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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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solchen Gelegenheiten kann man sich nicht des Gedankens erwehren,
was für Riesenfortschritte feit Schiller die deutsche Theaterfreiheit ge¬
macht hat. Es schreibe heut Einer ein Stück, wo, wie in Kabale
und Liebe, die Missethaten einer zeitgenössischen Regierung auf die
Bühne gebracht werden. Donner und Doria! Heut zu Tage, ,wo
man Moritz von Sachsen in Berlin nicht aufführt, wegen des Zopfes,
und Zopf und Schwert nicht in Wien , wegen entfernter Verwandt-
schaftsmöglichkcit mit den Hohenzollern. Die Directionen, die Kri¬
tiker, das Publicum, Alles klagt, ruft und .lächelt, daß unsere
jetzigen Dramatiker keine Schiller sind. Sehr wahr. Aber eben so
wahr ist, daß Ihr Alle zusammen auch nicht werth seid, einen
Schiller zu besitzen. Euere Ehrfurcht gilt nur der todten An-doutat
seines Namens, nicht seinem lebendigen Geist. Wenn ein Genius,
wie Schiller, Heute.ein Stück schriebe, wie Kabale und Liebe, so wür¬
den preußische Gensdarmen, im Namen der Intelligenz, auf -ihn
fahnden, die wohlmeinende Opposition aber und das glaubige Pu¬
blicum würden sagen: /der junge Mensch sei allerdings sehr unbe¬
sonnen, sehr tactlos und unverschämt gewesen; überdies habe er der
.guten -Sache mehr geschadet ,als .genützt; und die Liberalen thaten
daher am klügsten,, 'sich seiner nicht anzunehmen.

-- Laube's "Struensee" ist in Mannheim mit ungewöhnlichem
Beifall gegeben worden. Ob das Stück auch in Wien und Berlin
gegeben wird, das Hängt noch von der nächsten Wendung der orien¬
talischen Frage -ab. Wenn nur nicht irgend .eine hindernde Verwandt¬
schaft -zwischen einem mythischen König von Dänemark und -einer
alten Markgräfin von Brandenburg herausgefunden wird.

-- Eine Produktion -des .Herrn Prechtler war von einem Wiener
Correspondonten -der Eleganten scharf getadelt worden. Darauf sendet
Herr Prechtler der Eleganten .sine Erklärung, daß er ein braver Mann
.u. .s. -w. sei., -und läßt sich .die Wahrheit dieser Erklärung noch durch
seinen Freund, Herrn Kaltenbrunner, mit dessen eigenhändiger-Unter¬
schrift bezeugen. Prechtler hat vielleicht grade eine.Lustspielscene im
Kopfe gehabt; er schreibt nämlich sehr viel Texte zu ernsten und
komischen Opern.

-- Die Deutschen sollten zweimal so lange leben, wie andere
Menschen, damit sie gehörig Zeit haben -- zu Untersuchungen. Jor¬
dan sitzt bald sechs Jahre.


Wcrlag von,Fr. Ludw. Horbig. -- Redacteur I. K"ra"da
Druck von Friedrich Andrä.

solchen Gelegenheiten kann man sich nicht des Gedankens erwehren,
was für Riesenfortschritte feit Schiller die deutsche Theaterfreiheit ge¬
macht hat. Es schreibe heut Einer ein Stück, wo, wie in Kabale
und Liebe, die Missethaten einer zeitgenössischen Regierung auf die
Bühne gebracht werden. Donner und Doria! Heut zu Tage, ,wo
man Moritz von Sachsen in Berlin nicht aufführt, wegen des Zopfes,
und Zopf und Schwert nicht in Wien , wegen entfernter Verwandt-
schaftsmöglichkcit mit den Hohenzollern. Die Directionen, die Kri¬
tiker, das Publicum, Alles klagt, ruft und .lächelt, daß unsere
jetzigen Dramatiker keine Schiller sind. Sehr wahr. Aber eben so
wahr ist, daß Ihr Alle zusammen auch nicht werth seid, einen
Schiller zu besitzen. Euere Ehrfurcht gilt nur der todten An-doutat
seines Namens, nicht seinem lebendigen Geist. Wenn ein Genius,
wie Schiller, Heute.ein Stück schriebe, wie Kabale und Liebe, so wür¬
den preußische Gensdarmen, im Namen der Intelligenz, auf -ihn
fahnden, die wohlmeinende Opposition aber und das glaubige Pu¬
blicum würden sagen: /der junge Mensch sei allerdings sehr unbe¬
sonnen, sehr tactlos und unverschämt gewesen; überdies habe er der
.guten -Sache mehr geschadet ,als .genützt; und die Liberalen thaten
daher am klügsten,, 'sich seiner nicht anzunehmen.

