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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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sen, und ich kehrte eigentlich nur aus Laune in Euerer Hütte ein,
weil es mir vorkam, als ob mich eine Stimme rief. Indeß bin ich
auch wohl müde! -- Mit diesen Worten ließ sich der Fremde auf
die Bank nieder und befahl dem Schiffer nochmals, die Diener zu
rufen.

Klaus ging hinaus und trat gleich darauf mit zwei Mohren
in feuerrother Livree in die Stube, welche allerlei seltsames Gera'es
und Gepäck trugen. Scheu zog sich Margarethe vor ihnen zurück,
denn sie hatte niemals solche schwarze Menschen gesehen, und die
Kinder verbargen sich weinend hinter der Mutter; nur Klaus blieb
ruhig, er war von seinen früheren Reisen an den Anblick gewöhnt.

Geschäftig gingen die schwarzen Diener hin und her, stellten
Feldstühle auf, deckten ein schönes Tuch über den alten wurmstichi¬
gen Tisch, der in der Stube stand, setzten silberne Leuchter mit leuch¬
tenden Kerzen darauf und schickten sich auf einen Wink ihres Herrn
an, ein Abendbrod zuzurichten, als sie bemerkten, daß kein Holz auf
dem Herde sei, um ein Feuer anzuzünden, und dies dem Herrn
meldeten.

Da stand der Herr selbst auf, ging zu dem Herde, fuhr mit
der flachen Hand darüber hin und plötzlich schlug knisternd eine helle
Flamme empor, ohne daß Holz oder sonst etwas Brennbares dort
vorhanden gewesen wäre. Es dauerte auch nicht lange, da stand der
Tisch für fünf Personen gedeckt, mit köstlichen Speisen besetzt, und der
Fremde forderte Klaus auf, mit Frau und Kindern an seiner Mahl¬
zeit Theil zu nehmen.

Klaus ließ sich das nicht zwei Mal sagen, und auch die Kin¬
der kamen herbei, gelockt von dem Geruch der ungekannten Lecker¬
bissen.

-- Kommt, meine Püppchen! sagte der Fremde und setzte sie
neben sich. Kommt, nehmt, was Euch gelüstet und laßt es Euch
schmecken.

Margarethe stand noch von fern. Ihr war die Verwandlung
unheimlich, die plötzlich in ihrer Hütte vorgegangen war. Sie konnte
kein Zutrauen zu dem Fremden fassen, sie fürchtete sich vor den
Schwarzen und hätte es lieber gehabt, daß die Kinder auf ihrem
Schooß an der trockenen Brodrinde genagt hätten, statt von dem
vornehmen Manne mit Kuchen und Wem gespeist zu werden.


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sen, und ich kehrte eigentlich nur aus Laune in Euerer Hütte ein,
weil es mir vorkam, als ob mich eine Stimme rief. Indeß bin ich
auch wohl müde! — Mit diesen Worten ließ sich der Fremde auf
die Bank nieder und befahl dem Schiffer nochmals, die Diener zu
rufen.

Klaus ging hinaus und trat gleich darauf mit zwei Mohren
in feuerrother Livree in die Stube, welche allerlei seltsames Gera'es
und Gepäck trugen. Scheu zog sich Margarethe vor ihnen zurück,
denn sie hatte niemals solche schwarze Menschen gesehen, und die
Kinder verbargen sich weinend hinter der Mutter; nur Klaus blieb
ruhig, er war von seinen früheren Reisen an den Anblick gewöhnt.

Geschäftig gingen die schwarzen Diener hin und her, stellten
Feldstühle auf, deckten ein schönes Tuch über den alten wurmstichi¬
gen Tisch, der in der Stube stand, setzten silberne Leuchter mit leuch¬
tenden Kerzen darauf und schickten sich auf einen Wink ihres Herrn
an, ein Abendbrod zuzurichten, als sie bemerkten, daß kein Holz auf
dem Herde sei, um ein Feuer anzuzünden, und dies dem Herrn
meldeten.

Da stand der Herr selbst auf, ging zu dem Herde, fuhr mit
der flachen Hand darüber hin und plötzlich schlug knisternd eine helle
Flamme empor, ohne daß Holz oder sonst etwas Brennbares dort
vorhanden gewesen wäre. Es dauerte auch nicht lange, da stand der
Tisch für fünf Personen gedeckt, mit köstlichen Speisen besetzt, und der
Fremde forderte Klaus auf, mit Frau und Kindern an seiner Mahl¬
zeit Theil zu nehmen.

Klaus ließ sich das nicht zwei Mal sagen, und auch die Kin¬
der kamen herbei, gelockt von dem Geruch der ungekannten Lecker¬
bissen.

— Kommt, meine Püppchen! sagte der Fremde und setzte sie
neben sich. Kommt, nehmt, was Euch gelüstet und laßt es Euch
schmecken.

Margarethe stand noch von fern. Ihr war die Verwandlung
unheimlich, die plötzlich in ihrer Hütte vorgegangen war. Sie konnte
kein Zutrauen zu dem Fremden fassen, sie fürchtete sich vor den
Schwarzen und hätte es lieber gehabt, daß die Kinder auf ihrem
Schooß an der trockenen Brodrinde genagt hätten, statt von dem
vornehmen Manne mit Kuchen und Wem gespeist zu werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/455>, abgerufen am 28.07.2024.