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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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nördlichen schleswigschen Distrikte über die Sprachsache und über
ihre politische Stellung gegen Dänemark.

Schleswig hat sich früh von Dänemark gesondert; eine Tren¬
nung, die bis auf den heutigen Tag bestanden hat. AM den Land¬
thingen der einzelnen dänischen Landschaften bildeten sich die gemein¬
schaftlichen Reichsversammlungen für das ganze Land, die dänischen
Reichstage. Schleswig war davon ausgeschlossen. Nie haben Schles¬
wiger an den dänischen Reichsversammlungen Theil genommen; sie
sind nie dazu berufen. Dabei war die Entwickelung der Volksrechte
in Dänemark eine andere als in Schleswig. In Dänemark wurde
der Bauernstand, der ursprünglich den ersten und einzigen Stand bil¬
dete, zu den Reichstagen berufen, nicht so in Schleswig zu den
Landtagen. Durch Einfluß der dänischen Verhältnisse wurde der
Bauernstand in Schleswig und in Holstein nie so sehr und so all¬
gemein wie in Deutschland unterdrückt. In den Harden und Aem¬
tern blieben freie Eigenthümer. Nur auf den Gütern des Adels ge¬
lang die Unterdrückung der Bauern. Aber das Beispiel des holstei¬
nischen Adels war wieder einflußreich auf den dänischen und führte
hier zur Unterjochung der übrigen Stände durch den Adel, bis durch
die Revolution von 1660 die Macht des Adels in Dänemark gänz¬
lich gebrochen, durch das Staatsgrundgesetz, die lex reZia, die un¬
umschränkte Regierungsform in Dänemark eingeführt wurde. Diese
Ivx rv^i-t ist nie in Schleswig giltig gewesen. Die Schleswig'schen
Stände vereinigten sich 1460 mit den holsteinischen, nachdem sie seit
1397 öfter gemeinschaftlich verhandelt und diese gemeinschaftlichen
schleswtg-holsteinischen Landtage bestanden seitdem bis in's achtzehnte
Jahrhundert. Durch diese gemeinschaftlichen Landtage, so wie durch
die seit 1522 bestehende gemeinschaftliche Regierung entstand eine ein¬
heitliche Gesetzgebung und Verwaltung beider Herzogthümer. Die
Trennung Schleswigs von Dänemark und die Vereinigung desselben
zu ewigen Zeiten mit Holstein war Grundbedingung, als die Stände
beider Lande 1460 den König von Dänemark nicht als einen König
von Dänemark, sondern als Herrn dieser Lande wählten, weshalb
der König von Dänemark sich noch gegenwärtig in den Herzogthü-
mern Herzog nennt. "Die Lostrennung der Gesetzgebung eines Staats-
theilö von dem Staate ist der sicherste staatsrechtliche Beweis, daß
die Staatsgewalt sich ebenfalls getrennt hat. So ausgebildet auch


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nördlichen schleswigschen Distrikte über die Sprachsache und über
ihre politische Stellung gegen Dänemark.

