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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Schüler Professor Wach's geworden? Nichts. Er ist ein Schüler
geblieben. Seine Bilder, La Siesta, italienisches Landvolk bei heran-
nahender Prozession, haben nichts Charakteristisches, nur etwas sen¬
timentales. Ihr größter Vorzug liegt in der Farbe, die wenigstens
harmonisch, wenn auch nicht kräftig ist. -- Ferner Julius Bau¬
mann, der einst durch ein Bild: die Wäscherinnen, großes Auf¬
sehen machte, mit einem größeren Bilde: neapolitanischer Jmprovisa¬
tor, das sich ebenfalls nicht über den einzigen Vorzug hübscher, glat-
ter Gesichter erhebt. -- Theobald von Oese: Abendscene am
Strande von Ischia, und andere, die ich besser unerwähnt lasse.
Vortheilhafter zeichnet sich Pistorius, der sich ebenfalls ganz dem
italienischen Leben zugewendet hat. durch ein wahrhaft komisches
Genrebild: Barbier und Antiquar in einer Person, aus.
Ein spitzbubcnähnlich aussehender Barbier hat einen Kunden einge¬
seift und schon einige Mal geschnitten, als er von einem Schulkna¬
ben, der ein Buch kaufen will, unterbrochen wird. Der Arme weiß
nicht recht, wie er seinem doppelten Stande zugleich nachkommen soll, aber
er hilft sich doch. Er schlingt den rechten Arm um das unglückliche
Opfer seines Barbirmessers, das sich kläglich in sein Schicksal ergibt,
während er mit der Linken dem Knaben das geforderte Buch hin¬
reicht. Es ist Humor in dem Bilde, nur weiß ich nicht, wie Pisto¬
rius zu dieser schwarzen, schmutzigen Farbe kommt, die freilich Andere
als kräftiges Colorit loben. Die Kraft des Bildes liegt in der scharf
ausgeprägten Situation und in der kecken Pinselführung, nicht in
der Farbe. -- Eine der gelungensten Darstellungen wahrhaft italieni¬
schen Lebens gibt Edmund Rabe in seiner Straßenscene aus
der Lombardei. Hier sehen wir wirkliches Leben, Volksleben.
Sagt der Künstler in dem Kataloge auch nur: Landleute aus dem
Beronesischen, um einen Guitarrenspieler versammelt, so hat er doch
recht gut gefühlt, daß auf einem so großen Marktplatze, wie er ihn
uns zeigt, auch Leute sein müssen, die nicht Zeit haben, einen öffent¬
lichen Sänger anzuhören. Die im Katalog genannte Gruppe nimmt
die rechte Seite des Bildes ein, während wir auf der Linken einen
alten Brunnen sehen, an dem Pferde und Esel von ihren Treibern
und Reitern getränkt werden. Die Verbindung der beiden Gruppen
geschieht durch die Straße, welche eben von einem Maulthiertreiber
mit Weib und Kind passirt wird. Der Maler hat sich von dem


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Schüler Professor Wach's geworden? Nichts. Er ist ein Schüler
geblieben. Seine Bilder, La Siesta, italienisches Landvolk bei heran-
nahender Prozession, haben nichts Charakteristisches, nur etwas sen¬
timentales. Ihr größter Vorzug liegt in der Farbe, die wenigstens
harmonisch, wenn auch nicht kräftig ist. — Ferner Julius Bau¬
mann, der einst durch ein Bild: die Wäscherinnen, großes Auf¬
sehen machte, mit einem größeren Bilde: neapolitanischer Jmprovisa¬
tor, das sich ebenfalls nicht über den einzigen Vorzug hübscher, glat-
ter Gesichter erhebt. -- Theobald von Oese: Abendscene am
Strande von Ischia, und andere, die ich besser unerwähnt lasse.
Vortheilhafter zeichnet sich Pistorius, der sich ebenfalls ganz dem
italienischen Leben zugewendet hat. durch ein wahrhaft komisches
Genrebild: Barbier und Antiquar in einer Person, aus.
