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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ein dummer Teufel, wenn er nicht mit der Zeit fortzuschreiten ver¬
stände. Den Pferdefuß, Hörner und dergleichen Zierrathen hatte er
schon zu Faust's Zeiten abgelegt. Damals erschien er im Mäntelchen
von starrer Seide, die Hahnenfeder auf dem Hut; seitdem aber ist
er noch moderner geworden und wandelt in mancherlei Gestalt um¬
her, seelenraubend, ohne daß die Meisten es merken. Sie
sehen einen Menschen zu Grunde gehen und denken, er ist eben durch
seine Schuld zu Grunde gegangen. Der Teufel hat ihn ge¬
holt! das sagt man nicht mehr, das findet man unschicklich und lächer¬
lich; und dennoch werde ich Euch eine Geschichte erzählen, die Euch
beweisen soll, daß noch jetzt, im Jahre 184 ., trotz Strauß und
Feuerbach, der Teufel umhergeht und die Menschen holt. Hört nur
zu! - '

Es war ein nordischer October-Abend, der Sturm heulte, helle
Blitze fuhren durch die tiefe Dunkelheit und prasselnd schlugen Hagel
und Regen gegen die kleinen Fenster einer verfallenen Schifferhütte,
am Gestade der Nordsee. Drinnen saß der Schiffer, ein Mann mit
wildverworrenem Haare, den Kopf in die Hände gestützt, und starrte
düster vor sich hin. Das Zimmer war kalt und wüst, wie nur gänz¬
liche Armuth es kennt. Kein Feuer brannte auf dem Herde und
eine Kienfackel, die zwischen die Spalten der Bretterwand gesteckt
war, verbreitete ein flackerndes, ungleiches Licht über den Raum, auf
dem Margarethe, die junge Frau des Schiffers, mit ihren Kindern
saß.

Damals, als der Schiffer Klaus sein junges Weib heimgeholt,
war es anders gewesen. Aus der Fremde in das Dorf gekommen,
in dem Margarethe mit ihrer Mutter wohnte, hatte er viel Geld
mitgebracht, das er als Bootsmann in fremden Diensten erworben
hatte, Haus und Hof gekauft und -- obgleich er alt war und rauh
von Sitten -- war Margarethe von vielen Dirnen beneidet worden
um den reichen Freier. Gefallen hatte ihr der Bräutigam wohl eben
nicht, doch da ihr Herz noch keine andere Wahl getroffen, war sie
mit ihm zum Altar gegangen. 'Sie wollte ihn pflegen und ihm zu
Diensten sein nach bestem Wissen; sie hoffte ihrer alten kranken Mut¬
ter einen Beistand zu schaffen durch den reichen Schwiegersohn und
Schutz zu finden an ihrem Manne, wenn ihre Mutter einst sterben
sollte.


ein dummer Teufel, wenn er nicht mit der Zeit fortzuschreiten ver¬
stände. Den Pferdefuß, Hörner und dergleichen Zierrathen hatte er
schon zu Faust's Zeiten abgelegt. Damals erschien er im Mäntelchen
von starrer Seide, die Hahnenfeder auf dem Hut; seitdem aber ist
er noch moderner geworden und wandelt in mancherlei Gestalt um¬
her, seelenraubend, ohne daß die Meisten es merken. Sie
sehen einen Menschen zu Grunde gehen und denken, er ist eben durch
seine Schuld zu Grunde gegangen. Der Teufel hat ihn ge¬
holt! das sagt man nicht mehr, das findet man unschicklich und lächer¬
lich; und dennoch werde ich Euch eine Geschichte erzählen, die Euch
beweisen soll, daß noch jetzt, im Jahre 184 ., trotz Strauß und
Feuerbach, der Teufel umhergeht und die Menschen holt. Hört nur
zu! - '

Es war ein nordischer October-Abend, der Sturm heulte, helle
Blitze fuhren durch die tiefe Dunkelheit und prasselnd schlugen Hagel
und Regen gegen die kleinen Fenster einer verfallenen Schifferhütte,
am Gestade der Nordsee. Drinnen saß der Schiffer, ein Mann mit
wildverworrenem Haare, den Kopf in die Hände gestützt, und starrte
düster vor sich hin. Das Zimmer war kalt und wüst, wie nur gänz¬
liche Armuth es kennt. Kein Feuer brannte auf dem Herde und
eine Kienfackel, die zwischen die Spalten der Bretterwand gesteckt
war, verbreitete ein flackerndes, ungleiches Licht über den Raum, auf
dem Margarethe, die junge Frau des Schiffers, mit ihren Kindern
saß.

