Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

war vergebens. Da fragte ich Dich eines Tages scherzend, was der
Maestro wohl dazu sagen würde, wenn ich darauf bestände, die
Frau eines Mannes zu werden, den ich liebte. Das sind unnütze
Grillen, sagtest Du mir, der Maestro wird Dich niemals von sich
lassen, denke daran nicht. -- Der Ausspruch nahm mir den Muth,
Dir mein Geheimniß zu vertrauen, und ich betete nur täglich, daß
Gott den Sinn des Maestro zu meinen Gunsten lenken möge.

So that ich auch heute, während Du im Salon des Grafen
B . . . spieltest. Ich hatte in der nahen Kirche die Messe gehört
und betete zur Madonna, sie möge den Geliebten beschützen und
mich bald in seine Arme führen. Als ich nun knieend zu der Got¬
tesmutter emporblickte, sah ich statt ihrer eine schöne junge Frau.
Die neigte sich zu mir herab und sprach: Maria! ich bin Deine
Mutter. Den Giovanni kann ich nicht erretten aus der Macht des
Bösen, denn sein Sinn ist gefangen in den Netzen der Welt und
hin fehlt der Glaube. Dich aber will ich erlösen und Dir soll ge¬
schehen, wie Du begehrst. Gehe heute nicht den gewohnten Weg,
wenn Du die Kirche verläßt, sondern kehre durch die kleine Hinter¬
thüre, über die alte verfallene Treppe heim und vertraue auf Got¬
tes Schutz. Dann breitete sie ihre Hände segnend über mich aus
und verschwand.

Noch ganz verwirrt und geblendet von der süßen Erscheinung,
that ich, wie sie mir geboten; und kaum stand ich auf der Treppe,
als die Stufen unter mir zu wanken schienen. Es mochte wohl
Täuschung sein, denn Fulvia ward es nicht gewahr. Mir aber
schwindelte, angstvoll klammerte ich mich mit beiden Händen an das
Eisengitter und wollte mich daran hallen; die Kraft verließ mich, ich
fiel hinab und mir- schwanden die Sinne. Fulvia hat mich nach
Hause bringen und den Arzt rufen lassen. Er hat erklärt, daß ich
die Hände gebrochen hätte und nie wieder im Stande sein würde,
das Klavier zu spielen.

-- Unglückliches Mädchen! rief Giovanni, der diesen Gedanken
nicht ertragen konnte.

-- Nicht doch! antwortete Maria. Ich leide wohl sehr, Gio¬
vanni! aber ich brauche mich doch nicht hören zu lassen, was mein
Geliebter nicht will. Die Erscheinung hat mir ja Schutz und Glück
verheißen und ich weiß, ich werde gesund und die Gattin meines


war vergebens. Da fragte ich Dich eines Tages scherzend, was der
Maestro wohl dazu sagen würde, wenn ich darauf bestände, die
Frau eines Mannes zu werden, den ich liebte. Das sind unnütze
Grillen, sagtest Du mir, der Maestro wird Dich niemals von sich
lassen, denke daran nicht. — Der Ausspruch nahm mir den Muth,
Dir mein Geheimniß zu vertrauen, und ich betete nur täglich, daß
Gott den Sinn des Maestro zu meinen Gunsten lenken möge.

So that ich auch heute, während Du im Salon des Grafen
B . . . spieltest. Ich hatte in der nahen Kirche die Messe gehört
und betete zur Madonna, sie möge den Geliebten beschützen und
mich bald in seine Arme führen. Als ich nun knieend zu der Got¬
tesmutter emporblickte, sah ich statt ihrer eine schöne junge Frau.
Die neigte sich zu mir herab und sprach: Maria! ich bin Deine
Mutter. Den Giovanni kann ich nicht erretten aus der Macht des
Bösen, denn sein Sinn ist gefangen in den Netzen der Welt und
hin fehlt der Glaube. Dich aber will ich erlösen und Dir soll ge¬
schehen, wie Du begehrst. Gehe heute nicht den gewohnten Weg,
wenn Du die Kirche verläßt, sondern kehre durch die kleine Hinter¬
thüre, über die alte verfallene Treppe heim und vertraue auf Got¬
tes Schutz. Dann breitete sie ihre Hände segnend über mich aus
und verschwand.

Noch ganz verwirrt und geblendet von der süßen Erscheinung,
that ich, wie sie mir geboten; und kaum stand ich auf der Treppe,
als die Stufen unter mir zu wanken schienen. Es mochte wohl
Täuschung sein, denn Fulvia ward es nicht gewahr. Mir aber
schwindelte, angstvoll klammerte ich mich mit beiden Händen an das
Eisengitter und wollte mich daran hallen; die Kraft verließ mich, ich
fiel hinab und mir- schwanden die Sinne. Fulvia hat mich nach
Hause bringen und den Arzt rufen lassen. Er hat erklärt, daß ich
die Hände gebrochen hätte und nie wieder im Stande sein würde,
das Klavier zu spielen.

— Unglückliches Mädchen! rief Giovanni, der diesen Gedanken
nicht ertragen konnte.

