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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ten angefügten Originaltext publicirt. Dieses Büchlein, welches gewiß
nicht Jedermanns Kauf ist, sollte unter dem Titel: "Gebete für Mos-
lims und Nichtmoslims" erscheinen. Die Censur strich das "und für
Nichtmoslims", worauf der Baron Hammer auch das "für Moslims"
strich, so daß das Büchlein jetzt schlechtweg Gebete heißt, was ei¬
gentlich, aus dem Gesichtspunkte jenes Censors betrachtet, schlimmer
ist als der ganze ursprüngliche Titel. Eine andere Censuranekdote, de¬
ren Held gleichfalls der berühmte Orientalist ist, gibt vielen Stoff
zum Lachen, obgleich hinter dem Spaß ein trauriger Ernst liegt; ich
werde zu seiner Zeit darauf zurückkommen.

Der Catalog der in Oesterreich erlaubten Zeitungen und Zeit¬
schriften, der alle Jahre von der Censur-Hofstelle neu verfertigt und an
die Postämter behufs der Abonnements zum neuen Jahre im Monate
December versendet wird, bringt, wie ich höre, diesmal keine wesentlichen
Aenderungen. Es bleibt ° halt Alles beim Alten? -- An den streng
verbotenen Zeitschriften gehören Ihre Grenz boten, die "Jahrbücher
der Gegenwart" und Biedermann's "Herold". Die Cottaschen
Blätter sind, wie sich von selbst versteht, alle erlaubt; die Brockhaus-
schen bleiben verboten. Die-kurze Anwesenheit des Herrn Heinrich
Brockhaus (er war von Venedig kommend in den letzten Tagen des
November eine Woche hier und hatte das Unglück, im Momente, wo
er mit einigen Freunden in der kaufmännischen Ressource sich zu Tische
setzen wollte, von einer plötzlichen gefährlichen Krankheit überfallen zu
werden) gab zu dem Gerüchte Anlaß, es sei um die Zulassung der
Deutschen Allgemeinen Zeitung in Oesterreich petitionirt worden; dieses
Gerücht kann nur bei Solchen, die unsere Zustände nur oberflächlich
verstehen, Glauben finden. Um der Deutschen Allgemeinen Jutritt bei
uns zu verschaffen, müßten alle unsere Verhältnisse sich ändern. Nicht
die politischen Tendenzen der Deutschen Allgemeinen sind es, die sie
verbannen, denn im Grunde hat sie keine und die sie hat, sind eben
nicht sehr fürchterlich, aber ihr konfessioneller Grundton, ihr protestan¬
tischer Standpunkt ist es, der sie ausschließt. Die Kölnische Zeitung
brachte über Oesterreich oft viel anstößigere Artikel, als die Deutsche
Allgemeine, aber die Kölnische Zeitung ist von katholischer Grundfarbe
und darum liegt sie hier an allen öffentlichen Orten ungehindert auf.
Daß Brockhaus seine Zeitung katholisch machen oder auch nur der
protestantischen Polemik das Wort darin verweigern will, ist unmög¬
lich zu glauben.

In unserer hiesigen Journalistik wird sich mit dem neuen Jahre
Nichts verändern. Der österreichische Beobachter hat sich ein Bei¬
blatt beigelegt; es war auch die höchste Zeit, wUl man sich schon
lange gefragt hat, was der österreichische Beobachter eigentlich beobach¬
tet, es wäre denn die große Beobachtung, daß der Dichter Lenau
(von dessen Existenz der Beobachter nie Notiz gekommen hatte) jetzt


ten angefügten Originaltext publicirt. Dieses Büchlein, welches gewiß
nicht Jedermanns Kauf ist, sollte unter dem Titel: „Gebete für Mos-
lims und Nichtmoslims" erscheinen. Die Censur strich das „und für
Nichtmoslims", worauf der Baron Hammer auch das „für Moslims"
strich, so daß das Büchlein jetzt schlechtweg Gebete heißt, was ei¬
gentlich, aus dem Gesichtspunkte jenes Censors betrachtet, schlimmer
ist als der ganze ursprüngliche Titel. Eine andere Censuranekdote, de¬
ren Held gleichfalls der berühmte Orientalist ist, gibt vielen Stoff
zum Lachen, obgleich hinter dem Spaß ein trauriger Ernst liegt; ich
werde zu seiner Zeit darauf zurückkommen.

Der Catalog der in Oesterreich erlaubten Zeitungen und Zeit¬
schriften, der alle Jahre von der Censur-Hofstelle neu verfertigt und an
die Postämter behufs der Abonnements zum neuen Jahre im Monate
December versendet wird, bringt, wie ich höre, diesmal keine wesentlichen
Aenderungen. Es bleibt ° halt Alles beim Alten? — An den streng
verbotenen Zeitschriften gehören Ihre Grenz boten, die „Jahrbücher
der Gegenwart" und Biedermann's „Herold". Die Cottaschen
Blätter sind, wie sich von selbst versteht, alle erlaubt; die Brockhaus-
schen bleiben verboten. Die-kurze Anwesenheit des Herrn Heinrich
Brockhaus (er war von Venedig kommend in den letzten Tagen des
November eine Woche hier und hatte das Unglück, im Momente, wo
er mit einigen Freunden in der kaufmännischen Ressource sich zu Tische
setzen wollte, von einer plötzlichen gefährlichen Krankheit überfallen zu
werden) gab zu dem Gerüchte Anlaß, es sei um die Zulassung der
Deutschen Allgemeinen Zeitung in Oesterreich petitionirt worden; dieses
Gerücht kann nur bei Solchen, die unsere Zustände nur oberflächlich
verstehen, Glauben finden. Um der Deutschen Allgemeinen Jutritt bei
uns zu verschaffen, müßten alle unsere Verhältnisse sich ändern. Nicht
die politischen Tendenzen der Deutschen Allgemeinen sind es, die sie
verbannen, denn im Grunde hat sie keine und die sie hat, sind eben
nicht sehr fürchterlich, aber ihr konfessioneller Grundton, ihr protestan¬
tischer Standpunkt ist es, der sie ausschließt. Die Kölnische Zeitung
brachte über Oesterreich oft viel anstößigere Artikel, als die Deutsche
Allgemeine, aber die Kölnische Zeitung ist von katholischer Grundfarbe
und darum liegt sie hier an allen öffentlichen Orten ungehindert auf.
Daß Brockhaus seine Zeitung katholisch machen oder auch nur der
protestantischen Polemik das Wort darin verweigern will, ist unmög¬
lich zu glauben.

In unserer hiesigen Journalistik wird sich mit dem neuen Jahre
Nichts verändern. Der österreichische Beobachter hat sich ein Bei¬
blatt beigelegt; es war auch die höchste Zeit, wUl man sich schon
lange gefragt hat, was der österreichische Beobachter eigentlich beobach¬
tet, es wäre denn die große Beobachtung, daß der Dichter Lenau
(von dessen Existenz der Beobachter nie Notiz gekommen hatte) jetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/512>, abgerufen am 28.07.2024.