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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Helden der Tragödie, für welchen freilich, selbst bei der größten Kunst
des Darstellers, das Interesse des Publicums nur schwach rege ge¬
macht werden kann. Die vielen Mängel in der Intrigue, so weit in
diesem Trauerspiel von Intriguen die Rede sein kann, wie überhaupt
in der Composition und Oekonomie des Stückes will ich nicht ta¬
deln, da von dem zweiten Stücke eines Anfängers keine Vollkom¬
menheit erwartet werden darf. Ohnehin ist die Exposition wohl ge¬
lungen und auch sonst, was das äußerliche Gerüst und die Scenerie
betrifft, mancher erfreuliche Fortschritt gegen desselben Verfassers "Karl
von Bourbon" bemerkbar. Der Beifall galt weniger dem Ganzen
als, wie auch die Augsburger Allgemeine richtig bemerkt, einzelnen
Stellen, besonders den mit Keimen und Freihcitsphrasen gespickter
furiosen Abgängen.e und artistische Notabilitäten abeninneralb

Manche literarischh h
dieses Sommers München einen Besuch abgestattet. Bekanntlich wur¬
den mehrere derselben durch Fcstschmäuse celebrirt, so Oehlenschläqer
und der italienische Bildhauer Tenerani, nach dessen Modellen in der
hiesigen berühmten Erzgießerei die für Palermo bestimmte Statue des
Königs beider Sizilien und eine Bolivarstatue gegossen werden. Wie
viel besser ist ein Künstler dran, als ein Dichter, dem man es un¬
fehlbar als Inconsequenz auslegen würde, wollte er auf Bestellung
in dem einen Gedichte den König von Neapel, in dem anderen den
Befreier Bolivar verewigen! Einem Liszt, welcher freilich weder ser¬
vile, noch liberale Tendenzen vorzuspielen im Stande ist, dürfen un¬
geschält Radicale und die Kronen- und Großwürdenträger des Reichs
zujauchzen. Ein Schriftsteller und Dichter, wenigstens in Deutsch¬
land, zieht dagegen auf der einen Seite eben nur darum Einzelne an,
um auf der anderen eine um so größere Menge von sich abzustoßen.
Und selbst jene sind schwankend, lauernd, zum Verrath und zur Ab¬
trünnigkeit geneigt. Wie gesagt, Tenerani's Bildsäulen haben im
Ganzen einen ziemlich Harm- und charakterlosen Ausdruck, so daß sich
auch darin seine objective Künstlernatur spiegelt, auch ist ihm hier
auf der Menterschwaige ein harmloses Fest gefeiert worden, bei dem
es nur ausfiel, daß man ihn einen "Hohenpriester der Kunst" nannte,
ein Ehrentitel, welcher höchstens einer so ehrwürdigen Erscheinung zu¬
kommt, wie Thorwaldsen war. Indeß geschah dies in einer in ita¬
lienischer Sprache gehaltenen Rede, und bekanntlich kommt es im Ita¬
lienischen auf eine Hyperbel mehr oder weniger nicht an; jedoch fragt
sich, ob die Italiener bei ähnlichen festlichen Gelegenheiten sich herab¬
lassen würden, demjenigen deutschen Künstler, welchem zu Ehren die
Festlichkeit veranstaltet worden, in einer deutschen Rede den Zoll ihrer
Verehrung zu Füßen zu legen. Ja freilich, jeder ausländische Hinz
oder Kunz ist bei uns ein Gegenstand unbedingter Bewunderung,
während bei uns höchstens die Todten von dem neidischen Geklätsch


Helden der Tragödie, für welchen freilich, selbst bei der größten Kunst
des Darstellers, das Interesse des Publicums nur schwach rege ge¬
macht werden kann. Die vielen Mängel in der Intrigue, so weit in
diesem Trauerspiel von Intriguen die Rede sein kann, wie überhaupt
in der Composition und Oekonomie des Stückes will ich nicht ta¬
deln, da von dem zweiten Stücke eines Anfängers keine Vollkom¬
menheit erwartet werden darf. Ohnehin ist die Exposition wohl ge¬
lungen und auch sonst, was das äußerliche Gerüst und die Scenerie
betrifft, mancher erfreuliche Fortschritt gegen desselben Verfassers „Karl
von Bourbon" bemerkbar. Der Beifall galt weniger dem Ganzen
als, wie auch die Augsburger Allgemeine richtig bemerkt, einzelnen
Stellen, besonders den mit Keimen und Freihcitsphrasen gespickter
furiosen Abgängen.e und artistische Notabilitäten abeninneralb

Manche literarischh h
dieses Sommers München einen Besuch abgestattet. Bekanntlich wur¬
den mehrere derselben durch Fcstschmäuse celebrirt, so Oehlenschläqer
und der italienische Bildhauer Tenerani, nach dessen Modellen in der
hiesigen berühmten Erzgießerei die für Palermo bestimmte Statue des
Königs beider Sizilien und eine Bolivarstatue gegossen werden. Wie
viel besser ist ein Künstler dran, als ein Dichter, dem man es un¬
fehlbar als Inconsequenz auslegen würde, wollte er auf Bestellung
in dem einen Gedichte den König von Neapel, in dem anderen den
Befreier Bolivar verewigen! Einem Liszt, welcher freilich weder ser¬
vile, noch liberale Tendenzen vorzuspielen im Stande ist, dürfen un¬
geschält Radicale und die Kronen- und Großwürdenträger des Reichs
zujauchzen. Ein Schriftsteller und Dichter, wenigstens in Deutsch¬
land, zieht dagegen auf der einen Seite eben nur darum Einzelne an,
um auf der anderen eine um so größere Menge von sich abzustoßen.
Und selbst jene sind schwankend, lauernd, zum Verrath und zur Ab¬
trünnigkeit geneigt. Wie gesagt, Tenerani's Bildsäulen haben im
Ganzen einen ziemlich Harm- und charakterlosen Ausdruck, so daß sich
auch darin seine objective Künstlernatur spiegelt, auch ist ihm hier
auf der Menterschwaige ein harmloses Fest gefeiert worden, bei dem
es nur ausfiel, daß man ihn einen „Hohenpriester der Kunst" nannte,
ein Ehrentitel, welcher höchstens einer so ehrwürdigen Erscheinung zu¬
kommt, wie Thorwaldsen war. Indeß geschah dies in einer in ita¬
lienischer Sprache gehaltenen Rede, und bekanntlich kommt es im Ita¬
lienischen auf eine Hyperbel mehr oder weniger nicht an; jedoch fragt
sich, ob die Italiener bei ähnlichen festlichen Gelegenheiten sich herab¬
lassen würden, demjenigen deutschen Künstler, welchem zu Ehren die
Festlichkeit veranstaltet worden, in einer deutschen Rede den Zoll ihrer
Verehrung zu Füßen zu legen. Ja freilich, jeder ausländische Hinz
oder Kunz ist bei uns ein Gegenstand unbedingter Bewunderung,
während bei uns höchstens die Todten von dem neidischen Geklätsch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/39>, abgerufen am 27.07.2024.