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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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"König".) Dicht vor dem Thorschluß hat man sich endlich beeilt, ei¬
nige der wichtigsten Fragen zu erledigen. So war der vorige Mon¬
tag einer der heißesten Tage. Die obere Tafel verhandelte die Steuer-
verwilligung, und nach mehr als sechsstündigen Debatten, wobei, wie
noch nie, alle Sitze gefüllt waren, sprach der Palatin den Beschluß
aus, daß der Adel eine Subsidie zahlen solle. Donnernder Beifall be¬
gleitete i>en greisen Prinzen. Es ist vielleicht der wichtigste Beschluß
dieses ganzen Reichstags, da bekanntlich von der Besteuerung des
Adels die ganze Zukunft Ungarns abhangt. -- Graf Szechenyi hat
wie ein Löwe gegen die stabilen gekämpft. Er erschien en Aruni
A-iI-l, und als die Reihe ihn traf, begann er: Vielleicht fallt es auf,
daß ich so gekleidet erscheine. Allein man erlaube mir eine kleine Rück-
erinnerung als Ercuse. Am Tage einer Schlacht (Graf Szech"api
war sechzehn Jahre Rittmeister) kam ich als Ordonnanz zum Gene¬
ral Blücher gesprengt. Ich traf ihn vor dem Spiegel, sorglos und
sorgfältig die Haare kämmend. Auf mein Befremden sagte er: Sie¬
gen oder unterliegen, der Tag ist zu wichtig, man muß ihn in Gala
begrüßen und schließen. -- So auch ich heute. Fallen oder siegen,
dieser Tag ist der wichtigste für die Zukunft Ungarns, ich muß ihn
als einen Festtag begehen. Fünfmal sprach Szechönyi und erntete
stets stürmisches Lebehoch.

Zur Beleuchtung des Streites zwischen Wicsner und Tengobors-
ki,ist die Stelle einer Rede interessant, welche der Graf Andrassy an
der Magnatentafel hielt: "Ich habe es dem Herrn Tengoborski ge¬
sagt, daß die Herren in Wien ihn dupiren, daß alle Daten in Bezug
auf Ungarn falsch sind, er hat es nicht glauben wollen." -- Heute
wurde von der königlichen Tafel das Urtheil über jene jungen Leute
gefällt, die sich auf dem Belustigungsorte "Eisenbründel" einen Exzeß
zu Schulden kommen ließen. Alle -- sieben an der Zahl -- wurden
zur Erstattung des Schadens, der Hauptanführer, von Bosanyi,
zu einem Jahre, die anderen zu sechs und drei Monaten Gefängniß
verurtheilt. Das Straferkenntniß ist zu hart, allein man wollte zei¬
gen, daß auch die LandtagSjugend die Schwere des Gesetzes trifft, um
abzuschrecken. Leider wird dadurch auch die Erbitterung gesteigert, und
bei dem bevorstehenden Schlüsse des Reichstags dürften eben hierdurch
manche Reibungen mit den Bürgern auftauchen. Das Erkenntniß ist
nämlich auf Gefängniß in Eisen (Ketten), verschärft durch zweimal
wöchentliche Fasten und Strasarbeit. (IM. Die Strafarbeit für Edel¬
leute besteht in gezwungenen Schreiben.)

Zur Charakteristik deutscher Autoren-Verhältnisse möge hier fol¬
gende Thatsache Platz finden. Deinhardstein's "Motesens" wurde vor
einigen Monaten auch der hiesigen Bühne unter sehr mäßigen Hono¬
rarbedingungen zugeschickt. Unsere Direktion (Herr G. W. Megerle)
weist das Manuscript unter dem Verwände, es nicht gehörig besetzen


„König".) Dicht vor dem Thorschluß hat man sich endlich beeilt, ei¬
nige der wichtigsten Fragen zu erledigen. So war der vorige Mon¬
tag einer der heißesten Tage. Die obere Tafel verhandelte die Steuer-
verwilligung, und nach mehr als sechsstündigen Debatten, wobei, wie
noch nie, alle Sitze gefüllt waren, sprach der Palatin den Beschluß
aus, daß der Adel eine Subsidie zahlen solle. Donnernder Beifall be¬
gleitete i>en greisen Prinzen. Es ist vielleicht der wichtigste Beschluß
dieses ganzen Reichstags, da bekanntlich von der Besteuerung des
Adels die ganze Zukunft Ungarns abhangt. — Graf Szechenyi hat
wie ein Löwe gegen die stabilen gekämpft. Er erschien en Aruni
A-iI-l, und als die Reihe ihn traf, begann er: Vielleicht fallt es auf,
daß ich so gekleidet erscheine. Allein man erlaube mir eine kleine Rück-
erinnerung als Ercuse. Am Tage einer Schlacht (Graf Szech«api
war sechzehn Jahre Rittmeister) kam ich als Ordonnanz zum Gene¬
ral Blücher gesprengt. Ich traf ihn vor dem Spiegel, sorglos und
sorgfältig die Haare kämmend. Auf mein Befremden sagte er: Sie¬
gen oder unterliegen, der Tag ist zu wichtig, man muß ihn in Gala
begrüßen und schließen. — So auch ich heute. Fallen oder siegen,
dieser Tag ist der wichtigste für die Zukunft Ungarns, ich muß ihn
als einen Festtag begehen. Fünfmal sprach Szechönyi und erntete
stets stürmisches Lebehoch.

Zur Beleuchtung des Streites zwischen Wicsner und Tengobors-
ki,ist die Stelle einer Rede interessant, welche der Graf Andrassy an
der Magnatentafel hielt: „Ich habe es dem Herrn Tengoborski ge¬
sagt, daß die Herren in Wien ihn dupiren, daß alle Daten in Bezug
auf Ungarn falsch sind, er hat es nicht glauben wollen." — Heute
wurde von der königlichen Tafel das Urtheil über jene jungen Leute
gefällt, die sich auf dem Belustigungsorte „Eisenbründel" einen Exzeß
zu Schulden kommen ließen. Alle — sieben an der Zahl — wurden
zur Erstattung des Schadens, der Hauptanführer, von Bosanyi,
zu einem Jahre, die anderen zu sechs und drei Monaten Gefängniß
verurtheilt. Das Straferkenntniß ist zu hart, allein man wollte zei¬
gen, daß auch die LandtagSjugend die Schwere des Gesetzes trifft, um
abzuschrecken. Leider wird dadurch auch die Erbitterung gesteigert, und
bei dem bevorstehenden Schlüsse des Reichstags dürften eben hierdurch
manche Reibungen mit den Bürgern auftauchen. Das Erkenntniß ist
nämlich auf Gefängniß in Eisen (Ketten), verschärft durch zweimal
wöchentliche Fasten und Strasarbeit. (IM. Die Strafarbeit für Edel¬
leute besteht in gezwungenen Schreiben.)

Zur Charakteristik deutscher Autoren-Verhältnisse möge hier fol¬
gende Thatsache Platz finden. Deinhardstein's „Motesens" wurde vor
einigen Monaten auch der hiesigen Bühne unter sehr mäßigen Hono¬
rarbedingungen zugeschickt. Unsere Direktion (Herr G. W. Megerle)
weist das Manuscript unter dem Verwände, es nicht gehörig besetzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/378>, abgerufen am 01.09.2024.