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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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hingen an hohen Stangen zum Trocknen da und in ihrem Schatten
teinenundMuelnielend.

saßen fröhliche Kinder, mit S p
Giovanni verließ den Wagen. Er ahnte, daß dies die Hütte
sei, in der seine Eltern einst gelebt, und der Maestro bestätigte es
ihm. Bereitwillig ließen die jetzigen Besitzer ihn eintreten und ver¬

ließen auf seinen Wunsch das Gemach.
Lange saß er schweigend in dem engen, düsteren Raume. Er
stellte sich vor, wie Muttersorge hier über seine ersten Jahre gewacht;
er gedachte Mariens, die hier mit ihm. jene Sorgfalt gerheilt, und
die jetzt mit gleicher Treue für ihre Kinder sorgte. Mit Freuden
pansee er an das Glück, das der Schwester geworden, aber um so
greller trat ihm sein eigenes Elend vor die Seele. Einsam, Schuld¬
beladen, ohne Hoffnung und müde vom Leben stand er in der

Welt.Da trat der Maestro ein, den er ausgesendet hatte, um zu er¬

fahren, ob noch irgend Jemand von den Seinen lebe.
Er brachte den alten Küster des Dörfchens mit sich und dieser
berichtete, was Giovanni bereits wußte. Der Vater war mit dem
erhaltenen Gelde wieder in fremde Lande gegangen, wo er gestorben
sein sollte; die Mutter hatte er zurückgelassen in Kummer und Sorge,
krank vor Gram über den Verlust der Kinder. Der Küster hatte
sie wohl gekannt, sagte er, er hatte oft versucht sie zu trösten und
sie in ihren letzten Tagen gesehen, wo sie, schon sterbend, noch mit
unauslöschlicher Sehnsucht nach ihren Kindern verlangte und sie im

Fieberwahn in ihre Arme zu schließenglaute.
Zum ersten Mal seit Jahren flössen Giovanni's Thränen wie
der. Acht er wußte, was ungestillte Sehnsucht sei! Wehmüthig rie
er, gegen den Maestro gewendet: O! hättest Du mich hier gelassen
-- Deine Habsucht hat die Mutter getödtet und mich vernichtet
Ein Leben voll ungestillten Sehnen und glänzendem Jammer ha
Du mir bereitet, statt mich in Ruhe schuldlos leben und sterben z

lassen, auf der Scholle, die mich werden sah.
Der Maestro lächelte. Recht idyllisch, mein Freund! sagte er
aber die Freuden, die jener glänzende Jammer Dir bot, waren au
nicht zu verachten. Ruhm und Ehre, die Dir geworden; der Reich
thum, den Du schon gering ansteht, weil Du ihn besitzest; die Lieb
--


die man Dir weihte das Alles dankst Du mir. Den plumpe
".

hingen an hohen Stangen zum Trocknen da und in ihrem Schatten
teinenundMuelnielend.

saßen fröhliche Kinder, mit S p
Giovanni verließ den Wagen. Er ahnte, daß dies die Hütte
sei, in der seine Eltern einst gelebt, und der Maestro bestätigte es
ihm. Bereitwillig ließen die jetzigen Besitzer ihn eintreten und ver¬

ließen auf seinen Wunsch das Gemach.
Lange saß er schweigend in dem engen, düsteren Raume. Er
stellte sich vor, wie Muttersorge hier über seine ersten Jahre gewacht;
er gedachte Mariens, die hier mit ihm. jene Sorgfalt gerheilt, und
die jetzt mit gleicher Treue für ihre Kinder sorgte. Mit Freuden
pansee er an das Glück, das der Schwester geworden, aber um so
greller trat ihm sein eigenes Elend vor die Seele. Einsam, Schuld¬
beladen, ohne Hoffnung und müde vom Leben stand er in der

