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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Dienste an und entlockte ihm so das Geheimniß seiner unglücklichen
Liebe. Es war das erste Mal, daß eine Frau dem Liebesleben Gio¬
vanni's widerstand. Ruhig hörte der Maestro seine leidenschaftlichen
Klagen an und, als Jener am Ende verzweifelnd ausrief: Es gibt
kein Glück für mich, keine Hoffnung! sagte der Maestro mit seinem
Lächeln:

-- Hoffnungslos ist kein Zustand auf der Welt. Wenn Ba-
stiani einst stirbt, kann sein Weib die Deine werden, und Bastiani
ist alt.

-- O! die Zeit des Entbehrens wird mich todten; zu warten
habe ich nicht gelernt! Ich will gleich besitzen, was mein Herz so
heiß begehrt!

-- So nimm Dir, was Du nicht erwarten kannst. Jeder hat
nur ein Leben, nimmt man ihm das, so ist er todt.

Mit diesen kalten, fast scherzend hingeworfenen Worten hatte der
Maestro Giovanni verlassen. Wie ein Blitz hatten sie das Gehirn
des Liebenden durchzuckt, er erschrack vor ihnen -- aber der Ge¬
danke an den Tod Bastiani's kam nicht mehr aus seinem Sinne.
Er wünschte den Tod desselben, er hoffte auf ihn und wenn er sich
dieses Wunsches deutlich bewußt ward, erfüllte Grimm gegen sich
selbst, tiefer Haß gegen den Grafen seine ganze Brust. Den Grafen
zu ermorden, davor schauderte er zurück, aber Wollust dünkte es ihm,
ihn zu todten im rechtlichen Kampf.

Er hatte, als der Maestro ihn verlassen, einen Dolch in seinem
Zimmer gefunden, den Jener immer bei sich zu tragen pflegte und
den er vergessen zu haben schien. Mechanisch hatte Giovanni dies"
Waffe zu sich genommen, die er, er wußte nicht, weshalb, seitdem
nicht zurückgab und nicht von sich legte.

Sein ganzes Innere war verwandelt. Die heilige Anbetung,
mit der er sich früher der Gräfin genaht, war in die dringendste,
rücksichtsloseste Bewerbung übergegangen, die eben so beleidigend für
den Ruf derselben, als verletzend für die Ehre des Grafen erschien.
Vergebens waren Cornelia's Bitten und Vorstellungen. Er zürnte
ihr, weil sie ihr Wort höher anschlug, als seine Liebe; er wollte den
Grafen, den er tödtlich haßte, zwingen, sich von seiner Gattin zu
trennen.

In den Armen des Grafen selbst suchte Cornelia Schutz vor


Dienste an und entlockte ihm so das Geheimniß seiner unglücklichen
Liebe. Es war das erste Mal, daß eine Frau dem Liebesleben Gio¬
vanni's widerstand. Ruhig hörte der Maestro seine leidenschaftlichen
Klagen an und, als Jener am Ende verzweifelnd ausrief: Es gibt
kein Glück für mich, keine Hoffnung! sagte der Maestro mit seinem
Lächeln:

— Hoffnungslos ist kein Zustand auf der Welt. Wenn Ba-
stiani einst stirbt, kann sein Weib die Deine werden, und Bastiani
ist alt.

— O! die Zeit des Entbehrens wird mich todten; zu warten
habe ich nicht gelernt! Ich will gleich besitzen, was mein Herz so
heiß begehrt!

— So nimm Dir, was Du nicht erwarten kannst. Jeder hat
nur ein Leben, nimmt man ihm das, so ist er todt.

Mit diesen kalten, fast scherzend hingeworfenen Worten hatte der
Maestro Giovanni verlassen. Wie ein Blitz hatten sie das Gehirn
des Liebenden durchzuckt, er erschrack vor ihnen — aber der Ge¬
danke an den Tod Bastiani's kam nicht mehr aus seinem Sinne.
Er wünschte den Tod desselben, er hoffte auf ihn und wenn er sich
dieses Wunsches deutlich bewußt ward, erfüllte Grimm gegen sich
selbst, tiefer Haß gegen den Grafen seine ganze Brust. Den Grafen
zu ermorden, davor schauderte er zurück, aber Wollust dünkte es ihm,
ihn zu todten im rechtlichen Kampf.

Er hatte, als der Maestro ihn verlassen, einen Dolch in seinem
Zimmer gefunden, den Jener immer bei sich zu tragen pflegte und
den er vergessen zu haben schien. Mechanisch hatte Giovanni dies«
Waffe zu sich genommen, die er, er wußte nicht, weshalb, seitdem
nicht zurückgab und nicht von sich legte.

Sein ganzes Innere war verwandelt. Die heilige Anbetung,
mit der er sich früher der Gräfin genaht, war in die dringendste,
rücksichtsloseste Bewerbung übergegangen, die eben so beleidigend für
den Ruf derselben, als verletzend für die Ehre des Grafen erschien.
Vergebens waren Cornelia's Bitten und Vorstellungen. Er zürnte
ihr, weil sie ihr Wort höher anschlug, als seine Liebe; er wollte den
Grafen, den er tödtlich haßte, zwingen, sich von seiner Gattin zu
trennen.

In den Armen des Grafen selbst suchte Cornelia Schutz vor


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/490>, abgerufen am 28.07.2024.