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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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nosse, bei Strafe von sechs Schillingen sein soll, fragen, was sich die
Woche über im Dorfe zugetragen;" ein Gesetz, das noch in man¬
chen Dörfern der Altmark durch die Sitte erhalten wird, indem die
Gemeindeglieder nach beendigtem Gottesdienst auf dem Kirchhofe zur
Berathung der Gemeindeangelegenheiten zurückbleiben. In einer Ge¬
richtsordnung von 1603 heißt es: "Nachdem oftmals uf Befehl des
Kurfürsten der Gemeine uf den Dörfern was anzuzeigen, darzu denn
der Glockenschlag, wie gewöhnlich, gebraucht wird, oder aber werden
des Sonntags vor der Kirchen nach geendigter Predigt zu harren
ermahnet, da befindet sich nun großer Ungehorsam. Solchen Unge¬
horsam zu steuern, soll denjenigen, so zum Glockenschlag erscheinen,
und sich gehorsamlich einstellen werden, vergönnt sein, den außen¬
bleibenden Theil alsbald zu pfänden." So stand also der Gemeinde
ein Strafrecht zu. In einer anderen Dorfordnung findet sich, "daß,
wenn der Schulze die Glocke läutet, und einer oder der andere auf
dem Kirchhof nicht erscheinen würde, soll derselbe ein halb Wispel
Hafer der Herrschaft und der Gemeine eine Tonne Bier ver¬
fallen sein." Hier vor der Kirche wurden Dorf- und Unterordnun¬
gen gemacht. So findet sich in einem Gerichtsprotokoll von 1688:
"wenn dann solches von den Geschwornen und der Gemeine
verboten, auch daß derjenige vor einen Dieb gehalten werden
sollte, der Nachts Garben hereinbringt, vor der Kirchen resolvirt
worden." Nach diesem "vor der Kirchen" zum Gesetz erhobenen Ge¬
meinbebeschluß wurde erkannt.

Alles, was zur öffentlichen Kunde kommen sollte, wurde von
der Kanzel herab bekannt gemacht, das Abschaffen des nicht her¬
kömmlichen Viehes und das Verwüster der Hölzung wurde "von
der Kanzel bei ernster Strafe verboten." "Damit die Gerichtstage
zu der Leute Wissenschaft kommen, sollen dieselben jedesmal vierzehn
Tage vorher von der Kanzel abgekündigt werden." Nach einer
Gerichtsordnung von 1640 soll den Krügern von dem Richter "neue
Maeße gegeben und hernachmalen von der Kanzel abgekündigt
werden, daß die Krüger bei schwerer Strafe danach geben sollen."
Nach einer anderen Gerichtsordnung von 160Z "sollen die Krüger
gut Bier und volle Maaß haben, damit die Armuth vor ihr Geld
etwas bekomme, bei Strafe eines Faß Biers." Das Bier spielt über-


nosse, bei Strafe von sechs Schillingen sein soll, fragen, was sich die
Woche über im Dorfe zugetragen;" ein Gesetz, das noch in man¬
chen Dörfern der Altmark durch die Sitte erhalten wird, indem die
Gemeindeglieder nach beendigtem Gottesdienst auf dem Kirchhofe zur
Berathung der Gemeindeangelegenheiten zurückbleiben. In einer Ge¬
richtsordnung von 1603 heißt es: „Nachdem oftmals uf Befehl des
Kurfürsten der Gemeine uf den Dörfern was anzuzeigen, darzu denn
der Glockenschlag, wie gewöhnlich, gebraucht wird, oder aber werden
des Sonntags vor der Kirchen nach geendigter Predigt zu harren
ermahnet, da befindet sich nun großer Ungehorsam. Solchen Unge¬
horsam zu steuern, soll denjenigen, so zum Glockenschlag erscheinen,
und sich gehorsamlich einstellen werden, vergönnt sein, den außen¬
bleibenden Theil alsbald zu pfänden." So stand also der Gemeinde
ein Strafrecht zu. In einer anderen Dorfordnung findet sich, „daß,
wenn der Schulze die Glocke läutet, und einer oder der andere auf
dem Kirchhof nicht erscheinen würde, soll derselbe ein halb Wispel
Hafer der Herrschaft und der Gemeine eine Tonne Bier ver¬
fallen sein." Hier vor der Kirche wurden Dorf- und Unterordnun¬
gen gemacht. So findet sich in einem Gerichtsprotokoll von 1688:
„wenn dann solches von den Geschwornen und der Gemeine
verboten, auch daß derjenige vor einen Dieb gehalten werden
sollte, der Nachts Garben hereinbringt, vor der Kirchen resolvirt
worden." Nach diesem „vor der Kirchen" zum Gesetz erhobenen Ge¬
meinbebeschluß wurde erkannt.