Ein spitzbubcnähnlich aussehender Barbier hat einen Kunden einge¬
seift und schon einige Mal geschnitten, als er von einem Schulkna¬
ben, der ein Buch kaufen will, unterbrochen wird. Der Arme weiß
nicht recht, wie er seinem doppelten Stande zugleich nachkommen soll, aber
er hilft sich doch. Er schlingt den rechten Arm um das unglückliche
Opfer seines Barbirmessers, das sich kläglich in sein Schicksal ergibt,
während er mit der Linken dem Knaben das geforderte Buch hin¬
reicht. Es ist Humor in dem Bilde, nur weiß ich nicht, wie Pisto¬
rius zu dieser schwarzen, schmutzigen Farbe kommt, die freilich Andere
als kräftiges Colorit loben. Die Kraft des Bildes liegt in der scharf
ausgeprägten Situation und in der kecken Pinselführung, nicht in
der Farbe. — Eine der gelungensten Darstellungen wahrhaft italieni¬
schen Lebens gibt Edmund Rabe in seiner Straßenscene aus
der Lombardei. Hier sehen wir wirkliches Leben, Volksleben.
Sagt der Künstler in dem Kataloge auch nur: Landleute aus dem
Beronesischen, um einen Guitarrenspieler versammelt, so hat er doch
recht gut gefühlt, daß auf einem so großen Marktplatze, wie er ihn
uns zeigt, auch Leute sein müssen, die nicht Zeit haben, einen öffent¬
lichen Sänger anzuhören. Die im Katalog genannte Gruppe nimmt
die rechte Seite des Bildes ein, während wir auf der Linken einen
alten Brunnen sehen, an dem Pferde und Esel von ihren Treibern
und Reitern getränkt werden. Die Verbindung der beiden Gruppen
geschieht durch die Straße, welche eben von einem Maulthiertreiber
mit Weib und Kind passirt wird. Der Maler hat sich von dem


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[0367] Schüler Professor Wach's geworden? Nichts. Er ist ein Schüler geblieben. Seine Bilder, La Siesta, italienisches Landvolk bei heran- nahender Prozession, haben nichts Charakteristisches, nur etwas sen¬ timentales. Ihr größter Vorzug liegt in der Farbe, die wenigstens harmonisch, wenn auch nicht kräftig ist. — Ferner Julius Bau¬ mann, der einst durch ein Bild: die Wäscherinnen, großes Auf¬ sehen machte, mit einem größeren Bilde: neapolitanischer Jmprovisa¬ tor, das sich ebenfalls nicht über den einzigen Vorzug hübscher, glat- ter Gesichter erhebt. -- Theobald von Oese: Abendscene am Strande von Ischia, und andere, die ich besser unerwähnt lasse. Vortheilhafter zeichnet sich Pistorius, der sich ebenfalls ganz dem italienischen Leben zugewendet hat. durch ein wahrhaft komisches Genrebild: Barbier und Antiquar in einer Person, aus. Ein spitzbubcnähnlich aussehender Barbier hat einen Kunden einge¬ seift und schon einige Mal geschnitten, als er von einem Schulkna¬ ben, der ein Buch kaufen will, unterbrochen wird. Der Arme weiß nicht recht, wie er seinem doppelten Stande zugleich nachkommen soll, aber er hilft sich doch. Er schlingt den rechten Arm um das unglückliche Opfer seines Barbirmessers, das sich kläglich in sein Schicksal ergibt, während er mit der Linken dem Knaben das geforderte Buch hin¬ reicht. Es ist Humor in dem Bilde, nur weiß ich nicht, wie Pisto¬ rius zu dieser schwarzen, schmutzigen Farbe kommt, die freilich Andere als kräftiges Colorit loben. Die Kraft des Bildes liegt in der scharf ausgeprägten Situation und in der kecken Pinselführung, nicht in der Farbe. — Eine der gelungensten Darstellungen wahrhaft italieni¬ schen Lebens gibt Edmund Rabe in seiner Straßenscene aus der Lombardei. Hier sehen wir wirkliches Leben, Volksleben. Sagt der Künstler in dem Kataloge auch nur: Landleute aus dem Beronesischen, um einen Guitarrenspieler versammelt, so hat er doch recht gut gefühlt, daß auf einem so großen Marktplatze, wie er ihn uns zeigt, auch Leute sein müssen, die nicht Zeit haben, einen öffent¬ lichen Sänger anzuhören. Die im Katalog genannte Gruppe nimmt die rechte Seite des Bildes ein, während wir auf der Linken einen alten Brunnen sehen, an dem Pferde und Esel von ihren Treibern und Reitern getränkt werden. Die Verbindung der beiden Gruppen geschieht durch die Straße, welche eben von einem Maulthiertreiber mit Weib und Kind passirt wird. Der Maler hat sich von dem 46 -i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/367>, abgerufen am 28.07.2024.