Schleswig hat sich früh von Dänemark gesondert; eine Tren¬
nung, die bis auf den heutigen Tag bestanden hat. AM den Land¬
thingen der einzelnen dänischen Landschaften bildeten sich die gemein¬
schaftlichen Reichsversammlungen für das ganze Land, die dänischen
Reichstage. Schleswig war davon ausgeschlossen. Nie haben Schles¬
wiger an den dänischen Reichsversammlungen Theil genommen; sie
sind nie dazu berufen. Dabei war die Entwickelung der Volksrechte
in Dänemark eine andere als in Schleswig. In Dänemark wurde
der Bauernstand, der ursprünglich den ersten und einzigen Stand bil¬
dete, zu den Reichstagen berufen, nicht so in Schleswig zu den
Landtagen. Durch Einfluß der dänischen Verhältnisse wurde der
Bauernstand in Schleswig und in Holstein nie so sehr und so all¬
gemein wie in Deutschland unterdrückt. In den Harden und Aem¬
tern blieben freie Eigenthümer. Nur auf den Gütern des Adels ge¬
lang die Unterdrückung der Bauern. Aber das Beispiel des holstei¬
nischen Adels war wieder einflußreich auf den dänischen und führte
hier zur Unterjochung der übrigen Stände durch den Adel, bis durch
die Revolution von 1660 die Macht des Adels in Dänemark gänz¬
lich gebrochen, durch das Staatsgrundgesetz, die lex reZia, die un¬
umschränkte Regierungsform in Dänemark eingeführt wurde. Diese
Ivx rv^i-t ist nie in Schleswig giltig gewesen. Die Schleswig'schen
Stände vereinigten sich 1460 mit den holsteinischen, nachdem sie seit
1397 öfter gemeinschaftlich verhandelt und diese gemeinschaftlichen
schleswtg-holsteinischen Landtage bestanden seitdem bis in's achtzehnte
Jahrhundert. Durch diese gemeinschaftlichen Landtage, so wie durch
die seit 1522 bestehende gemeinschaftliche Regierung entstand eine ein¬
heitliche Gesetzgebung und Verwaltung beider Herzogthümer. Die
Trennung Schleswigs von Dänemark und die Vereinigung desselben
zu ewigen Zeiten mit Holstein war Grundbedingung, als die Stände
beider Lande 1460 den König von Dänemark nicht als einen König
von Dänemark, sondern als Herrn dieser Lande wählten, weshalb
der König von Dänemark sich noch gegenwärtig in den Herzogthü-
mern Herzog nennt. „Die Lostrennung der Gesetzgebung eines Staats-
theilö von dem Staate ist der sicherste staatsrechtliche Beweis, daß
die Staatsgewalt sich ebenfalls getrennt hat. So ausgebildet auch


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[0447] nördlichen schleswigschen Distrikte über die Sprachsache und über ihre politische Stellung gegen Dänemark. Schleswig hat sich früh von Dänemark gesondert; eine Tren¬ nung, die bis auf den heutigen Tag bestanden hat. AM den Land¬ thingen der einzelnen dänischen Landschaften bildeten sich die gemein¬ schaftlichen Reichsversammlungen für das ganze Land, die dänischen Reichstage. Schleswig war davon ausgeschlossen. Nie haben Schles¬ wiger an den dänischen Reichsversammlungen Theil genommen; sie sind nie dazu berufen. Dabei war die Entwickelung der Volksrechte in Dänemark eine andere als in Schleswig. In Dänemark wurde der Bauernstand, der ursprünglich den ersten und einzigen Stand bil¬ dete, zu den Reichstagen berufen, nicht so in Schleswig zu den Landtagen. Durch Einfluß der dänischen Verhältnisse wurde der Bauernstand in Schleswig und in Holstein nie so sehr und so all¬ gemein wie in Deutschland unterdrückt. In den Harden und Aem¬ tern blieben freie Eigenthümer. Nur auf den Gütern des Adels ge¬ lang die Unterdrückung der Bauern. Aber das Beispiel des holstei¬ nischen Adels war wieder einflußreich auf den dänischen und führte hier zur Unterjochung der übrigen Stände durch den Adel, bis durch die Revolution von 1660 die Macht des Adels in Dänemark gänz¬ lich gebrochen, durch das Staatsgrundgesetz, die lex reZia, die un¬ umschränkte Regierungsform in Dänemark eingeführt wurde. Diese Ivx rv^i-t ist nie in Schleswig giltig gewesen. Die Schleswig'schen Stände vereinigten sich 1460 mit den holsteinischen, nachdem sie seit 1397 öfter gemeinschaftlich verhandelt und diese gemeinschaftlichen schleswtg-holsteinischen Landtage bestanden seitdem bis in's achtzehnte Jahrhundert. Durch diese gemeinschaftlichen Landtage, so wie durch die seit 1522 bestehende gemeinschaftliche Regierung entstand eine ein¬ heitliche Gesetzgebung und Verwaltung beider Herzogthümer. Die Trennung Schleswigs von Dänemark und die Vereinigung desselben zu ewigen Zeiten mit Holstein war Grundbedingung, als die Stände beider Lande 1460 den König von Dänemark nicht als einen König von Dänemark, sondern als Herrn dieser Lande wählten, weshalb der König von Dänemark sich noch gegenwärtig in den Herzogthü- mern Herzog nennt. „Die Lostrennung der Gesetzgebung eines Staats- theilö von dem Staate ist der sicherste staatsrechtliche Beweis, daß die Staatsgewalt sich ebenfalls getrennt hat. So ausgebildet auch »6»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/447>, abgerufen am 28.07.2024.