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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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voter medicinalrathlichen Einraucherung, noch wegen einer bevorstehen¬
den Fuchstaufe, sondern aus Opposition gegen -- die schlechte Presse.
Die Breslauer Zeitung hatte nämlich einen Artikel enthalten, worin
von dieser unschönen und renommistischen Tracht abgerctthen wurde.
Und nun grade! -- sagten sie und demonstrirten auf diese klägliche
Weise. -- Hier ein Beispiel, in welche ergötzliche Eollision die Viel-
regiererei oft mit sich selber kommt. Der Seminarlehrer Scholz in
Breslau hat ein Lesebuch für Elementarschulen geschrieben, darin 'ein
Aufsatz, betitelt: die Städte und die Städteordnung, aus dem Lese¬
buche des Schulraths Otto Schulz in Berlin abgedruckt ist. Scholz
schickt ein Exemplar seines Buches an das Provinzialschulcollegium zur
Prüfung. Dieses nun findet eine Stelle, welche heißt: Friedrich Wil¬
helm III. machte durch die Verleihung der Städteordnung der unwür¬
digen Bevormundung des Volks ein Ende -- in einem Lesebuche sehr
anstößig und gibt dem Herausgeber auf, das Blatt, worauf diese
Worte ständen, durch eim anderes zu ersetzen, widrigen Falls das ganze
Buch verboten werden müßte. An dem Tage, wo Scholz diese Re¬
solution erhält, geht bei dem Director der Anstalt, an der er thätig
ist, eine Empfehlung des Schulrath Otto Schulz'schen Buches ein, aus
dem jener incriminirte Aufsatz entnommen war. Was Schulz also
that, darf Scholz nicht thun! Neuerdings lief die Kunde von ei¬
nem abermaligen Aufstande der Weber durch die deutschen Zeitungen.
Den Grund zu diesem Gerüchte hatte ein Generalmarsch für die
Schweidnitzer Garnison gegeben. Man sieht daraus, daß die allge¬
meine Meinung an das Vorhandensein von Motiven zu einer solchen
Tragödie glaubt. Wie es scheint, täuscht sie sich auch nicht. Zu
tausend Malen war es in den Zeitungen zu lesen, daß die Weber zur
Aufbringung der Untersuchungskosten angehalten werden sollten, ohne
daß auch nur eine Stimme dieses Gerücht berichtigt hätte. Da man
sonst doch jede Lapalie, die etwas von der Wahrheit abweicht, wider¬
legt, so muß man es für gegründet halten. Und wenn das ist, so
ist auch der Tumult da. Dunker müßte doch mit seinem Jnquisitions-
latente schon längst hinter die baare Noth dieser Leute gekommen sein,
die in der That so erschrecklich groß ist, daß sie kaum ihre Blöße be¬
decken, geschweige denn so und so viele Thaler Kosten bezahlen kön¬
nen. Es scheint aber, als wenn der Herr Polizeidirector sich um
alles Andere mehr, als um die Hauptsache bekümmert hätte. Man
spricht z. B., er wäre eifrig bemüht gewesen, den Ursprung des be¬
kannten Weberliedes zu entdecken. Bis zu einem Baume, an den
das Gedicht angeheftet gewesen, wäre er auch bereits gekommen. Wahr¬
scheinlich wird der Baum nun inquisitorisch vernommen werden, und
noch wahrscheinlicher läugnet derselbe jede Mitwissenschaft durch ein
bedeutendes Schütteln des Wipfels ab. -- Merkwürdig benimmt sich
unsere Censur in Sachen der Weber. Neulich brachte der "Sprecher


voter medicinalrathlichen Einraucherung, noch wegen einer bevorstehen¬
den Fuchstaufe, sondern aus Opposition gegen — die schlechte Presse.
Die Breslauer Zeitung hatte nämlich einen Artikel enthalten, worin
von dieser unschönen und renommistischen Tracht abgerctthen wurde.
Und nun grade! — sagten sie und demonstrirten auf diese klägliche
Weise. — Hier ein Beispiel, in welche ergötzliche Eollision die Viel-
regiererei oft mit sich selber kommt. Der Seminarlehrer Scholz in
Breslau hat ein Lesebuch für Elementarschulen geschrieben, darin 'ein
Aufsatz, betitelt: die Städte und die Städteordnung, aus dem Lese¬
buche des Schulraths Otto Schulz in Berlin abgedruckt ist. Scholz
schickt ein Exemplar seines Buches an das Provinzialschulcollegium zur
Prüfung. Dieses nun findet eine Stelle, welche heißt: Friedrich Wil¬
helm III. machte durch die Verleihung der Städteordnung der unwür¬
digen Bevormundung des Volks ein Ende — in einem Lesebuche sehr
anstößig und gibt dem Herausgeber auf, das Blatt, worauf diese
Worte ständen, durch eim anderes zu ersetzen, widrigen Falls das ganze
Buch verboten werden müßte. An dem Tage, wo Scholz diese Re¬
solution erhält, geht bei dem Director der Anstalt, an der er thätig
ist, eine Empfehlung des Schulrath Otto Schulz'schen Buches ein, aus
dem jener incriminirte Aufsatz entnommen war. Was Schulz also
that, darf Scholz nicht thun! Neuerdings lief die Kunde von ei¬
nem abermaligen Aufstande der Weber durch die deutschen Zeitungen.
Den Grund zu diesem Gerüchte hatte ein Generalmarsch für die
Schweidnitzer Garnison gegeben. Man sieht daraus, daß die allge¬
meine Meinung an das Vorhandensein von Motiven zu einer solchen
Tragödie glaubt. Wie es scheint, täuscht sie sich auch nicht. Zu
tausend Malen war es in den Zeitungen zu lesen, daß die Weber zur
Aufbringung der Untersuchungskosten angehalten werden sollten, ohne
daß auch nur eine Stimme dieses Gerücht berichtigt hätte. Da man
sonst doch jede Lapalie, die etwas von der Wahrheit abweicht, wider¬
legt, so muß man es für gegründet halten. Und wenn das ist, so
ist auch der Tumult da. Dunker müßte doch mit seinem Jnquisitions-
latente schon längst hinter die baare Noth dieser Leute gekommen sein,
die in der That so erschrecklich groß ist, daß sie kaum ihre Blöße be¬
decken, geschweige denn so und so viele Thaler Kosten bezahlen kön¬
nen. Es scheint aber, als wenn der Herr Polizeidirector sich um
alles Andere mehr, als um die Hauptsache bekümmert hätte. Man
spricht z. B., er wäre eifrig bemüht gewesen, den Ursprung des be¬
kannten Weberliedes zu entdecken. Bis zu einem Baume, an den
das Gedicht angeheftet gewesen, wäre er auch bereits gekommen. Wahr¬
scheinlich wird der Baum nun inquisitorisch vernommen werden, und
noch wahrscheinlicher läugnet derselbe jede Mitwissenschaft durch ein
bedeutendes Schütteln des Wipfels ab. — Merkwürdig benimmt sich
unsere Censur in Sachen der Weber. Neulich brachte der „Sprecher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/568>, abgerufen am 27.07.2024.