Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ans der A l t in a r V.
Bon
W. L ü d e r s.



I.

Tangermünde, Werben und Stendal. -- Sonst und jetzt. -- Altmärkische Frei¬
heiten. -- Stendal verwendet sich für Hamburg. -- Was das Bier für eine
Rolle spielt! -- Bauerntrutz im siebzehnten Jahrhundert. -- Die "wohler¬
worbenen Rechte" des Adels. -- Alte Oeffentlichkeit und Mündlichkett; Ge¬
richtsordnung. -- Biernotizen. -- Bevormundung der Bauern. -- Die alten
Mäßigkeitsgesetze und die heutigen Mäßigkeitsvereine. -- Eine "Rickttöst". --
Der Maire von Buchholz, oder welches sind die Ueberreste oltgermanischer
Freiheit? -- Sonntagsfeier.

Wenn der Reisende auf rasch dahinfliegenden Dampfschiffe aus
Magdeburgs bruflbeengenden Wallen und Mauern der Welthandelsstadt
Hamburg zueilt, sieht er, nach einigen Stunden, zur Rechten aus
dunklen Kieferwäldern die schlanken, zierlichen himmelanstrebenden
Kirchspitzen des ehemaligen Klosters Jerichow sich erheben. Vor
sich auf einer Anhöhe des linken Elbuferö zeigt sich ihm das alter¬
thümliche, an interessanten Bauwerken reiche Tcingermünde mit
seiner imponirenden Stephanskirche. Wie diese Kirche, so ragt daS
mit dreifachem prächtigem Giebel von gebrannten Steinen und mit
Thonzierrathen aller Art geschmückte Rathhaus aus seinen Umgebun¬
gen hervor. Daneben zeigen sich schone, in Spitzbogen aufgeführte
Thor- und Wartthürme und andere alterthümliche Bauwerke. Rasch
fliegt der Dampfer unter den Fenstern des königlichen Amthauses
vorbei, wo einst die Burg der Markgrafen und Kurfürsten auf ho¬
hem Elbufer thronte. Einige Thürme, der frühesten Zeit deutscher
Baukunst angehörend, in denen kriegsgefangene hier aufbewahrte Für¬
sten jener Fehdezeiten, sehnsüchtig der süßen Freiheit harren mochten,
erinnern an die frühere Bestimmung der Burg. Bald zeigen sich
links in einer Enfernung von einer Meile Stendal's Kirchen mit
ihren stolz sich erhebenden Thürmen. Der Dampfer eilt bei Arne-
bur g vorüber, wo Nichts mehr daran erinnert, daß auf der auf stei¬
ler Anhöhe gelegenen, spurlos verschwundenen Burg häufig die Mark-


Ans der A l t in a r V.
Bon
W. L ü d e r s.



I.

Tangermünde, Werben und Stendal. — Sonst und jetzt. — Altmärkische Frei¬
heiten. — Stendal verwendet sich für Hamburg. — Was das Bier für eine
Rolle spielt! — Bauerntrutz im siebzehnten Jahrhundert. — Die „wohler¬
worbenen Rechte" des Adels. — Alte Oeffentlichkeit und Mündlichkett; Ge¬
richtsordnung. — Biernotizen. — Bevormundung der Bauern. — Die alten
Mäßigkeitsgesetze und die heutigen Mäßigkeitsvereine. — Eine „Rickttöst". —
Der Maire von Buchholz, oder welches sind die Ueberreste oltgermanischer
Freiheit? — Sonntagsfeier.

