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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ungen desselben konnten ihn bewegen, seine musikalischen Studien
fortzusehen, sich vor dem Publicum hören zu lassen, und der Mae¬
stro mußte sich begnügen, Maria zu produciren. Freilich war sie
nur eine mittelmäßige Künstlerin, im Vergleich zu Giovanni; aber
ihre jugendlich erblühende Schönheit, die Naivetät, mit der sie
die Galanterien der jungen Männer aufnahm, und die
sichtliche Freude, mit der sie der Beifall der Menge
erfüllte, sicherte ihr diesen ein für alle Mal. Wenn sie in dem
neuen Putz, den ihr Fulvia sorgfältig bereitete, vor dem sie begrü¬
ßenden Publicum erschien, war sie ein Bild der vollsten Zufrieden¬
heit und Freude.

Auch war sie es, die der Maestro fast täglich absendete, um
Giovanni's Starrsinn, wie er es nannte, zu überwinden. Aber ver¬
gebens. Der Jüngling blieb bei dem Gedanken, er sei ein gekaufter
Sklave und ein solcher nicht würdig, die freie Kunst zu üben, selbst
wenn er sie leidenschaftlich liebe.

Giovanni! daß Du mein bist und doch gelüstet Dich noch nach Frei¬
heit; so sollst Du frei sein von heute ab. Was Du erwirbst, soll
Dein sein; was Dich lockt, das sollst Du genießen, gehen und kom¬
men sollst Du, wie Du willst; nur der Kunst mußt Du treu blei¬
ben und mir Dein Leben lang. Das schwöre mir, und ich will
statt Deines Herrn Dein Sklave sein und Dich nach einigen Jah¬
ren auch nach der Heimach begleiten, wenn Du es dann noch willst.

Giovanni traute seinen Sinnen nicht; aber der Maestro wieder¬
holte den Vorschlag nochmals und forderte Giovanni auf, den Eid
zu leisten oder lieber ein Schreiben zu unterzeichnen, das er ihm zu
dem Zwecke vorhielt. Giovanni durchflog es und es enthielt Nichts,
als was der Maestro gesagt. Freudig eilte der Jüngling, seine Un¬
terschrift zu machen, der Maestro aber sagte: Gilt es Dir gleich,
mein Freund! so ritze ich Dir den Finger und Du unterzeichnest mit
Deinem Blute. --

Giovanni sah ihn betroffen an; aber jener wußte einen Scherz
daraus zu machen, begnügte sich mit der gewöhnlichen Unterschrift,
der Vertrag ward geschlossen und, um sich von der Wahrheit dessel-


ungen desselben konnten ihn bewegen, seine musikalischen Studien
fortzusehen, sich vor dem Publicum hören zu lassen, und der Mae¬
stro mußte sich begnügen, Maria zu produciren. Freilich war sie
nur eine mittelmäßige Künstlerin, im Vergleich zu Giovanni; aber
ihre jugendlich erblühende Schönheit, die Naivetät, mit der sie
die Galanterien der jungen Männer aufnahm, und die
sichtliche Freude, mit der sie der Beifall der Menge
erfüllte, sicherte ihr diesen ein für alle Mal. Wenn sie in dem
neuen Putz, den ihr Fulvia sorgfältig bereitete, vor dem sie begrü¬
ßenden Publicum erschien, war sie ein Bild der vollsten Zufrieden¬
heit und Freude.

Auch war sie es, die der Maestro fast täglich absendete, um
Giovanni's Starrsinn, wie er es nannte, zu überwinden. Aber ver¬
gebens. Der Jüngling blieb bei dem Gedanken, er sei ein gekaufter
Sklave und ein solcher nicht würdig, die freie Kunst zu üben, selbst
wenn er sie leidenschaftlich liebe.

