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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ehrlich und zu gedankenschwer. Uebcigens standen Hrn. v. Bomstedk
bedeutende Mittel zu Gebote und er hat zuletzt noch die Bekanntschaft
mit der Berliner Polizei machen müssen.

Die Kunstausstellung wird morgen geschlossen. Trotz aller hin¬
haltenden Versicherungen haben wir das Gemälde Hübner's, die
"schlcstschen Weber" nicht bekommen. Von dem Eigenthümer, einem
bremischen Kaufmanne, war nicht die geringste Schwierigkeit gemacht,
aber man hat in Berlin angefangen, überall kommunistische Schreck¬
-- /?. bilder zu wittern.


M.
Ans Hamburg.

Nachschrift zum letzten Bericht aus Hamburq: Die Diction in Gutzkow's Pu-
garschess. -- Maria von Weber's Asche.

------Auch der Sprache des Pugatscheff läßt sich viel Rühmliches
nachsagen. Gutzkow hat zum ersten Mal die allgemeine Heerstraße der
Poesie verlassen und schifft im Luftballon des Verses. Seine Jam¬
ben sind großentheils kräftig und gedrungen. Man stößt freilich auch
auf dunkle und schwülstige Phrasen, auf geschwollene Floskeln und
aufgedunsene Bilder, doch sind diese gegen die wirklich .schönen und
originellen keineswegs überwiegend. Die verfänglichste und unverständ¬
lichste, selbst im Zusammenhange nicht klarer werdende Stelle im Pu¬
gatscheff ist die im dritten Acte (vierte Scene), als der Held des Dra¬
mas, in den Conflicten zwischen der Liebe zu seinem angetrauten
Weibe Sophie und der ihm gewaltsam aufgedrungenen Hetmanstoch-
ter Ustinga, den Monolog hält:


"Was soll ich thun? Vielleicht noch wär es Zeit,
Won diesem blut'gen Spiele mich zu trennen --
Ich fühl's, nun geht es aufwärts, immer höher,
Zum schwindelnden Bergessen meiner selbst, --
Zum neuen Leben, wo das Schicksal Alles,
Das Frevelndste von mir verlangen darf --
Ich kann nicht folgen! Nein, Du guter Geist,
Der meine Pfade mich bisher geleitet,
Bleib' mir zur Seite, weiche nicht von mir!
Des Volks gerechte Sache hat gerufen
Und flammenglühend schlägt für sie mein Herz;
Doch daß man ihr sein Bestes opfern sollte,
Daß man im Drang der allgemeinen Noth
Sein eigen Herz selbst in die Flammen wirst
Und Weib und Kind dem Wohl der Freiheit opfert:
Das ist nicht wahr. Mag's die Geschichte sagen,
Mag's auch in tausend Heldenliedern leben!
Ich sage: Rein! Das hat sich nie begeben.

(Stürzt aus den Sessel nieder und verhüllt sein Angesicht.)

Grcnzbetcn I"4i. II. ^

ehrlich und zu gedankenschwer. Uebcigens standen Hrn. v. Bomstedk
bedeutende Mittel zu Gebote und er hat zuletzt noch die Bekanntschaft
mit der Berliner Polizei machen müssen.

Die Kunstausstellung wird morgen geschlossen. Trotz aller hin¬
haltenden Versicherungen haben wir das Gemälde Hübner's, die
„schlcstschen Weber" nicht bekommen. Von dem Eigenthümer, einem
bremischen Kaufmanne, war nicht die geringste Schwierigkeit gemacht,
aber man hat in Berlin angefangen, überall kommunistische Schreck¬
— /?. bilder zu wittern.


M.
Ans Hamburg.

Nachschrift zum letzten Bericht aus Hamburq: Die Diction in Gutzkow's Pu-
garschess. — Maria von Weber's Asche.

