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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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zehn Gulden zu schenken verboten sein." Also damals schon Ver¬
bote gegen den Branntwein. Nach der Errlebcn'schen Gerichtsord¬
nung von 1603 sollen alle Branntweinskrüge abgeschafft und ver¬
boten sein. In spätern Gerichtsordnungen wird des Branntweins
nicht weiter gedacht. Desto anhaltender bekriegten die Gesetze das
Biertunken der altmärkischen Bauern. Die Bevormundung, die Staat
und "Gutsobrigkeiten" gemeinschaftlich über den immer mehr zur Un¬
mündigkeit hinabgestoßenen Bauern übten, bestimmte, wie viel Bier
bei feierlichen Gelegenheiten getrunken werden dürfe. Keineswegs
war man aber in der Vorzeit in diesem Punkte so unverständig,
wie unsere Mäßigkeitsbrüder heute. Dieselbe Landgerichtsordnung
von 1603, die vorschrieb, wie viel Bier ein Bauer bei feierlichen
Gelegenheiten auflegen dürfe, verordnete auch zugleich: "So ofte auch
kein Krüger Bier in seinem Hause hat, oder dem Armen sowohl als
dem Reichen um seinen Pfennig bei Maaßen nicht verkaufen will, soll
er seinem Junkherrn mit ein Faß Bier verfallen sein." Nach der
kurfürstlichen, desfalls herausgelassenen Konstitution bestimmt dero von
Schulenburg Bautzendorf'sche Gerichtsordnung von 1644, daß hin-
führo kein Ackersmann, er sei auch wer er wolle, auf Hochzeiten
mehr, denn zwei, drei oder zum höchsten, dafern er des kundbaren
Vermögens sein sollte, vier Faß oder vierzehn Tonnen Bier, bei
einer Kvssaten-Hochzeit aber nur der halbe Theil aufgewendet wer¬
den soll. Wenn der geneigte Leser über dies gesetzliche Marimum
von vierzehn Tonnen Bier staunen sollte, so wolle er bedenken, daß
bei einer altmärkischen Bauerhochzeit das ganze Dorf, bis zum Nacht¬
wächter und Sauhirten herab, so wie die ganze Verwandtschaft aus
der Umgegend geladen ist; daß wer kommt, willkommen ist, er sei
bekannt oder nicht, daß eine anständige "große Bauernhochzeit" noch
heute mindestens drei, mitunter acht Tage dauert. Da nun bei einer
solchen "großen Hochzeit" einige Ochsen, Schweine, Kälber, diverse
Gänse und Hühner geopfert und in einer besonders dazu erbauten
Küche zubereitet, daneben zwanzig Scheffel oder auch wohl ein Wiespel
Weizen verbacken wird, so ist es erklärlich, daß ein guter Trunk
Bier besonders mundet. Der Altmärker läßt es sich bei solchen feier¬
lichen Gelegenheiten sehr sauer werden. Indem er Küche und Keller
die gebührende Ehre erweis't, zeigt sich seine Verdauungskraft im


zehn Gulden zu schenken verboten sein." Also damals schon Ver¬
bote gegen den Branntwein. Nach der Errlebcn'schen Gerichtsord¬
nung von 1603 sollen alle Branntweinskrüge abgeschafft und ver¬
boten sein. In spätern Gerichtsordnungen wird des Branntweins
nicht weiter gedacht. Desto anhaltender bekriegten die Gesetze das
Biertunken der altmärkischen Bauern. Die Bevormundung, die Staat
und „Gutsobrigkeiten" gemeinschaftlich über den immer mehr zur Un¬
mündigkeit hinabgestoßenen Bauern übten, bestimmte, wie viel Bier
bei feierlichen Gelegenheiten getrunken werden dürfe. Keineswegs
war man aber in der Vorzeit in diesem Punkte so unverständig,
wie unsere Mäßigkeitsbrüder heute. Dieselbe Landgerichtsordnung
von 1603, die vorschrieb, wie viel Bier ein Bauer bei feierlichen
Gelegenheiten auflegen dürfe, verordnete auch zugleich: „So ofte auch
kein Krüger Bier in seinem Hause hat, oder dem Armen sowohl als
dem Reichen um seinen Pfennig bei Maaßen nicht verkaufen will, soll
er seinem Junkherrn mit ein Faß Bier verfallen sein." Nach der
kurfürstlichen, desfalls herausgelassenen Konstitution bestimmt dero von
Schulenburg Bautzendorf'sche Gerichtsordnung von 1644, daß hin-
