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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Gerichtsbänke gesetzt werden", schwören "nach bestem Verstände", Recht
sprechen zu helfen. Der 1650 zum Richter erwählte Robbe, "allhier
zu Errleben wohnhaftig", scheint kein Gelehrter, sondern ein Bauer
gewesen zu sein

In einem Gerichtsprotokolle von 1629 findet sich eine "Ord¬
nung, wie das hochnotpeinliche Halsgericht angestellt, ge¬
hegt und gehalten." Äer Richter wendet sich an die Geschwornen:
"Ihr Gerichtsgeschwornen, ich frage Euch, ob es wohl so fern Ta¬
ges ist, daß ich möge ein hochnothpeinlich Halsgerichte hegen." --
Nachdem die Geschwornen geantwortet, proclamirt der Richter
also: "Dieweil zu Recht erkannt (durch die Geschwornen, ursprüng¬
lich der Idee nach die Repräsentanten der Volksgemeinde), daß ich
möge ein hochnothpeinlich Halsgerichte hegen, so hege ich dasselbe."
Dann erscheint ein "Vorsprach" und bittet, "vor dies Gericht tre¬
ten zu dürfen." Der Richter gestattet es, der Vorsprach bittet:
"Herr Richter, kann mir vergönnet sein, den gestrengen und festen
Junker von Alvensleben ihr Wort zu halten." Richter: "Ja, ich
vergönne es Euch". Darauf bittet der Vorsprach als öffentlicher An¬
kläger den Richter, daß der Gefangene Hans Ebeling citirt werde.
Der der Dieberei angeklagte Hans Ebeling wird vorgeführt, entfes¬
selt, sein Bekenntniß ihm verlesen. Dann sagt der Vorsprach:
"Herr Richter, weil er für diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte le¬
dig und ungebunden stehet und bekennet frei öffentlich, daß er sehr
böse Thaten gethan hat, so frage ich nach Urtel und Recht, ob er's
könne ohne Strafe gethan haben. Ich bitte, Herr Richter, lasset ein
Urtheil darauf erkennen, was Recht ist." Der Richter wendet sich
an die Geschwornen (an die Bauern): "Ihr Herren Geschwor¬
nen, da frage ich Euch umb." Ein Geschworner: "Herr
Richter, er kann's ohne Strafe nicht gethan haben." Dann fragt der
Richter, "was die Strafe sein soll." Ein Schoppe spricht: "Was
die hochweisen Unterfassen ihm von Rechtswegen gesprochen haben."
Nachdem die "Sentenz" verlesen, bricht der Richter den Stab und
spricht, wie die Ordnung vorschreibt:


"Das Urtel ist gesprochen,
Und der Stab gebrochen."

Diese "Ordnung, wie das hochnothpeinliche Halsgerichte gehegt" wer¬
den soll, erinnert allerdings an ein "Fastnachtsspiel". Merkwürdig,


Gerichtsbänke gesetzt werden", schwören „nach bestem Verstände", Recht
sprechen zu helfen. Der 1650 zum Richter erwählte Robbe, „allhier
zu Errleben wohnhaftig", scheint kein Gelehrter, sondern ein Bauer
gewesen zu sein

