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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Was sagen Sie dazu, daß auch unserer Stadtverordnetenversammlung
ein politischer Geist sich zu bemächtigen anfängt? Die Verweigerung
auch der sehr bedingten Oeffentlichkeit, auf welche die Majorität der¬
selben angetragen, scheint selbst die altväterischsten dieser Vater unserer
Stadt etwas verstimmtzuhaben,sodaß sieanfangen, an eine bessere Vertre¬
tung der letzteren bei den Provinzialständcn zu denken, die bisher"--wenig
stars in der Mark Brandenburg -- so entschieden für die dunkclstcHeimlich-
keit waren. Ein kürzlich in der Stadtverordnetenversammlung gestell¬
ter Antrag geht nun dahin, nicht blos die Vertretung Berlins, son¬
dern die des Standes der Städte überhaupt bei den Provinzialständen
zu verstärken. In denselben ist ausschließlich nur der Grundbesitz und
davon wieder mit überwiegender Macht der Rittergutsbesitz repräsen-
tirt, der ohnehin einen sehr naheliegenden Einfluß auf den Stand der
Bauerngutsbesitzer zu üben pflegt, so daß nicht blos die eigentliche
Intelligenz des Landes gar nicht vertreten, sondern der ti.or"-ot!et selbst
in seinen grundbesitzenden Mitgliedern in den Hintergrund gedrängt
ist. Zwar hat auf dem vorigen Landtage der bei mehreren provin-
zialständischen Versammlungen gemachte Antrag auf eine größere Be¬
theiligung der Städte bei der Repräsentation keine Zustimmung von
oben gefunden; es steht jedoch zu hoffen, daß ein solches Begehren,
das direct von der Hauptstadt des Landes ausgeht, größere Berücksich¬
tigung finden werde. Eine Nachricht über die Verhandlungen der
Stadtverordneten über diesen Gegenstand sollte kürzlich durch die hie¬
sigen Zeitungen veröffentlicht werven, doch wurde sie von der Censur
gestrichen, vorgeblich, weil das Gesetz eine solche Veröffentlichung nicht
gestatte. Das Obercensurgericht, an welches darauf rccurrirt wurde,
hat indessen zwischen einer Privatmittheilung dieser Art und amtlicher
Veröffentlichung einen Unterschied gemacht und erstere für vollkommen
zulässig erklärt, wahrend letztere -- allerdings nicht zum Vortheil der
Sache -- nach wie vor untersagt bleibt.

In diesem Augenblicke ist man damit beschäftigt, die Localver-
eine zu bilden, die dem mit seinem Vorstand und Ausschüsse bereits
organisirten Centralvcrein für das Wohl der arbeitenden Classen als
Ergänzung dienen sollen. Erst durch die Localvereine kann und will
der Eentralverein wirken, aber welche Gestalt, welchen Einfluß und
welche Wirksamkeit jene erhalten werden, das ist vorläufig noch nichr
zu sagen. Soll das Ganze nicht auf ein bloßes Spielen mit Asso¬
ciationen und populären Formen hinauslaufen, so werden dort die ar¬
beitenden Stande uno nicht blos, wie im Eentralverein, die Geheim-
räche und reichen Fabrikherren an das Ruder treten, und statt es bei
Pnlliativmittcln, wie die vorgeschlagenen Prämien-Sparkassen :c. be¬
wenden zu lassen, wird man in eine gründliche Untersuchung dessen,
was den Arbeitern Noth thut, eingehen müssen. Nun, wir wollen
sehen, wie sich diese Localvereine constituiren, um darnach zu beurthei-


Was sagen Sie dazu, daß auch unserer Stadtverordnetenversammlung
ein politischer Geist sich zu bemächtigen anfängt? Die Verweigerung
auch der sehr bedingten Oeffentlichkeit, auf welche die Majorität der¬
selben angetragen, scheint selbst die altväterischsten dieser Vater unserer
Stadt etwas verstimmtzuhaben,sodaß sieanfangen, an eine bessere Vertre¬
tung der letzteren bei den Provinzialständcn zu denken, die bisher«—wenig
stars in der Mark Brandenburg — so entschieden für die dunkclstcHeimlich-
keit waren. Ein kürzlich in der Stadtverordnetenversammlung gestell¬
ter Antrag geht nun dahin, nicht blos die Vertretung Berlins, son¬
dern die des Standes der Städte überhaupt bei den Provinzialständen
zu verstärken. In denselben ist ausschließlich nur der Grundbesitz und
davon wieder mit überwiegender Macht der Rittergutsbesitz repräsen-
tirt, der ohnehin einen sehr naheliegenden Einfluß auf den Stand der
Bauerngutsbesitzer zu üben pflegt, so daß nicht blos die eigentliche
Intelligenz des Landes gar nicht vertreten, sondern der ti.or«-ot!et selbst
in seinen grundbesitzenden Mitgliedern in den Hintergrund gedrängt
ist. Zwar hat auf dem vorigen Landtage der bei mehreren provin-
zialständischen Versammlungen gemachte Antrag auf eine größere Be¬
theiligung der Städte bei der Repräsentation keine Zustimmung von
oben gefunden; es steht jedoch zu hoffen, daß ein solches Begehren,
das direct von der Hauptstadt des Landes ausgeht, größere Berücksich¬
tigung finden werde. Eine Nachricht über die Verhandlungen der
Stadtverordneten über diesen Gegenstand sollte kürzlich durch die hie¬
sigen Zeitungen veröffentlicht werven, doch wurde sie von der Censur
gestrichen, vorgeblich, weil das Gesetz eine solche Veröffentlichung nicht
gestatte. Das Obercensurgericht, an welches darauf rccurrirt wurde,
hat indessen zwischen einer Privatmittheilung dieser Art und amtlicher
Veröffentlichung einen Unterschied gemacht und erstere für vollkommen
zulässig erklärt, wahrend letztere — allerdings nicht zum Vortheil der
Sache — nach wie vor untersagt bleibt.

