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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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garethe zog angstvoll die Kinder an sich, weil sie die rohe Wuth
des trunkenen Mannes kannte und fürchtete.

-- Nur nicht die Kinder! rief sie flehend und schob den Mann
auf seinen Sitz zurück.

-- Ich wollte, der Teufel holte sie und Dich! brummte Klaus.
Aber die Welt ist so lumpig geworden, daß der Teufel selbst Nichts
mit ihr zu thun haben mag. Sonst, wenn man' nur den Augen¬
blick recht abzupassen wußte, hatte man ein sorgenfreies Leben, Geld
und Gut vollauf, und der alte Satan war ein geduldiger Gläubi¬
ger. Daß ist nun auch vorbei! --

-- Um Jesu willen, Mann, sprich nicht so gottlos und noch dazu
in solchem Wetter! bat Margarethe. Es ist eine gräßliche Nacht, und
jeder Mensch weiß es, daß der Böse umgeht, wenn es im Herbst
und Winter donnert und blitzt, wie heute. Wenn er erschiene! --

-- Laß ihn kommen! hohnlachte Klaus und schauerte doch zu¬
sammen, als wieder ein Heller Blitz durch das Fenster leuchtete und
in demselben Augenblick ein großer Mann in der Thüre stand. Ent¬
setzt starrten Alle ihn an. Er war mager, aber wohlgewachsen, hatte
eine dunkle Gesichtsfarbe und kleine rabenschwarze Augen; sein schwar¬
zes Haar und der starke Bart machten ihn noch dunkler aussehen.
Auch seine Kleidung war ganz schwarz, als ob er Trauer trüge,
nur mitten auf seiner Brust funkelte ein blutrother Stein so hell und
blendend, daß man unwillkürlich den Blick abwendete und Marga¬
rethe nicht wußte, was ihr schreckhafter an dem Eintretenden erscheine:
der Stein auf der Brust des Fremden, oder dessen eben so unheim¬
lich leuchtende Augen.

-- Habt Ihr Obdach für einen Reisenden? fragte der Fremde
mit freundlicher, aber heiserer Stimme.

-- Ja! antwortete Klaus, Obdach ist da, aber weiter Nichts,
die Stube ist leer, wie Sie sehen.

-- Thut Nichts! ich führe mit mir, was ich bedarf. Geht hin¬
aus und laßt von meinen Dienern das Nöthige herbeischaffen. Mein
Wagen steht vor der Thüre, und ich wundere mich, daß Ihr weder
die Ankunft desselben, noch das Klopfen meiner Leute gehört habt.

-- Bei diesem Wetter, bei dem Brausen des Meeres--
wendete Margarethe ein.

-- O! das Wetter ist schön. Ich liebe solche Nächte zum Nei-


garethe zog angstvoll die Kinder an sich, weil sie die rohe Wuth
des trunkenen Mannes kannte und fürchtete.

— Nur nicht die Kinder! rief sie flehend und schob den Mann
auf seinen Sitz zurück.

— Ich wollte, der Teufel holte sie und Dich! brummte Klaus.
Aber die Welt ist so lumpig geworden, daß der Teufel selbst Nichts
mit ihr zu thun haben mag. Sonst, wenn man' nur den Augen¬
blick recht abzupassen wußte, hatte man ein sorgenfreies Leben, Geld
und Gut vollauf, und der alte Satan war ein geduldiger Gläubi¬
ger. Daß ist nun auch vorbei! —

— Um Jesu willen, Mann, sprich nicht so gottlos und noch dazu
in solchem Wetter! bat Margarethe. Es ist eine gräßliche Nacht, und
jeder Mensch weiß es, daß der Böse umgeht, wenn es im Herbst
und Winter donnert und blitzt, wie heute. Wenn er erschiene! —