In einem Gerichtsprotokolle von 1629 findet sich eine „Ord¬
nung, wie das hochnotpeinliche Halsgericht angestellt, ge¬
hegt und gehalten." Äer Richter wendet sich an die Geschwornen:
„Ihr Gerichtsgeschwornen, ich frage Euch, ob es wohl so fern Ta¬
ges ist, daß ich möge ein hochnothpeinlich Halsgerichte hegen." —
Nachdem die Geschwornen geantwortet, proclamirt der Richter
also: „Dieweil zu Recht erkannt (durch die Geschwornen, ursprüng¬
lich der Idee nach die Repräsentanten der Volksgemeinde), daß ich
möge ein hochnothpeinlich Halsgerichte hegen, so hege ich dasselbe."
Dann erscheint ein „Vorsprach" und bittet, „vor dies Gericht tre¬
ten zu dürfen." Der Richter gestattet es, der Vorsprach bittet:
„Herr Richter, kann mir vergönnet sein, den gestrengen und festen
Junker von Alvensleben ihr Wort zu halten." Richter: „Ja, ich
vergönne es Euch". Darauf bittet der Vorsprach als öffentlicher An¬
kläger den Richter, daß der Gefangene Hans Ebeling citirt werde.
Der der Dieberei angeklagte Hans Ebeling wird vorgeführt, entfes¬
selt, sein Bekenntniß ihm verlesen. Dann sagt der Vorsprach:
„Herr Richter, weil er für diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte le¬
dig und ungebunden stehet und bekennet frei öffentlich, daß er sehr
böse Thaten gethan hat, so frage ich nach Urtel und Recht, ob er's
könne ohne Strafe gethan haben. Ich bitte, Herr Richter, lasset ein
Urtheil darauf erkennen, was Recht ist." Der Richter wendet sich
an die Geschwornen (an die Bauern): „Ihr Herren Geschwor¬
nen, da frage ich Euch umb." Ein Geschworner: „Herr
Richter, er kann's ohne Strafe nicht gethan haben." Dann fragt der
Richter, „was die Strafe sein soll." Ein Schoppe spricht: „Was
die hochweisen Unterfassen ihm von Rechtswegen gesprochen haben."
Nachdem die „Sentenz" verlesen, bricht der Richter den Stab und
spricht, wie die Ordnung vorschreibt:


„Das Urtel ist gesprochen,
Und der Stab gebrochen."

Diese „Ordnung, wie das hochnothpeinliche Halsgerichte gehegt" wer¬
den soll, erinnert allerdings an ein „Fastnachtsspiel". Merkwürdig,


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[0540] Gerichtsbänke gesetzt werden", schwören „nach bestem Verstände", Recht sprechen zu helfen. Der 1650 zum Richter erwählte Robbe, „allhier zu Errleben wohnhaftig", scheint kein Gelehrter, sondern ein Bauer gewesen zu sein In einem Gerichtsprotokolle von 1629 findet sich eine „Ord¬ nung, wie das hochnotpeinliche Halsgericht angestellt, ge¬ hegt und gehalten." Äer Richter wendet sich an die Geschwornen: „Ihr Gerichtsgeschwornen, ich frage Euch, ob es wohl so fern Ta¬ ges ist, daß ich möge ein hochnothpeinlich Halsgerichte hegen." — Nachdem die Geschwornen geantwortet, proclamirt der Richter also: „Dieweil zu Recht erkannt (durch die Geschwornen, ursprüng¬ lich der Idee nach die Repräsentanten der Volksgemeinde), daß ich möge ein hochnothpeinlich Halsgerichte hegen, so hege ich dasselbe." Dann erscheint ein „Vorsprach" und bittet, „vor dies Gericht tre¬ ten zu dürfen." Der Richter gestattet es, der Vorsprach bittet: „Herr Richter, kann mir vergönnet sein, den gestrengen und festen Junker von Alvensleben ihr Wort zu halten." Richter: „Ja, ich vergönne es Euch". Darauf bittet der Vorsprach als öffentlicher An¬ kläger den Richter, daß der Gefangene Hans Ebeling citirt werde. Der der Dieberei angeklagte Hans Ebeling wird vorgeführt, entfes¬ selt, sein Bekenntniß ihm verlesen. Dann sagt der Vorsprach: „Herr Richter, weil er für diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte le¬ dig und ungebunden stehet und bekennet frei öffentlich, daß er sehr böse Thaten gethan hat, so frage ich nach Urtel und Recht, ob er's könne ohne Strafe gethan haben. Ich bitte, Herr Richter, lasset ein Urtheil darauf erkennen, was Recht ist." Der Richter wendet sich an die Geschwornen (an die Bauern): „Ihr Herren Geschwor¬ nen, da frage ich Euch umb." Ein Geschworner: „Herr Richter, er kann's ohne Strafe nicht gethan haben." Dann fragt der Richter, „was die Strafe sein soll." Ein Schoppe spricht: „Was die hochweisen Unterfassen ihm von Rechtswegen gesprochen haben." Nachdem die „Sentenz" verlesen, bricht der Richter den Stab und spricht, wie die Ordnung vorschreibt: „Das Urtel ist gesprochen, Und der Stab gebrochen." Diese „Ordnung, wie das hochnothpeinliche Halsgerichte gehegt" wer¬ den soll, erinnert allerdings an ein „Fastnachtsspiel". Merkwürdig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/540>, abgerufen am 28.07.2024.