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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Halten wir uns indeß ein das neue, papierne Denkmal Bone's,
an seinen literarischen Nachlaß. Der Drang, einen Menschen, den
wir als großen Genius in unsern geweihtestcn Stunden verehrten,
auch in seiner Person, in seinen Privatbeziehungen kennen zu lernen,
gleichsam an seiner Seite zu leben, wird in diesem Buche auf schöne
und schmerzhafte Weise befriedigt; es tönt uns eine geliebte, jugend¬
frische Stimme aus einem unaufschlicßbaren Sarge heraus. Wir
sehen uns seine ewige Jugendlichkeit auch noch im Gefäße physischer
Jugend geboten, sein Witz ist noch Stecknadel mit schalkhaftem Köpf¬
chen, nicht der spätere, zweischneidige Dolch, mit dem er, den Geg¬
ner treffend, sich selber in'S Leben schnitt. In humoristischen Wen¬
dungen sucht er sich in das gewöhnliche Schicksal deutscher Literaten
zu finden, Armuth und Entbehrung. Zu den merkwürdigsten Stellen
im Buche aber gehören jene, die seine Gesinnungsfestigkeit heraus¬
stellen, den Verlockungen gegenüber, nach Wien zu kommen; wir
theilen sie hier mit, theils weil der darin ausgesprochene Entschluß
so entscheidend für seine künftige Laufbahn wurde, theils weil sie
Schilderungen eines Zustandes sind, die wirklich auch nach zwan¬
zig Jahren noch ihre Geltung nicht ganz verloren haben:
Band 2. Seite 23 u. f. "Sie wissen, ich bin nicht fanatisch
und meine Neigungen, besonders aber meine Abneigungen sind im¬
mer ruhig und halten sich an den Verstand. Nur gegen die öster-
reichische Negierung habe ich einen wahren fanatischen Haß. Man
braucht das Wort Oesterreich nur auszusprechen, und es ist gerade,
als würde der Hahn meines Herzens geöffnet, und ein Strom von
Vorwürfen und Verwünschungen stürzt dann heraus. Es ist dort
ein solches tiefes, dichtverwachsenes Wurzelwerk von aristokratischer
Tyrannei, daß es mich zur Verzweiflung bringt, weil ich gar keine
Möglichkeit sehe, es auszurotten. So haben jetzt erst alle Privat-
Erzieher, alle Lehrer, die keine Oesterreicher sind, das Land verlassen
müssen, und nicht allein die öffentliche Erziehung in Schulen, son^
dem auch die häusliche Erziehung wird den Händen der niederträch¬
tigen Jesuiten anvertraut. Wenn nicht dort ein Erdbeben Alles über¬
einander wirft, Tugend, Klugheit, Tapferkeit der Frcigesinnten wird
nie etwas ändern. Man fühlt dort seine Ohnmacht, aber die Ohn¬
macht schimpft und darum werde ich auch schimpfen. Ich werde


Halten wir uns indeß ein das neue, papierne Denkmal Bone's,
an seinen literarischen Nachlaß. Der Drang, einen Menschen, den
wir als großen Genius in unsern geweihtestcn Stunden verehrten,
auch in seiner Person, in seinen Privatbeziehungen kennen zu lernen,
gleichsam an seiner Seite zu leben, wird in diesem Buche auf schöne
und schmerzhafte Weise befriedigt; es tönt uns eine geliebte, jugend¬
frische Stimme aus einem unaufschlicßbaren Sarge heraus. Wir
sehen uns seine ewige Jugendlichkeit auch noch im Gefäße physischer
Jugend geboten, sein Witz ist noch Stecknadel mit schalkhaftem Köpf¬
chen, nicht der spätere, zweischneidige Dolch, mit dem er, den Geg¬
ner treffend, sich selber in'S Leben schnitt. In humoristischen Wen¬
dungen sucht er sich in das gewöhnliche Schicksal deutscher Literaten
zu finden, Armuth und Entbehrung. Zu den merkwürdigsten Stellen
im Buche aber gehören jene, die seine Gesinnungsfestigkeit heraus¬
stellen, den Verlockungen gegenüber, nach Wien zu kommen; wir
theilen sie hier mit, theils weil der darin ausgesprochene Entschluß
so entscheidend für seine künftige Laufbahn wurde, theils weil sie
Schilderungen eines Zustandes sind, die wirklich auch nach zwan¬