Alles, was zur öffentlichen Kunde kommen sollte, wurde von
der Kanzel herab bekannt gemacht, das Abschaffen des nicht her¬
kömmlichen Viehes und das Verwüster der Hölzung wurde „von
der Kanzel bei ernster Strafe verboten." „Damit die Gerichtstage
zu der Leute Wissenschaft kommen, sollen dieselben jedesmal vierzehn
Tage vorher von der Kanzel abgekündigt werden." Nach einer
Gerichtsordnung von 1640 soll den Krügern von dem Richter „neue
Maeße gegeben und hernachmalen von der Kanzel abgekündigt
werden, daß die Krüger bei schwerer Strafe danach geben sollen."
Nach einer anderen Gerichtsordnung von 160Z „sollen die Krüger
gut Bier und volle Maaß haben, damit die Armuth vor ihr Geld
etwas bekomme, bei Strafe eines Faß Biers." Das Bier spielt über-


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[0408] nosse, bei Strafe von sechs Schillingen sein soll, fragen, was sich die Woche über im Dorfe zugetragen;" ein Gesetz, das noch in man¬ chen Dörfern der Altmark durch die Sitte erhalten wird, indem die Gemeindeglieder nach beendigtem Gottesdienst auf dem Kirchhofe zur Berathung der Gemeindeangelegenheiten zurückbleiben. In einer Ge¬ richtsordnung von 1603 heißt es: „Nachdem oftmals uf Befehl des Kurfürsten der Gemeine uf den Dörfern was anzuzeigen, darzu denn der Glockenschlag, wie gewöhnlich, gebraucht wird, oder aber werden des Sonntags vor der Kirchen nach geendigter Predigt zu harren ermahnet, da befindet sich nun großer Ungehorsam. Solchen Unge¬ horsam zu steuern, soll denjenigen, so zum Glockenschlag erscheinen, und sich gehorsamlich einstellen werden, vergönnt sein, den außen¬ bleibenden Theil alsbald zu pfänden." So stand also der Gemeinde ein Strafrecht zu. In einer anderen Dorfordnung findet sich, „daß, wenn der Schulze die Glocke läutet, und einer oder der andere auf dem Kirchhof nicht erscheinen würde, soll derselbe ein halb Wispel Hafer der Herrschaft und der Gemeine eine Tonne Bier ver¬ fallen sein." Hier vor der Kirche wurden Dorf- und Unterordnun¬ gen gemacht. So findet sich in einem Gerichtsprotokoll von 1688: „wenn dann solches von den Geschwornen und der Gemeine verboten, auch daß derjenige vor einen Dieb gehalten werden sollte, der Nachts Garben hereinbringt, vor der Kirchen resolvirt worden." Nach diesem „vor der Kirchen" zum Gesetz erhobenen Ge¬ meinbebeschluß wurde erkannt. Alles, was zur öffentlichen Kunde kommen sollte, wurde von der Kanzel herab bekannt gemacht, das Abschaffen des nicht her¬ kömmlichen Viehes und das Verwüster der Hölzung wurde „von der Kanzel bei ernster Strafe verboten." „Damit die Gerichtstage zu der Leute Wissenschaft kommen, sollen dieselben jedesmal vierzehn Tage vorher von der Kanzel abgekündigt werden." Nach einer Gerichtsordnung von 1640 soll den Krügern von dem Richter „neue Maeße gegeben und hernachmalen von der Kanzel abgekündigt werden, daß die Krüger bei schwerer Strafe danach geben sollen." Nach einer anderen Gerichtsordnung von 160Z „sollen die Krüger gut Bier und volle Maaß haben, damit die Armuth vor ihr Geld etwas bekomme, bei Strafe eines Faß Biers." Das Bier spielt über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/408>, abgerufen am 28.07.2024.