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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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des Bild ist die Rückkehr der Pilgerkaravane von Mekka "ach Me-
dina, und hier ist es die reiche Lebendigkeit der verschiedenen, zu ei¬
nem Zwecke und Ganzen vereinten Nationen, der Wirrwarr in dem
doch verständlichen Bilde, was uns eine glückliche Voistellung einer
Karavane gibt. Beide Bilder zeichnen sich durch ein kräftiges, har¬
monisches Colorit aus. -- Noch habe ich zwei durchaus ideale Genre¬
bilder zu erwähnen, die in ihrer Eigenthümlichkeit mit dieser nicht
ganz zu billigenden Richtung versöhnen. -- Das eine ist die schon
auf anderen Ausstellungen gesehene: Mohrin mit einem Kinde von
Begas. Ein allerliebster Gedanke. Ein reizendes nacktes Kind, das
von einer Mohrin gewaschen wird, nimmt nun seinerseits den Schwamm
aus dem silbernen Becken, um mit kindlicher Geschäftigkeit seine schwarze
Wärterin weiß zu waschen. Diese laßt es gewähren und lächelt dazu.
Der Gedanke läßt eine tiefere Deutung zu, aber er ist auch ohne
diese so naiv, daß man sich an dem Bilde erfreuen muß, selbst wenn
die Ausführung nicht so meisterhaft wäre, wie sie eS ist. -- Weni¬
ger bestimmt hat Professor Ki ob er in seiner Pferdeschwemme sei¬
nen ursprünglichen Gedanken ausgeprägt. Er nennt es eine Idylle,
und da eS ihm fast geglückt, diese zu erreichen, so mag man nicht
weiter grübeln, sondern sich an diesen kecken, hübsche" Jungen er¬
freuen, welche Pferde in die Schwemme reiten, während ihre Gespie¬
linnen, kleine Mädchen, auf dem blumenreichen Ufer sitzen und ihnen
zusehen. Das Bild ist reich an Lebendigkeit und vor Allem an ei¬
ner schönen, rosigen Farbe. Sein größter Fehler sind die Pferde. --

Nun gehe ich zu den Schilderungen deutschen Lebens über.
Da steht oben an der nächst Lessing deutscheste Künstler: Jakob
Becker aus Worms, mit einem der schönsten Bilder, die seit einem
Jahrhundert gemalt sind. -- Der vom Blitz erschlagene Schäfer
nennt es der Katalog, obgleich wir das und noch vieles Andere aus
dem Bilde sehen. Auf dem Gipfel eines Berges, so deutet wenig¬
stens die tief unten liegende Wiese an, umringen die herbeigelaufenen
Landleute den erschlagenen Schäfer. Ein Mann, der das Haupt des
Todten in seinen Armen hält, scheint in der Nähe des Vorgangs
gewesen zu sein, denn er erzählt den Umstehenden die entsetzliche Be¬
gebenheit. Unter diesen tritt ein Weib durch die überaus schmerzliche
Geberde hervor. Sie weiß nicht, wacht oder träumt sie; mit beiden
Händen hat sie nach den Schläfen gegriffen, um sich von der furcht-


des Bild ist die Rückkehr der Pilgerkaravane von Mekka „ach Me-
dina, und hier ist es die reiche Lebendigkeit der verschiedenen, zu ei¬
nem Zwecke und Ganzen vereinten Nationen, der Wirrwarr in dem
doch verständlichen Bilde, was uns eine glückliche Voistellung einer
Karavane gibt. Beide Bilder zeichnen sich durch ein kräftiges, har¬
monisches Colorit aus. — Noch habe ich zwei durchaus ideale Genre¬
bilder zu erwähnen, die in ihrer Eigenthümlichkeit mit dieser nicht
ganz zu billigenden Richtung versöhnen. — Das eine ist die schon
auf anderen Ausstellungen gesehene: Mohrin mit einem Kinde von
Begas. Ein allerliebster Gedanke. Ein reizendes nacktes Kind, das
von einer Mohrin gewaschen wird, nimmt nun seinerseits den Schwamm
aus dem silbernen Becken, um mit kindlicher Geschäftigkeit seine schwarze
Wärterin weiß zu waschen. Diese laßt es gewähren und lächelt dazu.
Der Gedanke läßt eine tiefere Deutung zu, aber er ist auch ohne
diese so naiv, daß man sich an dem Bilde erfreuen muß, selbst wenn
die Ausführung nicht so meisterhaft wäre, wie sie eS ist. — Weni¬
ger bestimmt hat Professor Ki ob er in seiner Pferdeschwemme sei¬
nen ursprünglichen Gedanken ausgeprägt. Er nennt es eine Idylle,
und da eS ihm fast geglückt, diese zu erreichen, so mag man nicht
weiter grübeln, sondern sich an diesen kecken, hübsche» Jungen er¬
freuen, welche Pferde in die Schwemme reiten, während ihre Gespie¬
linnen, kleine Mädchen, auf dem blumenreichen Ufer sitzen und ihnen
zusehen. Das Bild ist reich an Lebendigkeit und vor Allem an ei¬
ner schönen, rosigen Farbe. Sein größter Fehler sind die Pferde. —