zig Jahren noch ihre Geltung nicht ganz verloren haben:
Band 2. Seite 23 u. f. „Sie wissen, ich bin nicht fanatisch
und meine Neigungen, besonders aber meine Abneigungen sind im¬
mer ruhig und halten sich an den Verstand. Nur gegen die öster-
reichische Negierung habe ich einen wahren fanatischen Haß. Man
braucht das Wort Oesterreich nur auszusprechen, und es ist gerade,
als würde der Hahn meines Herzens geöffnet, und ein Strom von
Vorwürfen und Verwünschungen stürzt dann heraus. Es ist dort
ein solches tiefes, dichtverwachsenes Wurzelwerk von aristokratischer
Tyrannei, daß es mich zur Verzweiflung bringt, weil ich gar keine
Möglichkeit sehe, es auszurotten. So haben jetzt erst alle Privat-
Erzieher, alle Lehrer, die keine Oesterreicher sind, das Land verlassen
müssen, und nicht allein die öffentliche Erziehung in Schulen, son^
dem auch die häusliche Erziehung wird den Händen der niederträch¬
tigen Jesuiten anvertraut. Wenn nicht dort ein Erdbeben Alles über¬
einander wirft, Tugend, Klugheit, Tapferkeit der Frcigesinnten wird
nie etwas ändern. Man fühlt dort seine Ohnmacht, aber die Ohn¬
macht schimpft und darum werde ich auch schimpfen. Ich werde


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[0508] Halten wir uns indeß ein das neue, papierne Denkmal Bone's, an seinen literarischen Nachlaß. Der Drang, einen Menschen, den wir als großen Genius in unsern geweihtestcn Stunden verehrten, auch in seiner Person, in seinen Privatbeziehungen kennen zu lernen, gleichsam an seiner Seite zu leben, wird in diesem Buche auf schöne und schmerzhafte Weise befriedigt; es tönt uns eine geliebte, jugend¬ frische Stimme aus einem unaufschlicßbaren Sarge heraus. Wir sehen uns seine ewige Jugendlichkeit auch noch im Gefäße physischer Jugend geboten, sein Witz ist noch Stecknadel mit schalkhaftem Köpf¬ chen, nicht der spätere, zweischneidige Dolch, mit dem er, den Geg¬ ner treffend, sich selber in'S Leben schnitt. In humoristischen Wen¬ dungen sucht er sich in das gewöhnliche Schicksal deutscher Literaten zu finden, Armuth und Entbehrung. Zu den merkwürdigsten Stellen im Buche aber gehören jene, die seine Gesinnungsfestigkeit heraus¬ stellen, den Verlockungen gegenüber, nach Wien zu kommen; wir theilen sie hier mit, theils weil der darin ausgesprochene Entschluß so entscheidend für seine künftige Laufbahn wurde, theils weil sie Schilderungen eines Zustandes sind, die wirklich auch nach zwan¬ zig Jahren noch ihre Geltung nicht ganz verloren haben: Band 2. Seite 23 u. f. „Sie wissen, ich bin nicht fanatisch und meine Neigungen, besonders aber meine Abneigungen sind im¬ mer ruhig und halten sich an den Verstand. Nur gegen die öster- reichische Negierung habe ich einen wahren fanatischen Haß. Man braucht das Wort Oesterreich nur auszusprechen, und es ist gerade, als würde der Hahn meines Herzens geöffnet, und ein Strom von Vorwürfen und Verwünschungen stürzt dann heraus. Es ist dort ein solches tiefes, dichtverwachsenes Wurzelwerk von aristokratischer Tyrannei, daß es mich zur Verzweiflung bringt, weil ich gar keine Möglichkeit sehe, es auszurotten. So haben jetzt erst alle Privat- Erzieher, alle Lehrer, die keine Oesterreicher sind, das Land verlassen müssen, und nicht allein die öffentliche Erziehung in Schulen, son^ dem auch die häusliche Erziehung wird den Händen der niederträch¬ tigen Jesuiten anvertraut. Wenn nicht dort ein Erdbeben Alles über¬ einander wirft, Tugend, Klugheit, Tapferkeit der Frcigesinnten wird nie etwas ändern. Man fühlt dort seine Ohnmacht, aber die Ohn¬ macht schimpft und darum werde ich auch schimpfen. Ich werde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/508>, abgerufen am 27.07.2024.