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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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brunn mit Festgesängen begrüßt hat, scheint ihr ein günstigeres Gestirn
aufzugehen und man höheren Orts zu der Ueberzeugung gelangt zu
sein, daß durch Beförderung solcher harmlasen Genossenschaften am
besten der wüsten Sorte der Vergnügungssucht und dem Geist des
Unbehagens entgegengewirkt werden könne, der jetzt alle Kreise der
Gesellschaft wie ein häßlicher Alp zu erdrücken droht. Bei dem Con¬
cert für das in der Umgebung abgebrannte Dorf Sievering trat un¬
sere Liedertafel auf eine recht imposante Weise vor das Publicum, das
nunmehr den regsten Antheil nimmt an dem Bestand des jungen In¬
stituts, das freilich noch manchen Strauß auszukämpfen haben wird.
So wollte man nicht gestatten, daß auf dem Concertzettel der Aus¬
druck: Männergesangverein vorkomme und schlug darum das minder
demagogische Wort: Männerchor vor. So komisch nun auch diese
Silbcnstecherei erscheinen mochte, der Verein beharrte auf seinem Ver¬
einsrecht und stellte blos die Alternative, entweder als solcher angekün¬
digt zu werden, oder gänzlich aus dem Concerte wegzubleiben. Das
wirkte. Was indeß das Merkwürdigste bei dem ganzen Vorfalle ist,
die Hauptstadt blieb, obschon die Leute an allen Straßenecken von dem
Vereine gelesen hatten, vollkommen ruhig und das Pflaster rauchte
nicht von vergossenem Bürgerblut.

Man muß derlei verwegene Kämpfe manchmal an's Tageslicht
bringen, damit das Verdienst solcher Männer, welche trotz aller Schwie¬
rigkeiten an die Begründung nützlicher und reeller Werke gehen, ge¬
hörig gewürdigt werde, denn es erfordert ohne Zweifel mehr festen
Muth und entschiedene Mannheit, sich diesen Nadelstichen der Gewalt,
diesen Plänkeleien der starren Legalität auszusetzen, als sich mit der
Macht in eine große Schlacht einzulassen.'

Im Burgtheater hat eine Novität, Bergers Lustspiel: "Die
Körbe" einen noch schlechteren Erfolg gehabt, als die "Kronenwäch¬
ter", die aus Rücksicht für die darin eingestreuten loyalen Tiraden ei¬
nige Male gegeben wurden. Die Fama der Stadt hat sich dabei lä¬
cherlich gemacht, da sie "die Körbe" Herrn Holbein selber zuschrieb und
nicht zu wissen schien, daß Herr Berger, ein geborener Münchner, in
Stuttgart lebt. Auch die in diesen Blattern bereits erwähnten dra¬
maturgischen Artikel in der Wiener Hofzeitung, welche man anfangs
ebenfalls der Hofburgtheaterdirection zuschrieb, sind keineswegs aus
Holbein's Feder geflossen. Ihr Verfasser soll Albert Nimmer, ein ehe¬
maliger Offizier, jetzt Finanzbeamter und Mitredacteur der Wiener
Zeitung sein; sie sind auch nicht im Mindesten im Interesse der Thea¬
terverwaltung geschrieben, sondern ihr Ziel geht dahin, die Einrichtung
der Tantivme als die vernünftigste und gerechteste Honorirungsart dar¬
zustellen und deren allgemeine Durchführung bei allen deutschen Hof¬
buhnen dringend zu empfehlen, es geschieht dies meinem so schneidenden
Tone und mit so klarer Durchsichtigkeit der Theaterverhältnisse, daß


brunn mit Festgesängen begrüßt hat, scheint ihr ein günstigeres Gestirn
aufzugehen und man höheren Orts zu der Ueberzeugung gelangt zu
sein, daß durch Beförderung solcher harmlasen Genossenschaften am
besten der wüsten Sorte der Vergnügungssucht und dem Geist des
Unbehagens entgegengewirkt werden könne, der jetzt alle Kreise der
Gesellschaft wie ein häßlicher Alp zu erdrücken droht. Bei dem Con¬
cert für das in der Umgebung abgebrannte Dorf Sievering trat un¬
sere Liedertafel auf eine recht imposante Weise vor das Publicum, das
nunmehr den regsten Antheil nimmt an dem Bestand des jungen In¬
stituts, das freilich noch manchen Strauß auszukämpfen haben wird.
So wollte man nicht gestatten, daß auf dem Concertzettel der Aus¬
druck: Männergesangverein vorkomme und schlug darum das minder
demagogische Wort: Männerchor vor. So komisch nun auch diese
Silbcnstecherei erscheinen mochte, der Verein beharrte auf seinem Ver¬
einsrecht und stellte blos die Alternative, entweder als solcher angekün¬
digt zu werden, oder gänzlich aus dem Concerte wegzubleiben. Das
wirkte. Was indeß das Merkwürdigste bei dem ganzen Vorfalle ist,
die Hauptstadt blieb, obschon die Leute an allen Straßenecken von dem
Vereine gelesen hatten, vollkommen ruhig und das Pflaster rauchte
nicht von vergossenem Bürgerblut.

Man muß derlei verwegene Kämpfe manchmal an's Tageslicht
bringen, damit das Verdienst solcher Männer, welche trotz aller Schwie¬
rigkeiten an die Begründung nützlicher und reeller Werke gehen, ge¬
hörig gewürdigt werde, denn es erfordert ohne Zweifel mehr festen
Muth und entschiedene Mannheit, sich diesen Nadelstichen der Gewalt,
diesen Plänkeleien der starren Legalität auszusetzen, als sich mit der
Macht in eine große Schlacht einzulassen.'

Im Burgtheater hat eine Novität, Bergers Lustspiel: „Die
Körbe" einen noch schlechteren Erfolg gehabt, als die „Kronenwäch¬
ter", die aus Rücksicht für die darin eingestreuten loyalen Tiraden ei¬
nige Male gegeben wurden. Die Fama der Stadt hat sich dabei lä¬
cherlich gemacht, da sie „die Körbe" Herrn Holbein selber zuschrieb und
nicht zu wissen schien, daß Herr Berger, ein geborener Münchner, in
Stuttgart lebt. Auch die in diesen Blattern bereits erwähnten dra¬
maturgischen Artikel in der Wiener Hofzeitung, welche man anfangs
ebenfalls der Hofburgtheaterdirection zuschrieb, sind keineswegs aus
Holbein's Feder geflossen. Ihr Verfasser soll Albert Nimmer, ein ehe¬
maliger Offizier, jetzt Finanzbeamter und Mitredacteur der Wiener
Zeitung sein; sie sind auch nicht im Mindesten im Interesse der Thea¬
terverwaltung geschrieben, sondern ihr Ziel geht dahin, die Einrichtung
der Tantivme als die vernünftigste und gerechteste Honorirungsart dar¬
zustellen und deren allgemeine Durchführung bei allen deutschen Hof¬
buhnen dringend zu empfehlen, es geschieht dies meinem so schneidenden
Tone und mit so klarer Durchsichtigkeit der Theaterverhältnisse, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/473>, abgerufen am 01.09.2024.