Wenn der Reisende auf rasch dahinfliegenden Dampfschiffe aus
Magdeburgs bruflbeengenden Wallen und Mauern der Welthandelsstadt
Hamburg zueilt, sieht er, nach einigen Stunden, zur Rechten aus
dunklen Kieferwäldern die schlanken, zierlichen himmelanstrebenden
Kirchspitzen des ehemaligen Klosters Jerichow sich erheben. Vor
sich auf einer Anhöhe des linken Elbuferö zeigt sich ihm das alter¬
thümliche, an interessanten Bauwerken reiche Tcingermünde mit
seiner imponirenden Stephanskirche. Wie diese Kirche, so ragt daS
mit dreifachem prächtigem Giebel von gebrannten Steinen und mit
Thonzierrathen aller Art geschmückte Rathhaus aus seinen Umgebun¬
gen hervor. Daneben zeigen sich schone, in Spitzbogen aufgeführte
Thor- und Wartthürme und andere alterthümliche Bauwerke. Rasch
fliegt der Dampfer unter den Fenstern des königlichen Amthauses
vorbei, wo einst die Burg der Markgrafen und Kurfürsten auf ho¬
hem Elbufer thronte. Einige Thürme, der frühesten Zeit deutscher
Baukunst angehörend, in denen kriegsgefangene hier aufbewahrte Für¬
sten jener Fehdezeiten, sehnsüchtig der süßen Freiheit harren mochten,
erinnern an die frühere Bestimmung der Burg. Bald zeigen sich
links in einer Enfernung von einer Meile Stendal's Kirchen mit
ihren stolz sich erhebenden Thürmen. Der Dampfer eilt bei Arne-
bur g vorüber, wo Nichts mehr daran erinnert, daß auf der auf stei¬
ler Anhöhe gelegenen, spurlos verschwundenen Burg häufig die Mark-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181586"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ans der A l t in a r V.<lb/><note type="byline"> Bon<lb/>
W. L ü d e r s.</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> I.</head><lb/>
            <note type="argument"> Tangermünde, Werben und Stendal. &#x2014; Sonst und jetzt. &#x2014; Altmärkische Frei¬<lb/>
heiten. &#x2014; Stendal verwendet sich für Hamburg. &#x2014; Was das Bier für eine<lb/>
Rolle spielt! &#x2014; Bauerntrutz im siebzehnten Jahrhundert. &#x2014; Die &#x201E;wohler¬<lb/>
worbenen Rechte" des Adels. &#x2014; Alte Oeffentlichkeit und Mündlichkett; Ge¬<lb/>
richtsordnung. &#x2014; Biernotizen. &#x2014; Bevormundung der Bauern. &#x2014; Die alten<lb/>
Mäßigkeitsgesetze und die heutigen Mäßigkeitsvereine. &#x2014; Eine &#x201E;Rickttöst". &#x2014;<lb/>
Der Maire von Buchholz, oder welches sind die Ueberreste oltgermanischer<lb/>
Freiheit? &#x2014; Sonntagsfeier.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1136" next="#ID_1137"> Wenn der Reisende auf rasch dahinfliegenden Dampfschiffe aus<lb/>
Magdeburgs bruflbeengenden Wallen und Mauern der Welthandelsstadt<lb/>
Hamburg zueilt, sieht er, nach einigen Stunden, zur Rechten aus<lb/>
dunklen Kieferwäldern die schlanken, zierlichen himmelanstrebenden<lb/>
Kirchspitzen des ehemaligen Klosters Jerichow sich erheben. Vor<lb/>
sich auf einer Anhöhe des linken Elbuferö zeigt sich ihm das alter¬<lb/>
thümliche, an interessanten Bauwerken reiche Tcingermünde mit<lb/>
seiner imponirenden Stephanskirche. Wie diese Kirche, so ragt daS<lb/>
mit dreifachem prächtigem Giebel von gebrannten Steinen und mit<lb/>
Thonzierrathen aller Art geschmückte Rathhaus aus seinen Umgebun¬<lb/>
gen hervor. Daneben zeigen sich schone, in Spitzbogen aufgeführte<lb/>
Thor- und Wartthürme und andere alterthümliche Bauwerke. Rasch<lb/>
fliegt der Dampfer unter den Fenstern des königlichen Amthauses<lb/>
vorbei, wo einst die Burg der Markgrafen und Kurfürsten auf ho¬<lb/>
hem Elbufer thronte. Einige Thürme, der frühesten Zeit deutscher<lb/>
Baukunst angehörend, in denen kriegsgefangene hier aufbewahrte Für¬<lb/>
sten jener Fehdezeiten, sehnsüchtig der süßen Freiheit harren mochten,<lb/>
erinnern an die frühere Bestimmung der Burg. Bald zeigen sich<lb/>
links in einer Enfernung von einer Meile Stendal's Kirchen mit<lb/>
ihren stolz sich erhebenden Thürmen. Der Dampfer eilt bei Arne-<lb/>
bur g vorüber, wo Nichts mehr daran erinnert, daß auf der auf stei¬<lb/>
ler Anhöhe gelegenen, spurlos verschwundenen Burg häufig die Mark-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0402] Ans der A l t in a r V. Bon W. L ü d e r s. I. Tangermünde, Werben und Stendal. — Sonst und jetzt. — Altmärkische Frei¬ heiten. — Stendal verwendet sich für Hamburg. — Was das Bier für eine Rolle spielt! — Bauerntrutz im siebzehnten Jahrhundert. — Die „wohler¬ worbenen Rechte" des Adels. — Alte Oeffentlichkeit und Mündlichkett; Ge¬ richtsordnung. — Biernotizen. — Bevormundung der Bauern. — Die alten Mäßigkeitsgesetze und die heutigen Mäßigkeitsvereine. — Eine „Rickttöst". — Der Maire von Buchholz, oder welches sind die Ueberreste oltgermanischer Freiheit? — Sonntagsfeier. Wenn der Reisende auf rasch dahinfliegenden Dampfschiffe aus Magdeburgs bruflbeengenden Wallen und Mauern der Welthandelsstadt Hamburg zueilt, sieht er, nach einigen Stunden, zur Rechten aus dunklen Kieferwäldern die schlanken, zierlichen himmelanstrebenden Kirchspitzen des ehemaligen Klosters Jerichow sich erheben. Vor sich auf einer Anhöhe des linken Elbuferö zeigt sich ihm das alter¬ thümliche, an interessanten Bauwerken reiche Tcingermünde mit seiner imponirenden Stephanskirche. Wie diese Kirche, so ragt daS mit dreifachem prächtigem Giebel von gebrannten Steinen und mit Thonzierrathen aller Art geschmückte Rathhaus aus seinen Umgebun¬ gen hervor. Daneben zeigen sich schone, in Spitzbogen aufgeführte Thor- und Wartthürme und andere alterthümliche Bauwerke. Rasch fliegt der Dampfer unter den Fenstern des königlichen Amthauses vorbei, wo einst die Burg der Markgrafen und Kurfürsten auf ho¬ hem Elbufer thronte. Einige Thürme, der frühesten Zeit deutscher Baukunst angehörend, in denen kriegsgefangene hier aufbewahrte Für¬ sten jener Fehdezeiten, sehnsüchtig der süßen Freiheit harren mochten, erinnern an die frühere Bestimmung der Burg. Bald zeigen sich links in einer Enfernung von einer Meile Stendal's Kirchen mit ihren stolz sich erhebenden Thürmen. Der Dampfer eilt bei Arne- bur g vorüber, wo Nichts mehr daran erinnert, daß auf der auf stei¬ ler Anhöhe gelegenen, spurlos verschwundenen Burg häufig die Mark-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/402
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/402>, abgerufen am 05.12.2024.