Damals, als der Schiffer Klaus sein junges Weib heimgeholt,
war es anders gewesen. Aus der Fremde in das Dorf gekommen,
in dem Margarethe mit ihrer Mutter wohnte, hatte er viel Geld
mitgebracht, das er als Bootsmann in fremden Diensten erworben
hatte, Haus und Hof gekauft und — obgleich er alt war und rauh
von Sitten — war Margarethe von vielen Dirnen beneidet worden
um den reichen Freier. Gefallen hatte ihr der Bräutigam wohl eben
nicht, doch da ihr Herz noch keine andere Wahl getroffen, war sie
mit ihm zum Altar gegangen. 'Sie wollte ihn pflegen und ihm zu
Diensten sein nach bestem Wissen; sie hoffte ihrer alten kranken Mut¬
ter einen Beistand zu schaffen durch den reichen Schwiegersohn und
Schutz zu finden an ihrem Manne, wenn ihre Mutter einst sterben
sollte.


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[0452] ein dummer Teufel, wenn er nicht mit der Zeit fortzuschreiten ver¬ stände. Den Pferdefuß, Hörner und dergleichen Zierrathen hatte er schon zu Faust's Zeiten abgelegt. Damals erschien er im Mäntelchen von starrer Seide, die Hahnenfeder auf dem Hut; seitdem aber ist er noch moderner geworden und wandelt in mancherlei Gestalt um¬ her, seelenraubend, ohne daß die Meisten es merken. Sie sehen einen Menschen zu Grunde gehen und denken, er ist eben durch seine Schuld zu Grunde gegangen. Der Teufel hat ihn ge¬ holt! das sagt man nicht mehr, das findet man unschicklich und lächer¬ lich; und dennoch werde ich Euch eine Geschichte erzählen, die Euch beweisen soll, daß noch jetzt, im Jahre 184 ., trotz Strauß und Feuerbach, der Teufel umhergeht und die Menschen holt. Hört nur zu! - ' Es war ein nordischer October-Abend, der Sturm heulte, helle Blitze fuhren durch die tiefe Dunkelheit und prasselnd schlugen Hagel und Regen gegen die kleinen Fenster einer verfallenen Schifferhütte, am Gestade der Nordsee. Drinnen saß der Schiffer, ein Mann mit wildverworrenem Haare, den Kopf in die Hände gestützt, und starrte düster vor sich hin. Das Zimmer war kalt und wüst, wie nur gänz¬ liche Armuth es kennt. Kein Feuer brannte auf dem Herde und eine Kienfackel, die zwischen die Spalten der Bretterwand gesteckt war, verbreitete ein flackerndes, ungleiches Licht über den Raum, auf dem Margarethe, die junge Frau des Schiffers, mit ihren Kindern saß. Damals, als der Schiffer Klaus sein junges Weib heimgeholt, war es anders gewesen. Aus der Fremde in das Dorf gekommen, in dem Margarethe mit ihrer Mutter wohnte, hatte er viel Geld mitgebracht, das er als Bootsmann in fremden Diensten erworben hatte, Haus und Hof gekauft und — obgleich er alt war und rauh von Sitten — war Margarethe von vielen Dirnen beneidet worden um den reichen Freier. Gefallen hatte ihr der Bräutigam wohl eben nicht, doch da ihr Herz noch keine andere Wahl getroffen, war sie mit ihm zum Altar gegangen. 'Sie wollte ihn pflegen und ihm zu Diensten sein nach bestem Wissen; sie hoffte ihrer alten kranken Mut¬ ter einen Beistand zu schaffen durch den reichen Schwiegersohn und Schutz zu finden an ihrem Manne, wenn ihre Mutter einst sterben sollte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/452>, abgerufen am 01.09.2024.