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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Comelia, rief es in ihm; und nachdem er entzückt Stunden lang ihr
mit seinen Augen gefolgt war, wendete er sich fast bebend an den
Herrn des Hauses, mit der Frage, wer die seltene Schönheit sei.

-- Es ist die Gräfin Cornelia Bastiani, die Neuvermählte des
. . . sehen Gesandten, der sie führt, antwortete der Gefragte.

Giovanni stand einen Moment wie vernichtet. Cornelia sehen,
sie erkennen und lieben, war für ihn das Werk einer Minute gewe¬
sen. Während der Zeit, die er in sprachloser Wonne an ihrer Schön¬
heit gehangen, war eine lange Vergangenheit in seiner Seele ver¬
schwunden. Nur der Stunde gedachte er noch, da Cornelia, ein
Kind, ihn mit ihren Armen umschlungen, da der erste Ruhm und
die erste Liebe zugleich beseligend in seine traurige Kindheit geleuch¬
tet hatte. Vergessen war alles Andere z vergessen die Frauen, die ihm
Liebe gegeben, deren Gunst ihn beglückt und die seinem Herzen so
theuer gewesen. Nur flüchtige Neigung, sagte er sich, habe ihn an
diese gekettet -- Cornelia war die einzige Liebe seines Lebens, der
Genius seiner Kunst gewesen, von Anfang an. Sie mußte er bestz-
zen oder untergehen.

Da klangen die Worte: Die Gräfin Cornelia Bastiani ist die
Neuvermählte des Mannes, der sie begleitet, mit Eiseskälte in sein
Herz; doch bald gedachte er des Gehörten nicht mehr. Junge Liebe
vergißt so gern und leicht, was ihr hemmend entgegensteht; um
Nichts zu denken, alö sich selbst.

Er ließ sich der Gräfin vorstellen und auch sie erkannte mit
leichtem Erröthen den jungen Künstler wieder, dem sie einst knieend
ihre Huldigung dargebracht, dem sie hatte Alles geben, wollen,
was sie damals besessen. Ost noch waren später ihre Gedanken zu
dem schönen Knaben zurückgekehrt, sein Ruhm hatte sie stolz und
froh gemacht; und vielleicht war es das Andenken an ihn gewesen,
das ihr Herz jeder anderen Liebe verschlossen. Ohne Widerstreben
war sie, auf den Wunsch ihres Vaters, die Gemahlin des edlen al¬
ten Grafen Bastiani geworden, der sie in treuer Ergebenheit ver¬
ehrte.

Von der Stunde deö Wiedersehens an beseelte nur ein Gefühl
die Brust des jungen Künstlers -- Liebe zu Cornelia. Er vermied
die Gesellschaft seiner Freunde und die lärmenden Gelage, um der
Gräfin wie ihr Schatten zu folgen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl


Comelia, rief es in ihm; und nachdem er entzückt Stunden lang ihr
mit seinen Augen gefolgt war, wendete er sich fast bebend an den
Herrn des Hauses, mit der Frage, wer die seltene Schönheit sei.

— Es ist die Gräfin Cornelia Bastiani, die Neuvermählte des
. . . sehen Gesandten, der sie führt, antwortete der Gefragte.

Giovanni stand einen Moment wie vernichtet. Cornelia sehen,
sie erkennen und lieben, war für ihn das Werk einer Minute gewe¬
sen. Während der Zeit, die er in sprachloser Wonne an ihrer Schön¬
heit gehangen, war eine lange Vergangenheit in seiner Seele ver¬
schwunden. Nur der Stunde gedachte er noch, da Cornelia, ein
Kind, ihn mit ihren Armen umschlungen, da der erste Ruhm und
die erste Liebe zugleich beseligend in seine traurige Kindheit geleuch¬
tet hatte. Vergessen war alles Andere z vergessen die Frauen, die ihm
Liebe gegeben, deren Gunst ihn beglückt und die seinem Herzen so
theuer gewesen. Nur flüchtige Neigung, sagte er sich, habe ihn an
diese gekettet — Cornelia war die einzige Liebe seines Lebens, der
Genius seiner Kunst gewesen, von Anfang an. Sie mußte er bestz-
zen oder untergehen.

