es war unmöglich, das Volk gegen die Fremden,
die ihm als Befreier erschienen, in Waffen zu bringen. Als der
Aufstand, den sie selbst angeregt, zu dem sie in glühender Rede auf¬
gefordert, mißlungen, zog die geistreiche Elisa von Bornstedt,
würdig einer großen Zeit, einen freien Tod einem längeren Leben vor.

Der grundbesitzende altmärkische Adel blieb diesen Bewegungen,
um sein Grundeigenthum nicht in Gefahr zu bringen, eben so fremd
wie der Bauer. Während der besitzlose Adel mit ehemaligen Sol-


hen erkannte. Die Grundsteuer wurde mit Aufhebung aller bisheri¬
gen Befreiungen von allen nutzbaren Grundstücken erhoben

Der Altmärker erfreute sich also gleicher Besteuerung, der Gleich.-
heit vor dem Gesetz, einer schnellen Rechtspflege. Alle Altmärker,
Juden und Christen, Adel, Bürger und Bauer, waren Gleichberech¬
tigte geworden. So ungewohnt auch das Neue war, so wurde doch
das Gute freudig erkannt. Der Patrimonial- und Feudalstaat war
gestürzt, das Kastenwesen war vernichtet, das Mittelalter, alle Vor¬
rechte waren aufgehoben. Es gab in der Altmark nur gleich be-
rechtigte Staatsbürger ohne Rücksicht auf Religion, Geburt, Wohn¬
ort, Stand und Beschäftigung. Nichts ist mehr geeignet, Stolz und
Hoheit des Lebens, das Gefühl innerer Menschenwürde zu erzeugen,
als die Gleichheit des Rechts, die gleiche Berechtigung Aller, wo bis¬
her die Ungleichheit, Privilegien und Vorrechte aller Art herrschten.
Die herrschende, die bevorrechtete Kaste, der Adel, war gestürzt. Je¬
dermann mußt.- zu den Dorf- und Gemeindelasten, wie zu den Staats¬
bedürfnissen, nach seiner Steuerfähigkeit steuern. Daß der Edelmann,
daß Jedermann vor dem nächsten Friedensrichter zu Neckt stehen
mußte, das erhob den Bauer zum Edelmann. Er fühlte sich ein
Herr, ein freier Mann. Der Versuch des durch verabschiedete preu¬
ßische Offiziere repräsentirten Junkerthums im Jahre 1809, in der
Altmark einen Aufstand zu erregen, fand daher nur geringen Anklang.
Schill erschien; man jauchzte ihm zu, aber das Volk erhob sich nicht.
Das muß anerkannt werden, daß jenen Männern, die es verschmäh¬
ten, in westphälische Kriegsdienste zu treten, der Tod mit den Waffen
in der Hand willkommener war, als ein Leben ohne Ehre. Sie wollten
einen Kampf auf Leben und Tod, um die verlorene Ehre einzulösen.
Auch in einzelnen Frauen glühte jener Franzosenhaß, jene hohe Va¬
terlandsliebe. Aber es war unmöglich, das Volk gegen die Fremden,
die ihm als Befreier erschienen, in Waffen zu bringen. Als der
Aufstand, den sie selbst angeregt, zu dem sie in glühender Rede auf¬
gefordert, mißlungen, zog die geistreiche Elisa von Bornstedt,
würdig einer großen Zeit, einen freien Tod einem längeren Leben vor.

Der grundbesitzende altmärkische Adel blieb diesen Bewegungen,
um sein Grundeigenthum nicht in Gefahr zu bringen, eben so fremd
wie der Bauer. Während der besitzlose Adel mit ehemaligen Sol-


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[0576] hen erkannte. Die Grundsteuer wurde mit Aufhebung aller bisheri¬ gen Befreiungen von allen nutzbaren Grundstücken erhoben Der Altmärker erfreute sich also gleicher Besteuerung, der Gleich.- heit vor dem Gesetz, einer schnellen Rechtspflege. Alle Altmärker, Juden und Christen, Adel, Bürger und Bauer, waren Gleichberech¬ tigte geworden. So ungewohnt auch das Neue war, so wurde doch das Gute freudig erkannt. Der Patrimonial- und Feudalstaat war gestürzt, das Kastenwesen war vernichtet, das Mittelalter, alle Vor¬ rechte waren aufgehoben. Es gab in der Altmark nur gleich be- rechtigte Staatsbürger ohne Rücksicht auf Religion, Geburt, Wohn¬ ort, Stand und Beschäftigung. Nichts ist mehr geeignet, Stolz und Hoheit des Lebens, das Gefühl innerer Menschenwürde zu erzeugen, als die Gleichheit des Rechts, die gleiche Berechtigung Aller, wo bis¬ her die Ungleichheit, Privilegien und Vorrechte aller Art herrschten. Die herrschende, die bevorrechtete Kaste, der Adel, war gestürzt. Je¬ dermann mußt.- zu den Dorf- und Gemeindelasten, wie zu den Staats¬ bedürfnissen, nach seiner Steuerfähigkeit steuern. Daß der Edelmann, daß Jedermann vor dem nächsten Friedensrichter zu Neckt stehen mußte, das erhob den Bauer zum Edelmann. Er fühlte sich ein Herr, ein freier Mann. Der Versuch des durch verabschiedete preu¬ ßische Offiziere repräsentirten Junkerthums im Jahre 1809, in der Altmark einen Aufstand zu erregen, fand daher nur geringen Anklang. Schill erschien; man jauchzte ihm zu, aber das Volk erhob sich nicht. Das muß anerkannt werden, daß jenen Männern, die es verschmäh¬ ten, in westphälische Kriegsdienste zu treten, der Tod mit den Waffen in der Hand willkommener war, als ein Leben ohne Ehre. Sie wollten einen Kampf auf Leben und Tod, um die verlorene Ehre einzulösen. Auch in einzelnen Frauen glühte jener Franzosenhaß, jene hohe Va¬ terlandsliebe. Aber es war unmöglich, das Volk gegen die Fremden, die ihm als Befreier erschienen, in Waffen zu bringen. Als der Aufstand, den sie selbst angeregt, zu dem sie in glühender Rede auf¬ gefordert, mißlungen, zog die geistreiche Elisa von Bornstedt, würdig einer großen Zeit, einen freien Tod einem längeren Leben vor. Der grundbesitzende altmärkische Adel blieb diesen Bewegungen, um sein Grundeigenthum nicht in Gefahr zu bringen, eben so fremd wie der Bauer. Während der besitzlose Adel mit ehemaligen Sol-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/576>, abgerufen am 28.07.2024.