In diesem Augenblicke ist man damit beschäftigt, die Localver-
eine zu bilden, die dem mit seinem Vorstand und Ausschüsse bereits
organisirten Centralvcrein für das Wohl der arbeitenden Classen als
Ergänzung dienen sollen. Erst durch die Localvereine kann und will
der Eentralverein wirken, aber welche Gestalt, welchen Einfluß und
welche Wirksamkeit jene erhalten werden, das ist vorläufig noch nichr
zu sagen. Soll das Ganze nicht auf ein bloßes Spielen mit Asso¬
ciationen und populären Formen hinauslaufen, so werden dort die ar¬
beitenden Stande uno nicht blos, wie im Eentralverein, die Geheim-
räche und reichen Fabrikherren an das Ruder treten, und statt es bei
Pnlliativmittcln, wie die vorgeschlagenen Prämien-Sparkassen :c. be¬
wenden zu lassen, wird man in eine gründliche Untersuchung dessen,
was den Arbeitern Noth thut, eingehen müssen. Nun, wir wollen
sehen, wie sich diese Localvereine constituiren, um darnach zu beurthei-


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[0478] Was sagen Sie dazu, daß auch unserer Stadtverordnetenversammlung ein politischer Geist sich zu bemächtigen anfängt? Die Verweigerung auch der sehr bedingten Oeffentlichkeit, auf welche die Majorität der¬ selben angetragen, scheint selbst die altväterischsten dieser Vater unserer Stadt etwas verstimmtzuhaben,sodaß sieanfangen, an eine bessere Vertre¬ tung der letzteren bei den Provinzialständcn zu denken, die bisher«—wenig stars in der Mark Brandenburg — so entschieden für die dunkclstcHeimlich- keit waren. Ein kürzlich in der Stadtverordnetenversammlung gestell¬ ter Antrag geht nun dahin, nicht blos die Vertretung Berlins, son¬ dern die des Standes der Städte überhaupt bei den Provinzialständen zu verstärken. In denselben ist ausschließlich nur der Grundbesitz und davon wieder mit überwiegender Macht der Rittergutsbesitz repräsen- tirt, der ohnehin einen sehr naheliegenden Einfluß auf den Stand der Bauerngutsbesitzer zu üben pflegt, so daß nicht blos die eigentliche Intelligenz des Landes gar nicht vertreten, sondern der ti.or«-ot!et selbst in seinen grundbesitzenden Mitgliedern in den Hintergrund gedrängt ist. Zwar hat auf dem vorigen Landtage der bei mehreren provin- zialständischen Versammlungen gemachte Antrag auf eine größere Be¬ theiligung der Städte bei der Repräsentation keine Zustimmung von oben gefunden; es steht jedoch zu hoffen, daß ein solches Begehren, das direct von der Hauptstadt des Landes ausgeht, größere Berücksich¬ tigung finden werde. Eine Nachricht über die Verhandlungen der Stadtverordneten über diesen Gegenstand sollte kürzlich durch die hie¬ sigen Zeitungen veröffentlicht werven, doch wurde sie von der Censur gestrichen, vorgeblich, weil das Gesetz eine solche Veröffentlichung nicht gestatte. Das Obercensurgericht, an welches darauf rccurrirt wurde, hat indessen zwischen einer Privatmittheilung dieser Art und amtlicher Veröffentlichung einen Unterschied gemacht und erstere für vollkommen zulässig erklärt, wahrend letztere — allerdings nicht zum Vortheil der Sache — nach wie vor untersagt bleibt. In diesem Augenblicke ist man damit beschäftigt, die Localver- eine zu bilden, die dem mit seinem Vorstand und Ausschüsse bereits organisirten Centralvcrein für das Wohl der arbeitenden Classen als Ergänzung dienen sollen. Erst durch die Localvereine kann und will der Eentralverein wirken, aber welche Gestalt, welchen Einfluß und welche Wirksamkeit jene erhalten werden, das ist vorläufig noch nichr zu sagen. Soll das Ganze nicht auf ein bloßes Spielen mit Asso¬ ciationen und populären Formen hinauslaufen, so werden dort die ar¬ beitenden Stande uno nicht blos, wie im Eentralverein, die Geheim- räche und reichen Fabrikherren an das Ruder treten, und statt es bei Pnlliativmittcln, wie die vorgeschlagenen Prämien-Sparkassen :c. be¬ wenden zu lassen, wird man in eine gründliche Untersuchung dessen, was den Arbeitern Noth thut, eingehen müssen. Nun, wir wollen sehen, wie sich diese Localvereine constituiren, um darnach zu beurthei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/478>, abgerufen am 27.07.2024.