— Laß ihn kommen! hohnlachte Klaus und schauerte doch zu¬
sammen, als wieder ein Heller Blitz durch das Fenster leuchtete und
in demselben Augenblick ein großer Mann in der Thüre stand. Ent¬
setzt starrten Alle ihn an. Er war mager, aber wohlgewachsen, hatte
eine dunkle Gesichtsfarbe und kleine rabenschwarze Augen; sein schwar¬
zes Haar und der starke Bart machten ihn noch dunkler aussehen.
Auch seine Kleidung war ganz schwarz, als ob er Trauer trüge,
nur mitten auf seiner Brust funkelte ein blutrother Stein so hell und
blendend, daß man unwillkürlich den Blick abwendete und Marga¬
rethe nicht wußte, was ihr schreckhafter an dem Eintretenden erscheine:
der Stein auf der Brust des Fremden, oder dessen eben so unheim¬
lich leuchtende Augen.

— Habt Ihr Obdach für einen Reisenden? fragte der Fremde
mit freundlicher, aber heiserer Stimme.

— Ja! antwortete Klaus, Obdach ist da, aber weiter Nichts,
die Stube ist leer, wie Sie sehen.

— Thut Nichts! ich führe mit mir, was ich bedarf. Geht hin¬
aus und laßt von meinen Dienern das Nöthige herbeischaffen. Mein
Wagen steht vor der Thüre, und ich wundere mich, daß Ihr weder
die Ankunft desselben, noch das Klopfen meiner Leute gehört habt.

— Bei diesem Wetter, bei dem Brausen des Meeres--
wendete Margarethe ein.

— O! das Wetter ist schön. Ich liebe solche Nächte zum Nei-


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[0454] garethe zog angstvoll die Kinder an sich, weil sie die rohe Wuth des trunkenen Mannes kannte und fürchtete. — Nur nicht die Kinder! rief sie flehend und schob den Mann auf seinen Sitz zurück. — Ich wollte, der Teufel holte sie und Dich! brummte Klaus. Aber die Welt ist so lumpig geworden, daß der Teufel selbst Nichts mit ihr zu thun haben mag. Sonst, wenn man' nur den Augen¬ blick recht abzupassen wußte, hatte man ein sorgenfreies Leben, Geld und Gut vollauf, und der alte Satan war ein geduldiger Gläubi¬ ger. Daß ist nun auch vorbei! — — Um Jesu willen, Mann, sprich nicht so gottlos und noch dazu in solchem Wetter! bat Margarethe. Es ist eine gräßliche Nacht, und jeder Mensch weiß es, daß der Böse umgeht, wenn es im Herbst und Winter donnert und blitzt, wie heute. Wenn er erschiene! — — Laß ihn kommen! hohnlachte Klaus und schauerte doch zu¬ sammen, als wieder ein Heller Blitz durch das Fenster leuchtete und in demselben Augenblick ein großer Mann in der Thüre stand. Ent¬ setzt starrten Alle ihn an. Er war mager, aber wohlgewachsen, hatte eine dunkle Gesichtsfarbe und kleine rabenschwarze Augen; sein schwar¬ zes Haar und der starke Bart machten ihn noch dunkler aussehen. Auch seine Kleidung war ganz schwarz, als ob er Trauer trüge, nur mitten auf seiner Brust funkelte ein blutrother Stein so hell und blendend, daß man unwillkürlich den Blick abwendete und Marga¬ rethe nicht wußte, was ihr schreckhafter an dem Eintretenden erscheine: der Stein auf der Brust des Fremden, oder dessen eben so unheim¬ lich leuchtende Augen. — Habt Ihr Obdach für einen Reisenden? fragte der Fremde mit freundlicher, aber heiserer Stimme. — Ja! antwortete Klaus, Obdach ist da, aber weiter Nichts, die Stube ist leer, wie Sie sehen. — Thut Nichts! ich führe mit mir, was ich bedarf. Geht hin¬ aus und laßt von meinen Dienern das Nöthige herbeischaffen. Mein Wagen steht vor der Thüre, und ich wundere mich, daß Ihr weder die Ankunft desselben, noch das Klopfen meiner Leute gehört habt. — Bei diesem Wetter, bei dem Brausen des Meeres-- wendete Margarethe ein. — O! das Wetter ist schön. Ich liebe solche Nächte zum Nei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/454>, abgerufen am 28.07.2024.