— Nicht doch! antwortete Maria. Ich leide wohl sehr, Gio¬
vanni! aber ich brauche mich doch nicht hören zu lassen, was mein
Geliebter nicht will. Die Erscheinung hat mir ja Schutz und Glück
verheißen und ich weiß, ich werde gesund und die Gattin meines


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181670"/>
            <p xml:id="ID_1373" prev="#ID_1372"> war vergebens. Da fragte ich Dich eines Tages scherzend, was der<lb/>
Maestro wohl dazu sagen würde, wenn ich darauf bestände, die<lb/>
Frau eines Mannes zu werden, den ich liebte. Das sind unnütze<lb/>
Grillen, sagtest Du mir, der Maestro wird Dich niemals von sich<lb/>
lassen, denke daran nicht. &#x2014; Der Ausspruch nahm mir den Muth,<lb/>
Dir mein Geheimniß zu vertrauen, und ich betete nur täglich, daß<lb/>
Gott den Sinn des Maestro zu meinen Gunsten lenken möge.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1374"> So that ich auch heute, während Du im Salon des Grafen<lb/>
B . . . spieltest. Ich hatte in der nahen Kirche die Messe gehört<lb/>
und betete zur Madonna, sie möge den Geliebten beschützen und<lb/>
mich bald in seine Arme führen. Als ich nun knieend zu der Got¬<lb/>
tesmutter emporblickte, sah ich statt ihrer eine schöne junge Frau.<lb/>
Die neigte sich zu mir herab und sprach: Maria! ich bin Deine<lb/>
Mutter. Den Giovanni kann ich nicht erretten aus der Macht des<lb/>
Bösen, denn sein Sinn ist gefangen in den Netzen der Welt und<lb/>
hin fehlt der Glaube. Dich aber will ich erlösen und Dir soll ge¬<lb/>
schehen, wie Du begehrst. Gehe heute nicht den gewohnten Weg,<lb/>
wenn Du die Kirche verläßt, sondern kehre durch die kleine Hinter¬<lb/>
thüre, über die alte verfallene Treppe heim und vertraue auf Got¬<lb/>
tes Schutz. Dann breitete sie ihre Hände segnend über mich aus<lb/>
und verschwand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1375"> Noch ganz verwirrt und geblendet von der süßen Erscheinung,<lb/>
that ich, wie sie mir geboten; und kaum stand ich auf der Treppe,<lb/>
als die Stufen unter mir zu wanken schienen. Es mochte wohl<lb/>
Täuschung sein, denn Fulvia ward es nicht gewahr. Mir aber<lb/>
schwindelte, angstvoll klammerte ich mich mit beiden Händen an das<lb/>
Eisengitter und wollte mich daran hallen; die Kraft verließ mich, ich<lb/>
fiel hinab und mir- schwanden die Sinne. Fulvia hat mich nach<lb/>
Hause bringen und den Arzt rufen lassen. Er hat erklärt, daß ich<lb/>
die Hände gebrochen hätte und nie wieder im Stande sein würde,<lb/>
das Klavier zu spielen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1376"> &#x2014; Unglückliches Mädchen! rief Giovanni, der diesen Gedanken<lb/>
nicht ertragen konnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1377" next="#ID_1378"> &#x2014; Nicht doch! antwortete Maria. Ich leide wohl sehr, Gio¬<lb/>
vanni! aber ich brauche mich doch nicht hören zu lassen, was mein<lb/>
Geliebter nicht will. Die Erscheinung hat mir ja Schutz und Glück<lb/>
verheißen und ich weiß, ich werde gesund und die Gattin meines</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0486] war vergebens. Da fragte ich Dich eines Tages scherzend, was der Maestro wohl dazu sagen würde, wenn ich darauf bestände, die Frau eines Mannes zu werden, den ich liebte. Das sind unnütze Grillen, sagtest Du mir, der Maestro wird Dich niemals von sich lassen, denke daran nicht. — Der Ausspruch nahm mir den Muth, Dir mein Geheimniß zu vertrauen, und ich betete nur täglich, daß Gott den Sinn des Maestro zu meinen Gunsten lenken möge. So that ich auch heute, während Du im Salon des Grafen B . . . spieltest. Ich hatte in der nahen Kirche die Messe gehört und betete zur Madonna, sie möge den Geliebten beschützen und mich bald in seine Arme führen. Als ich nun knieend zu der Got¬ tesmutter emporblickte, sah ich statt ihrer eine schöne junge Frau. Die neigte sich zu mir herab und sprach: Maria! ich bin Deine Mutter. Den Giovanni kann ich nicht erretten aus der Macht des Bösen, denn sein Sinn ist gefangen in den Netzen der Welt und hin fehlt der Glaube. Dich aber will ich erlösen und Dir soll ge¬ schehen, wie Du begehrst. Gehe heute nicht den gewohnten Weg, wenn Du die Kirche verläßt, sondern kehre durch die kleine Hinter¬ thüre, über die alte verfallene Treppe heim und vertraue auf Got¬ tes Schutz. Dann breitete sie ihre Hände segnend über mich aus und verschwand. Noch ganz verwirrt und geblendet von der süßen Erscheinung, that ich, wie sie mir geboten; und kaum stand ich auf der Treppe, als die Stufen unter mir zu wanken schienen. Es mochte wohl Täuschung sein, denn Fulvia ward es nicht gewahr. Mir aber schwindelte, angstvoll klammerte ich mich mit beiden Händen an das Eisengitter und wollte mich daran hallen; die Kraft verließ mich, ich fiel hinab und mir- schwanden die Sinne. Fulvia hat mich nach Hause bringen und den Arzt rufen lassen. Er hat erklärt, daß ich die Hände gebrochen hätte und nie wieder im Stande sein würde, das Klavier zu spielen. — Unglückliches Mädchen! rief Giovanni, der diesen Gedanken nicht ertragen konnte. — Nicht doch! antwortete Maria. Ich leide wohl sehr, Gio¬ vanni! aber ich brauche mich doch nicht hören zu lassen, was mein Geliebter nicht will. Die Erscheinung hat mir ja Schutz und Glück verheißen und ich weiß, ich werde gesund und die Gattin meines

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/486
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/486>, abgerufen am 28.07.2024.