------Auch der Sprache des Pugatscheff läßt sich viel Rühmliches
nachsagen. Gutzkow hat zum ersten Mal die allgemeine Heerstraße der
Poesie verlassen und schifft im Luftballon des Verses. Seine Jam¬
ben sind großentheils kräftig und gedrungen. Man stößt freilich auch
auf dunkle und schwülstige Phrasen, auf geschwollene Floskeln und
aufgedunsene Bilder, doch sind diese gegen die wirklich .schönen und
originellen keineswegs überwiegend. Die verfänglichste und unverständ¬
lichste, selbst im Zusammenhange nicht klarer werdende Stelle im Pu¬
gatscheff ist die im dritten Acte (vierte Scene), als der Held des Dra¬
mas, in den Conflicten zwischen der Liebe zu seinem angetrauten
Weibe Sophie und der ihm gewaltsam aufgedrungenen Hetmanstoch-
ter Ustinga, den Monolog hält:


„Was soll ich thun? Vielleicht noch wär es Zeit,
Won diesem blut'gen Spiele mich zu trennen —
Ich fühl's, nun geht es aufwärts, immer höher,
Zum schwindelnden Bergessen meiner selbst, —
Zum neuen Leben, wo das Schicksal Alles,
Das Frevelndste von mir verlangen darf —
Ich kann nicht folgen! Nein, Du guter Geist,
Der meine Pfade mich bisher geleitet,
Bleib' mir zur Seite, weiche nicht von mir!
Des Volks gerechte Sache hat gerufen
Und flammenglühend schlägt für sie mein Herz;
Doch daß man ihr sein Bestes opfern sollte,
Daß man im Drang der allgemeinen Noth
Sein eigen Herz selbst in die Flammen wirst
Und Weib und Kind dem Wohl der Freiheit opfert:
Das ist nicht wahr. Mag's die Geschichte sagen,
Mag's auch in tausend Heldenliedern leben!
Ich sage: Rein! Das hat sich nie begeben.

(Stürzt aus den Sessel nieder und verhüllt sein Angesicht.)

Grcnzbetcn I»4i. II. ^
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[0429] ehrlich und zu gedankenschwer. Uebcigens standen Hrn. v. Bomstedk bedeutende Mittel zu Gebote und er hat zuletzt noch die Bekanntschaft mit der Berliner Polizei machen müssen. Die Kunstausstellung wird morgen geschlossen. Trotz aller hin¬ haltenden Versicherungen haben wir das Gemälde Hübner's, die „schlcstschen Weber" nicht bekommen. Von dem Eigenthümer, einem bremischen Kaufmanne, war nicht die geringste Schwierigkeit gemacht, aber man hat in Berlin angefangen, überall kommunistische Schreck¬ — /?. bilder zu wittern. M. Ans Hamburg. Nachschrift zum letzten Bericht aus Hamburq: Die Diction in Gutzkow's Pu- garschess. — Maria von Weber's Asche. ------Auch der Sprache des Pugatscheff läßt sich viel Rühmliches nachsagen. Gutzkow hat zum ersten Mal die allgemeine Heerstraße der Poesie verlassen und schifft im Luftballon des Verses. Seine Jam¬ ben sind großentheils kräftig und gedrungen. Man stößt freilich auch auf dunkle und schwülstige Phrasen, auf geschwollene Floskeln und aufgedunsene Bilder, doch sind diese gegen die wirklich .schönen und originellen keineswegs überwiegend. Die verfänglichste und unverständ¬ lichste, selbst im Zusammenhange nicht klarer werdende Stelle im Pu¬ gatscheff ist die im dritten Acte (vierte Scene), als der Held des Dra¬ mas, in den Conflicten zwischen der Liebe zu seinem angetrauten Weibe Sophie und der ihm gewaltsam aufgedrungenen Hetmanstoch- ter Ustinga, den Monolog hält: „Was soll ich thun? Vielleicht noch wär es Zeit, Won diesem blut'gen Spiele mich zu trennen — Ich fühl's, nun geht es aufwärts, immer höher, Zum schwindelnden Bergessen meiner selbst, — Zum neuen Leben, wo das Schicksal Alles, Das Frevelndste von mir verlangen darf — Ich kann nicht folgen! Nein, Du guter Geist, Der meine Pfade mich bisher geleitet, Bleib' mir zur Seite, weiche nicht von mir! Des Volks gerechte Sache hat gerufen Und flammenglühend schlägt für sie mein Herz; Doch daß man ihr sein Bestes opfern sollte, Daß man im Drang der allgemeinen Noth Sein eigen Herz selbst in die Flammen wirst Und Weib und Kind dem Wohl der Freiheit opfert: Das ist nicht wahr. Mag's die Geschichte sagen, Mag's auch in tausend Heldenliedern leben! Ich sage: Rein! Das hat sich nie begeben. (Stürzt aus den Sessel nieder und verhüllt sein Angesicht.) Grcnzbetcn I»4i. II. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/429>, abgerufen am 05.12.2024.