führo kein Ackersmann, er sei auch wer er wolle, auf Hochzeiten
mehr, denn zwei, drei oder zum höchsten, dafern er des kundbaren
Vermögens sein sollte, vier Faß oder vierzehn Tonnen Bier, bei
einer Kvssaten-Hochzeit aber nur der halbe Theil aufgewendet wer¬
den soll. Wenn der geneigte Leser über dies gesetzliche Marimum
von vierzehn Tonnen Bier staunen sollte, so wolle er bedenken, daß
bei einer altmärkischen Bauerhochzeit das ganze Dorf, bis zum Nacht¬
wächter und Sauhirten herab, so wie die ganze Verwandtschaft aus
der Umgegend geladen ist; daß wer kommt, willkommen ist, er sei
bekannt oder nicht, daß eine anständige „große Bauernhochzeit" noch
heute mindestens drei, mitunter acht Tage dauert. Da nun bei einer
solchen „großen Hochzeit" einige Ochsen, Schweine, Kälber, diverse
Gänse und Hühner geopfert und in einer besonders dazu erbauten
Küche zubereitet, daneben zwanzig Scheffel oder auch wohl ein Wiespel
Weizen verbacken wird, so ist es erklärlich, daß ein guter Trunk
Bier besonders mundet. Der Altmärker läßt es sich bei solchen feier¬
lichen Gelegenheiten sehr sauer werden. Indem er Küche und Keller
die gebührende Ehre erweis't, zeigt sich seine Verdauungskraft im


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[0411] zehn Gulden zu schenken verboten sein." Also damals schon Ver¬ bote gegen den Branntwein. Nach der Errlebcn'schen Gerichtsord¬ nung von 1603 sollen alle Branntweinskrüge abgeschafft und ver¬ boten sein. In spätern Gerichtsordnungen wird des Branntweins nicht weiter gedacht. Desto anhaltender bekriegten die Gesetze das Biertunken der altmärkischen Bauern. Die Bevormundung, die Staat und „Gutsobrigkeiten" gemeinschaftlich über den immer mehr zur Un¬ mündigkeit hinabgestoßenen Bauern übten, bestimmte, wie viel Bier bei feierlichen Gelegenheiten getrunken werden dürfe. Keineswegs war man aber in der Vorzeit in diesem Punkte so unverständig, wie unsere Mäßigkeitsbrüder heute. Dieselbe Landgerichtsordnung von 1603, die vorschrieb, wie viel Bier ein Bauer bei feierlichen Gelegenheiten auflegen dürfe, verordnete auch zugleich: „So ofte auch kein Krüger Bier in seinem Hause hat, oder dem Armen sowohl als dem Reichen um seinen Pfennig bei Maaßen nicht verkaufen will, soll er seinem Junkherrn mit ein Faß Bier verfallen sein." Nach der kurfürstlichen, desfalls herausgelassenen Konstitution bestimmt dero von Schulenburg Bautzendorf'sche Gerichtsordnung von 1644, daß hin- führo kein Ackersmann, er sei auch wer er wolle, auf Hochzeiten mehr, denn zwei, drei oder zum höchsten, dafern er des kundbaren Vermögens sein sollte, vier Faß oder vierzehn Tonnen Bier, bei einer Kvssaten-Hochzeit aber nur der halbe Theil aufgewendet wer¬ den soll. Wenn der geneigte Leser über dies gesetzliche Marimum von vierzehn Tonnen Bier staunen sollte, so wolle er bedenken, daß bei einer altmärkischen Bauerhochzeit das ganze Dorf, bis zum Nacht¬ wächter und Sauhirten herab, so wie die ganze Verwandtschaft aus der Umgegend geladen ist; daß wer kommt, willkommen ist, er sei bekannt oder nicht, daß eine anständige „große Bauernhochzeit" noch heute mindestens drei, mitunter acht Tage dauert. Da nun bei einer solchen „großen Hochzeit" einige Ochsen, Schweine, Kälber, diverse Gänse und Hühner geopfert und in einer besonders dazu erbauten Küche zubereitet, daneben zwanzig Scheffel oder auch wohl ein Wiespel Weizen verbacken wird, so ist es erklärlich, daß ein guter Trunk Bier besonders mundet. Der Altmärker läßt es sich bei solchen feier¬ lichen Gelegenheiten sehr sauer werden. Indem er Küche und Keller die gebührende Ehre erweis't, zeigt sich seine Verdauungskraft im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/411>, abgerufen am 28.07.2024.