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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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großen Gewinnsucht einiger Besitzer jener Grundstücke zu danken, die
für den Bahnhof auf Staatskosten angekauft werden sollen. -- Diese
Herren, darunter insbesondere ein Herr Baron, haben sich in Betreff
ihrer übertriebenen Ansprüche an den Staatssäckel aufs hohe Pferd
gesetzt, und so sollte denn die Staatskasse bei dem adeligen Grund¬
stücke auch noch die Ehre, ein solches Terrain zu besitzen, theuer mit in den
Kauf nehmen. -- Wir gewähren an der einen Ecke dieses Platzes ein
einstöckiges Haus mit einem kleinen Garten; an der anderen Ecke die¬
ses Platzes ein kleines Haus mit einem größeren Garten. Ersteres
gehört einem Baron, letzteres einem armen Professionisten, der ohne¬
hin verschuldet ist.und sich mühsam mit Weib und Kind von seiner
Hände Arbeit ernähren muß. Denken wir uns nun die beiden Ter¬
rains frei von ihren ohnehin kleinen Gebäuden, so wird sich uns der
Platz des armen Sattlers größer darstellen, als jener des Herrn Ba¬
ron. Wer wird nun nicht staunen darüber, daß diese Realität des
Herrn Barons zehnmal so viel und noch mehr kosten soll, als jene
des armen Sattlers, der bereits in früherer Zeit sechzehntausend Gul¬
den C.-M. dafür haben konnte, wahrend er jetzt blos fünfzehntausend
Gulden C.-M. bekommen soll! Aehnliche Gegensatze könnten in dieser
Angelegenheit bereits mehrere aufgestellt werden, da ferner ein anderer
Besitzer einmalhundert achtzigtausend Gulden C.-M. für sein Haus
verlangt, das ihn kaum mehr als vierzigtausend Gulden C.-M. geko¬
stet haben soll. -- Nun glaubten aber diese Herren ihrer Sache schon
gewiß zu sein, und nun fürchtete schon der arme Sattler, den Ver¬
lust geduld-g ertragen zu müssen, da die Protokolle geschlossen und
dann anzuführen nicht vergessen wurde, daß alle Ueberredungskraft auf¬
geboten wurde, um dies günstige Resultat herbeizuführen, denn wenn
auch das Haus des Herrn Barons etwas hoch zu stehen komme, so
erhalte das Aerar doch jenes des armen Sattlers um einen Spottpreis.
Wie erstaunt waren aber diese Herren, als ein herabgelangtes De¬
kret des Hofkammerpräsidenten ihren Bestrebungen nicht entsprach!!
Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Stephan entgingen diese über¬
triebenen Absichten nicht, und somit benutzte derselbe seine kürzliche
Anwesenheit in Wien, den Baron Kübeck davon in Kenntniß zu sez-
zen. Es -ist der Entschluß gefaßt worden, jenen Herren zu eröffnen, daß
falls sie sich nicht mit zwei Drittel ihrer Anforderung begnügen wür¬
den, der Bahnhof vor die Sladtlinie gebaut werden solle. -- Der
Erzherzog selbst befaßt sich mit den Vorladungen; und so schmerzlich
es denn auch für die Betheiligten ist, anstatt cinmalhundert achtzig¬
tausend Gulden C.-M. blos cinmalhundert zwanzigtausend Gulden zu
"^""u, so dürste dies denselben doch noch willkommener sein, als daßihre Realität nur den vierten oder dritten Theil des letzteren Betrages
an Werth behielte! --

So eben höre ich, daß Graf Salm zum Gouverneur in einer


großen Gewinnsucht einiger Besitzer jener Grundstücke zu danken, die
für den Bahnhof auf Staatskosten angekauft werden sollen. — Diese
Herren, darunter insbesondere ein Herr Baron, haben sich in Betreff
ihrer übertriebenen Ansprüche an den Staatssäckel aufs hohe Pferd
gesetzt, und so sollte denn die Staatskasse bei dem adeligen Grund¬
stücke auch noch die Ehre, ein solches Terrain zu besitzen, theuer mit in den
Kauf nehmen. — Wir gewähren an der einen Ecke dieses Platzes ein
einstöckiges Haus mit einem kleinen Garten; an der anderen Ecke die¬
ses Platzes ein kleines Haus mit einem größeren Garten. Ersteres
gehört einem Baron, letzteres einem armen Professionisten, der ohne¬
hin verschuldet ist.und sich mühsam mit Weib und Kind von seiner
Hände Arbeit ernähren muß. Denken wir uns nun die beiden Ter¬
rains frei von ihren ohnehin kleinen Gebäuden, so wird sich uns der
Platz des armen Sattlers größer darstellen, als jener des Herrn Ba¬
ron. Wer wird nun nicht staunen darüber, daß diese Realität des
Herrn Barons zehnmal so viel und noch mehr kosten soll, als jene
des armen Sattlers, der bereits in früherer Zeit sechzehntausend Gul¬
den C.-M. dafür haben konnte, wahrend er jetzt blos fünfzehntausend
Gulden C.-M. bekommen soll! Aehnliche Gegensatze könnten in dieser
Angelegenheit bereits mehrere aufgestellt werden, da ferner ein anderer
Besitzer einmalhundert achtzigtausend Gulden C.-M. für sein Haus
verlangt, das ihn kaum mehr als vierzigtausend Gulden C.-M. geko¬
stet haben soll. — Nun glaubten aber diese Herren ihrer Sache schon
gewiß zu sein, und nun fürchtete schon der arme Sattler, den Ver¬
lust geduld-g ertragen zu müssen, da die Protokolle geschlossen und
dann anzuführen nicht vergessen wurde, daß alle Ueberredungskraft auf¬
geboten wurde, um dies günstige Resultat herbeizuführen, denn wenn
auch das Haus des Herrn Barons etwas hoch zu stehen komme, so
erhalte das Aerar doch jenes des armen Sattlers um einen Spottpreis.
Wie erstaunt waren aber diese Herren, als ein herabgelangtes De¬
kret des Hofkammerpräsidenten ihren Bestrebungen nicht entsprach!!
Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Stephan entgingen diese über¬
triebenen Absichten nicht, und somit benutzte derselbe seine kürzliche
Anwesenheit in Wien, den Baron Kübeck davon in Kenntniß zu sez-
zen. Es -ist der Entschluß gefaßt worden, jenen Herren zu eröffnen, daß
falls sie sich nicht mit zwei Drittel ihrer Anforderung begnügen wür¬
den, der Bahnhof vor die Sladtlinie gebaut werden solle. — Der
Erzherzog selbst befaßt sich mit den Vorladungen; und so schmerzlich
es denn auch für die Betheiligten ist, anstatt cinmalhundert achtzig¬
tausend Gulden C.-M. blos cinmalhundert zwanzigtausend Gulden zu
"^""u, so dürste dies denselben doch noch willkommener sein, als daßihre Realität nur den vierten oder dritten Theil des letzteren Betrages
an Werth behielte! —