Giovanni! daß Du mein bist und doch gelüstet Dich noch nach Frei¬
heit; so sollst Du frei sein von heute ab. Was Du erwirbst, soll
Dein sein; was Dich lockt, das sollst Du genießen, gehen und kom¬
men sollst Du, wie Du willst; nur der Kunst mußt Du treu blei¬
ben und mir Dein Leben lang. Das schwöre mir, und ich will
statt Deines Herrn Dein Sklave sein und Dich nach einigen Jah¬
ren auch nach der Heimach begleiten, wenn Du es dann noch willst.

Giovanni traute seinen Sinnen nicht; aber der Maestro wieder¬
holte den Vorschlag nochmals und forderte Giovanni auf, den Eid
zu leisten oder lieber ein Schreiben zu unterzeichnen, das er ihm zu
dem Zwecke vorhielt. Giovanni durchflog es und es enthielt Nichts,
als was der Maestro gesagt. Freudig eilte der Jüngling, seine Un¬
terschrift zu machen, der Maestro aber sagte: Gilt es Dir gleich,
mein Freund! so ritze ich Dir den Finger und Du unterzeichnest mit
Deinem Blute. —

Giovanni sah ihn betroffen an; aber jener wußte einen Scherz
daraus zu machen, begnügte sich mit der gewöhnlichen Unterschrift,
der Vertrag ward geschlossen und, um sich von der Wahrheit dessel-


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[0467] ungen desselben konnten ihn bewegen, seine musikalischen Studien fortzusehen, sich vor dem Publicum hören zu lassen, und der Mae¬ stro mußte sich begnügen, Maria zu produciren. Freilich war sie nur eine mittelmäßige Künstlerin, im Vergleich zu Giovanni; aber ihre jugendlich erblühende Schönheit, die Naivetät, mit der sie die Galanterien der jungen Männer aufnahm, und die sichtliche Freude, mit der sie der Beifall der Menge erfüllte, sicherte ihr diesen ein für alle Mal. Wenn sie in dem neuen Putz, den ihr Fulvia sorgfältig bereitete, vor dem sie begrü¬ ßenden Publicum erschien, war sie ein Bild der vollsten Zufrieden¬ heit und Freude. Auch war sie es, die der Maestro fast täglich absendete, um Giovanni's Starrsinn, wie er es nannte, zu überwinden. Aber ver¬ gebens. Der Jüngling blieb bei dem Gedanken, er sei ein gekaufter Sklave und ein solcher nicht würdig, die freie Kunst zu üben, selbst wenn er sie leidenschaftlich liebe. Giovanni! daß Du mein bist und doch gelüstet Dich noch nach Frei¬ heit; so sollst Du frei sein von heute ab. Was Du erwirbst, soll Dein sein; was Dich lockt, das sollst Du genießen, gehen und kom¬ men sollst Du, wie Du willst; nur der Kunst mußt Du treu blei¬ ben und mir Dein Leben lang. Das schwöre mir, und ich will statt Deines Herrn Dein Sklave sein und Dich nach einigen Jah¬ ren auch nach der Heimach begleiten, wenn Du es dann noch willst. Giovanni traute seinen Sinnen nicht; aber der Maestro wieder¬ holte den Vorschlag nochmals und forderte Giovanni auf, den Eid zu leisten oder lieber ein Schreiben zu unterzeichnen, das er ihm zu dem Zwecke vorhielt. Giovanni durchflog es und es enthielt Nichts, als was der Maestro gesagt. Freudig eilte der Jüngling, seine Un¬ terschrift zu machen, der Maestro aber sagte: Gilt es Dir gleich, mein Freund! so ritze ich Dir den Finger und Du unterzeichnest mit Deinem Blute. — Giovanni sah ihn betroffen an; aber jener wußte einen Scherz daraus zu machen, begnügte sich mit der gewöhnlichen Unterschrift, der Vertrag ward geschlossen und, um sich von der Wahrheit dessel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/467>, abgerufen am 01.09.2024.