Da klangen die Worte: Die Gräfin Cornelia Bastiani ist die
Neuvermählte des Mannes, der sie begleitet, mit Eiseskälte in sein
Herz; doch bald gedachte er des Gehörten nicht mehr. Junge Liebe
vergißt so gern und leicht, was ihr hemmend entgegensteht; um
Nichts zu denken, alö sich selbst.

Er ließ sich der Gräfin vorstellen und auch sie erkannte mit
leichtem Erröthen den jungen Künstler wieder, dem sie einst knieend
ihre Huldigung dargebracht, dem sie hatte Alles geben, wollen,
was sie damals besessen. Ost noch waren später ihre Gedanken zu
dem schönen Knaben zurückgekehrt, sein Ruhm hatte sie stolz und
froh gemacht; und vielleicht war es das Andenken an ihn gewesen,
das ihr Herz jeder anderen Liebe verschlossen. Ohne Widerstreben
war sie, auf den Wunsch ihres Vaters, die Gemahlin des edlen al¬
ten Grafen Bastiani geworden, der sie in treuer Ergebenheit ver¬
ehrte.

Von der Stunde deö Wiedersehens an beseelte nur ein Gefühl
die Brust des jungen Künstlers — Liebe zu Cornelia. Er vermied
die Gesellschaft seiner Freunde und die lärmenden Gelage, um der
Gräfin wie ihr Schatten zu folgen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl


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[0488] Comelia, rief es in ihm; und nachdem er entzückt Stunden lang ihr mit seinen Augen gefolgt war, wendete er sich fast bebend an den Herrn des Hauses, mit der Frage, wer die seltene Schönheit sei. — Es ist die Gräfin Cornelia Bastiani, die Neuvermählte des . . . sehen Gesandten, der sie führt, antwortete der Gefragte. Giovanni stand einen Moment wie vernichtet. Cornelia sehen, sie erkennen und lieben, war für ihn das Werk einer Minute gewe¬ sen. Während der Zeit, die er in sprachloser Wonne an ihrer Schön¬ heit gehangen, war eine lange Vergangenheit in seiner Seele ver¬ schwunden. Nur der Stunde gedachte er noch, da Cornelia, ein Kind, ihn mit ihren Armen umschlungen, da der erste Ruhm und die erste Liebe zugleich beseligend in seine traurige Kindheit geleuch¬ tet hatte. Vergessen war alles Andere z vergessen die Frauen, die ihm Liebe gegeben, deren Gunst ihn beglückt und die seinem Herzen so theuer gewesen. Nur flüchtige Neigung, sagte er sich, habe ihn an diese gekettet — Cornelia war die einzige Liebe seines Lebens, der Genius seiner Kunst gewesen, von Anfang an. Sie mußte er bestz- zen oder untergehen. Da klangen die Worte: Die Gräfin Cornelia Bastiani ist die Neuvermählte des Mannes, der sie begleitet, mit Eiseskälte in sein Herz; doch bald gedachte er des Gehörten nicht mehr. Junge Liebe vergißt so gern und leicht, was ihr hemmend entgegensteht; um Nichts zu denken, alö sich selbst. Er ließ sich der Gräfin vorstellen und auch sie erkannte mit leichtem Erröthen den jungen Künstler wieder, dem sie einst knieend ihre Huldigung dargebracht, dem sie hatte Alles geben, wollen, was sie damals besessen. Ost noch waren später ihre Gedanken zu dem schönen Knaben zurückgekehrt, sein Ruhm hatte sie stolz und froh gemacht; und vielleicht war es das Andenken an ihn gewesen, das ihr Herz jeder anderen Liebe verschlossen. Ohne Widerstreben war sie, auf den Wunsch ihres Vaters, die Gemahlin des edlen al¬ ten Grafen Bastiani geworden, der sie in treuer Ergebenheit ver¬ ehrte. Von der Stunde deö Wiedersehens an beseelte nur ein Gefühl die Brust des jungen Künstlers — Liebe zu Cornelia. Er vermied die Gesellschaft seiner Freunde und die lärmenden Gelage, um der Gräfin wie ihr Schatten zu folgen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/488>, abgerufen am 28.07.2024.