Nun gehe ich zu den Schilderungen deutschen Lebens über.
Da steht oben an der nächst Lessing deutscheste Künstler: Jakob
Becker aus Worms, mit einem der schönsten Bilder, die seit einem
Jahrhundert gemalt sind. — Der vom Blitz erschlagene Schäfer
nennt es der Katalog, obgleich wir das und noch vieles Andere aus
dem Bilde sehen. Auf dem Gipfel eines Berges, so deutet wenig¬
stens die tief unten liegende Wiese an, umringen die herbeigelaufenen
Landleute den erschlagenen Schäfer. Ein Mann, der das Haupt des
Todten in seinen Armen hält, scheint in der Nähe des Vorgangs
gewesen zu sein, denn er erzählt den Umstehenden die entsetzliche Be¬
gebenheit. Unter diesen tritt ein Weib durch die überaus schmerzliche
Geberde hervor. Sie weiß nicht, wacht oder träumt sie; mit beiden
Händen hat sie nach den Schläfen gegriffen, um sich von der furcht-


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[0369] des Bild ist die Rückkehr der Pilgerkaravane von Mekka „ach Me- dina, und hier ist es die reiche Lebendigkeit der verschiedenen, zu ei¬ nem Zwecke und Ganzen vereinten Nationen, der Wirrwarr in dem doch verständlichen Bilde, was uns eine glückliche Voistellung einer Karavane gibt. Beide Bilder zeichnen sich durch ein kräftiges, har¬ monisches Colorit aus. — Noch habe ich zwei durchaus ideale Genre¬ bilder zu erwähnen, die in ihrer Eigenthümlichkeit mit dieser nicht ganz zu billigenden Richtung versöhnen. — Das eine ist die schon auf anderen Ausstellungen gesehene: Mohrin mit einem Kinde von Begas. Ein allerliebster Gedanke. Ein reizendes nacktes Kind, das von einer Mohrin gewaschen wird, nimmt nun seinerseits den Schwamm aus dem silbernen Becken, um mit kindlicher Geschäftigkeit seine schwarze Wärterin weiß zu waschen. Diese laßt es gewähren und lächelt dazu. Der Gedanke läßt eine tiefere Deutung zu, aber er ist auch ohne diese so naiv, daß man sich an dem Bilde erfreuen muß, selbst wenn die Ausführung nicht so meisterhaft wäre, wie sie eS ist. — Weni¬ ger bestimmt hat Professor Ki ob er in seiner Pferdeschwemme sei¬ nen ursprünglichen Gedanken ausgeprägt. Er nennt es eine Idylle, und da eS ihm fast geglückt, diese zu erreichen, so mag man nicht weiter grübeln, sondern sich an diesen kecken, hübsche» Jungen er¬ freuen, welche Pferde in die Schwemme reiten, während ihre Gespie¬ linnen, kleine Mädchen, auf dem blumenreichen Ufer sitzen und ihnen zusehen. Das Bild ist reich an Lebendigkeit und vor Allem an ei¬ ner schönen, rosigen Farbe. Sein größter Fehler sind die Pferde. — Nun gehe ich zu den Schilderungen deutschen Lebens über. Da steht oben an der nächst Lessing deutscheste Künstler: Jakob Becker aus Worms, mit einem der schönsten Bilder, die seit einem Jahrhundert gemalt sind. — Der vom Blitz erschlagene Schäfer nennt es der Katalog, obgleich wir das und noch vieles Andere aus dem Bilde sehen. Auf dem Gipfel eines Berges, so deutet wenig¬ stens die tief unten liegende Wiese an, umringen die herbeigelaufenen Landleute den erschlagenen Schäfer. Ein Mann, der das Haupt des Todten in seinen Armen hält, scheint in der Nähe des Vorgangs gewesen zu sein, denn er erzählt den Umstehenden die entsetzliche Be¬ gebenheit. Unter diesen tritt ein Weib durch die überaus schmerzliche Geberde hervor. Sie weiß nicht, wacht oder träumt sie; mit beiden Händen hat sie nach den Schläfen gegriffen, um sich von der furcht-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/369>, abgerufen am 01.09.2024.