Welt.Da trat der Maestro ein, den er ausgesendet hatte, um zu er¬

fahren, ob noch irgend Jemand von den Seinen lebe.
Er brachte den alten Küster des Dörfchens mit sich und dieser
berichtete, was Giovanni bereits wußte. Der Vater war mit dem
erhaltenen Gelde wieder in fremde Lande gegangen, wo er gestorben
sein sollte; die Mutter hatte er zurückgelassen in Kummer und Sorge,
krank vor Gram über den Verlust der Kinder. Der Küster hatte
sie wohl gekannt, sagte er, er hatte oft versucht sie zu trösten und
sie in ihren letzten Tagen gesehen, wo sie, schon sterbend, noch mit
unauslöschlicher Sehnsucht nach ihren Kindern verlangte und sie im

Fieberwahn in ihre Arme zu schließenglaute.
Zum ersten Mal seit Jahren flössen Giovanni's Thränen wie
der. Acht er wußte, was ungestillte Sehnsucht sei! Wehmüthig rie
er, gegen den Maestro gewendet: O! hättest Du mich hier gelassen
— Deine Habsucht hat die Mutter getödtet und mich vernichtet
Ein Leben voll ungestillten Sehnen und glänzendem Jammer ha
Du mir bereitet, statt mich in Ruhe schuldlos leben und sterben z

lassen, auf der Scholle, die mich werden sah.
Der Maestro lächelte. Recht idyllisch, mein Freund! sagte er
aber die Freuden, die jener glänzende Jammer Dir bot, waren au
nicht zu verachten. Ruhm und Ehre, die Dir geworden; der Reich
thum, den Du schon gering ansteht, weil Du ihn besitzest; die Lieb


die man Dir weihte das Alles dankst Du mir. Den plumpe
».
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[0493] hingen an hohen Stangen zum Trocknen da und in ihrem Schatten teinenundMuelnielend. saßen fröhliche Kinder, mit S p Giovanni verließ den Wagen. Er ahnte, daß dies die Hütte sei, in der seine Eltern einst gelebt, und der Maestro bestätigte es ihm. Bereitwillig ließen die jetzigen Besitzer ihn eintreten und ver¬ ließen auf seinen Wunsch das Gemach. Lange saß er schweigend in dem engen, düsteren Raume. Er stellte sich vor, wie Muttersorge hier über seine ersten Jahre gewacht; er gedachte Mariens, die hier mit ihm. jene Sorgfalt gerheilt, und die jetzt mit gleicher Treue für ihre Kinder sorgte. Mit Freuden pansee er an das Glück, das der Schwester geworden, aber um so greller trat ihm sein eigenes Elend vor die Seele. Einsam, Schuld¬ beladen, ohne Hoffnung und müde vom Leben stand er in der Welt.Da trat der Maestro ein, den er ausgesendet hatte, um zu er¬ fahren, ob noch irgend Jemand von den Seinen lebe. Er brachte den alten Küster des Dörfchens mit sich und dieser berichtete, was Giovanni bereits wußte. Der Vater war mit dem erhaltenen Gelde wieder in fremde Lande gegangen, wo er gestorben sein sollte; die Mutter hatte er zurückgelassen in Kummer und Sorge, krank vor Gram über den Verlust der Kinder. Der Küster hatte sie wohl gekannt, sagte er, er hatte oft versucht sie zu trösten und sie in ihren letzten Tagen gesehen, wo sie, schon sterbend, noch mit unauslöschlicher Sehnsucht nach ihren Kindern verlangte und sie im Fieberwahn in ihre Arme zu schließenglaute. Zum ersten Mal seit Jahren flössen Giovanni's Thränen wie der. Acht er wußte, was ungestillte Sehnsucht sei! Wehmüthig rie er, gegen den Maestro gewendet: O! hättest Du mich hier gelassen — Deine Habsucht hat die Mutter getödtet und mich vernichtet Ein Leben voll ungestillten Sehnen und glänzendem Jammer ha Du mir bereitet, statt mich in Ruhe schuldlos leben und sterben z lassen, auf der Scholle, die mich werden sah. Der Maestro lächelte. Recht idyllisch, mein Freund! sagte er aber die Freuden, die jener glänzende Jammer Dir bot, waren au nicht zu verachten. Ruhm und Ehre, die Dir geworden; der Reich thum, den Du schon gering ansteht, weil Du ihn besitzest; die Lieb — die man Dir weihte das Alles dankst Du mir. Den plumpe ».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/493>, abgerufen am 01.09.2024.