— Laube's „Struensee" ist in Mannheim mit ungewöhnlichem
Beifall gegeben worden. Ob das Stück auch in Wien und Berlin
gegeben wird, das Hängt noch von der nächsten Wendung der orien¬
talischen Frage -ab. Wenn nur nicht irgend .eine hindernde Verwandt¬
schaft -zwischen einem mythischen König von Dänemark und -einer
alten Markgräfin von Brandenburg herausgefunden wird.

— Eine Produktion -des .Herrn Prechtler war von einem Wiener
Correspondonten -der Eleganten scharf getadelt worden. Darauf sendet
Herr Prechtler der Eleganten .sine Erklärung, daß er ein braver Mann
.u. .s. -w. sei., -und läßt sich .die Wahrheit dieser Erklärung noch durch
seinen Freund, Herrn Kaltenbrunner, mit dessen eigenhändiger-Unter¬
schrift bezeugen. Prechtler hat vielleicht grade eine.Lustspielscene im
Kopfe gehabt; er schreibt nämlich sehr viel Texte zu ernsten und
komischen Opern.

— Die Deutschen sollten zweimal so lange leben, wie andere
Menschen, damit sie gehörig Zeit haben — zu Untersuchungen. Jor¬
dan sitzt bald sechs Jahre.


Wcrlag von,Fr. Ludw. Horbig. — Redacteur I. K«ra»da
Druck von Friedrich Andrä.
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[0388] solchen Gelegenheiten kann man sich nicht des Gedankens erwehren, was für Riesenfortschritte feit Schiller die deutsche Theaterfreiheit ge¬ macht hat. Es schreibe heut Einer ein Stück, wo, wie in Kabale und Liebe, die Missethaten einer zeitgenössischen Regierung auf die Bühne gebracht werden. Donner und Doria! Heut zu Tage, ,wo man Moritz von Sachsen in Berlin nicht aufführt, wegen des Zopfes, und Zopf und Schwert nicht in Wien , wegen entfernter Verwandt- schaftsmöglichkcit mit den Hohenzollern. Die Directionen, die Kri¬ tiker, das Publicum, Alles klagt, ruft und .lächelt, daß unsere jetzigen Dramatiker keine Schiller sind. Sehr wahr. Aber eben so wahr ist, daß Ihr Alle zusammen auch nicht werth seid, einen Schiller zu besitzen. Euere Ehrfurcht gilt nur der todten An-doutat seines Namens, nicht seinem lebendigen Geist. Wenn ein Genius, wie Schiller, Heute.ein Stück schriebe, wie Kabale und Liebe, so wür¬ den preußische Gensdarmen, im Namen der Intelligenz, auf -ihn fahnden, die wohlmeinende Opposition aber und das glaubige Pu¬ blicum würden sagen: /der junge Mensch sei allerdings sehr unbe¬ sonnen, sehr tactlos und unverschämt gewesen; überdies habe er der .guten -Sache mehr geschadet ,als .genützt; und die Liberalen thaten daher am klügsten,, 'sich seiner nicht anzunehmen. — Laube's „Struensee" ist in Mannheim mit ungewöhnlichem Beifall gegeben worden. Ob das Stück auch in Wien und Berlin gegeben wird, das Hängt noch von der nächsten Wendung der orien¬ talischen Frage -ab. Wenn nur nicht irgend .eine hindernde Verwandt¬ schaft -zwischen einem mythischen König von Dänemark und -einer alten Markgräfin von Brandenburg herausgefunden wird. — Eine Produktion -des .Herrn Prechtler war von einem Wiener Correspondonten -der Eleganten scharf getadelt worden. Darauf sendet Herr Prechtler der Eleganten .sine Erklärung, daß er ein braver Mann .u. .s. -w. sei., -und läßt sich .die Wahrheit dieser Erklärung noch durch seinen Freund, Herrn Kaltenbrunner, mit dessen eigenhändiger-Unter¬ schrift bezeugen. Prechtler hat vielleicht grade eine.Lustspielscene im Kopfe gehabt; er schreibt nämlich sehr viel Texte zu ernsten und komischen Opern. — Die Deutschen sollten zweimal so lange leben, wie andere Menschen, damit sie gehörig Zeit haben — zu Untersuchungen. Jor¬ dan sitzt bald sechs Jahre. Wcrlag von,Fr. Ludw. Horbig. — Redacteur I. K«ra»da Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/388>, abgerufen am 01.09.2024.