So eben höre ich, daß Graf Salm zum Gouverneur in einer


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[0563] großen Gewinnsucht einiger Besitzer jener Grundstücke zu danken, die für den Bahnhof auf Staatskosten angekauft werden sollen. — Diese Herren, darunter insbesondere ein Herr Baron, haben sich in Betreff ihrer übertriebenen Ansprüche an den Staatssäckel aufs hohe Pferd gesetzt, und so sollte denn die Staatskasse bei dem adeligen Grund¬ stücke auch noch die Ehre, ein solches Terrain zu besitzen, theuer mit in den Kauf nehmen. — Wir gewähren an der einen Ecke dieses Platzes ein einstöckiges Haus mit einem kleinen Garten; an der anderen Ecke die¬ ses Platzes ein kleines Haus mit einem größeren Garten. Ersteres gehört einem Baron, letzteres einem armen Professionisten, der ohne¬ hin verschuldet ist.und sich mühsam mit Weib und Kind von seiner Hände Arbeit ernähren muß. Denken wir uns nun die beiden Ter¬ rains frei von ihren ohnehin kleinen Gebäuden, so wird sich uns der Platz des armen Sattlers größer darstellen, als jener des Herrn Ba¬ ron. Wer wird nun nicht staunen darüber, daß diese Realität des Herrn Barons zehnmal so viel und noch mehr kosten soll, als jene des armen Sattlers, der bereits in früherer Zeit sechzehntausend Gul¬ den C.-M. dafür haben konnte, wahrend er jetzt blos fünfzehntausend Gulden C.-M. bekommen soll! Aehnliche Gegensatze könnten in dieser Angelegenheit bereits mehrere aufgestellt werden, da ferner ein anderer Besitzer einmalhundert achtzigtausend Gulden C.-M. für sein Haus verlangt, das ihn kaum mehr als vierzigtausend Gulden C.-M. geko¬ stet haben soll. — Nun glaubten aber diese Herren ihrer Sache schon gewiß zu sein, und nun fürchtete schon der arme Sattler, den Ver¬ lust geduld-g ertragen zu müssen, da die Protokolle geschlossen und dann anzuführen nicht vergessen wurde, daß alle Ueberredungskraft auf¬ geboten wurde, um dies günstige Resultat herbeizuführen, denn wenn auch das Haus des Herrn Barons etwas hoch zu stehen komme, so erhalte das Aerar doch jenes des armen Sattlers um einen Spottpreis. Wie erstaunt waren aber diese Herren, als ein herabgelangtes De¬ kret des Hofkammerpräsidenten ihren Bestrebungen nicht entsprach!! Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Stephan entgingen diese über¬ triebenen Absichten nicht, und somit benutzte derselbe seine kürzliche Anwesenheit in Wien, den Baron Kübeck davon in Kenntniß zu sez- zen. Es -ist der Entschluß gefaßt worden, jenen Herren zu eröffnen, daß falls sie sich nicht mit zwei Drittel ihrer Anforderung begnügen wür¬ den, der Bahnhof vor die Sladtlinie gebaut werden solle. — Der Erzherzog selbst befaßt sich mit den Vorladungen; und so schmerzlich es denn auch für die Betheiligten ist, anstatt cinmalhundert achtzig¬ tausend Gulden C.-M. blos cinmalhundert zwanzigtausend Gulden zu "^""u, so dürste dies denselben doch noch willkommener sein, als daßihre Realität nur den vierten oder dritten Theil des letzteren Betrages an Werth behielte! — So eben höre ich, daß Graf Salm zum Gouverneur in einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/563>, abgerufen am 01.09.2024.